Sumak Bags of Nordwest Persia and Transcaucasus

Autor/en: John T. Wertime
Verlag: Laurence King Publishing – HALI Publications Ltd
Erschienen: London 1998
Seiten: 240
Ausgabe: Leinen mit Goldprägung im Leinenschuber
Preis: 65.– englische Pfund
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1998

Besprechung:
Nichts kann die Schönheit, Seltenheit und Beliebtheit der Sumaktaschen aus Nordwest-Persien und dem südlichen Kaukasus besser illustrieren als die Tatsache, daß es hier seit einigen Jahren ein echtes Fälschungsproblem gibt. Skrupellose Händler in Zusammenarbeit mit geschickten Restauratoren brachten feine und feinste Sumaktaschen auf den Markt. Die Fälschungen waren und sind schwer zu erkennen denn das Material stammt meist aus geplünderten Cicims aus nämlicher Zeit. Auch sind die Fälscher clever genug um zu wissen, daß ihr Produkt nicht zu neu aussehen darf und helfen mit künstlicher Patina, kleinen Schäden, oft sogar mit unbeholfenen Restaurationen ihrer eigenen neuen Stücke nach. So bedarf es großer Erfahrung, Fälschung und Original zu unterscheiden. Griff, und Wollqualität, die Stimmigkeit der Muster, nur durch langen Gebrauch entstehender Glanz, Staub und Schmutz an den richtigen Stellen, und selbst dann, wenn all das stimmt, bleiben bei manchen, ungewöhnlichen Stücken noch Zweifel. Das prachtvolle Buch von John Wertime mit 140 aufwendig reproduzierten Stücken gibt reiches Anschauungsmaterial, wie die schönsten der originalen Webkunstwerke aussehen. Aber es ist nicht nur ein großartiges Bilderbuch. John Wertime hat sorgfältig recherchiert und faßt zusammen, was wir heute von dieser faszinierenden Webkunst des 19. Jahrhunderts aus dieser Region wissen. Wenig genug ist es, denn als diese Stücke in Europa erstmals Beachtung fanden, so um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, oft als Kissen oder gar als Polstermaterial zweckentfremdet, waren sie von Händlern eher beiläufig erworben worden und natürlich ohne jede Dokumentation der Fundorte. Das Interesse an dieser textilen Volkskunst ist ein Phänomen der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts, doch vor der iranischen Revolution, 1979, war einfach zu wenig Material bekannt, um diese Taschen zu verstehen, einzuordnen und ihre Bedeutung zu erkennen. Daß es Revolution und Krieg, Verarmung und Vertreibung geben mußte um die Sammler im Westen auf die schönsten Zeugnisse nomadischer Textilkultur aufmerksam zu machen ist ein Faktum, das man bei aller Freude an der Schönheit dieser Taschen nie vergessen darf. Azadi, Andrews und Tanavoli legten in den Achtzigern erste Untersuchungen vor, bevor der Zusammenbruch der UdSSR und die Öffnung der Grenzen 1989/90 – wieder war es einer Revolution zu „danken“ – viele, nie zuvor gesehene Stücke zum Vorschein brachte. Wertime bemerkt richtig, daß die bis heute in den Westen, meist in private Sammlungen gelangten Stücke nur ein kleiner Bruchteil des ehemaligen Bestandes sein können, der den Höhe- und leider auch Endpunkt einer langen, traditionsgebundenen Entwicklung darstellt, von der wir beinahe nichts wissen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß viele dieser im 19. Jahrhundert gewebten Taschen eng verwandt sind mit denjenigen, die der italienische Reisende Barbaro im 15. Jahrhundert gesehen hat. Läßt sich nun unser karges Wissen, abgesehen von neu bekannt werdenden Stücken, noch vertiefen? Wertime meint ja und beendet sein Buch mit einem Aufruf nach möglichst rascher Feldforschung. Denn noch gibt es unter den Shasevan-Stämmen des nordöstlichen Aserbeidschan Reste des aussterbenden Hirtennomadentums und eine überlieferte Webtradition, auch wenn heute nur noch nach den Bedürfnissen des Marktes gearbeitet und vorwiegend geknüpft wird. Und ein genaues Bild dieses Feldforschers zeichnet Wertime auch: Er muß die Sprache, Azeri-Türkisch, sprechen, Textilfachmann sein und anthropologische Erfahrung besitzen. Verbundenheit mit der Region, vielleicht sogar aus ihr stammend, wäre von Vorteil, vor allem für die notwendigen staatlichen Genehmigungen. Und, weil es Kunst aus Frauenhand ist, muß dieser Feldforscher eine Frau sein, der es gelingt, Zugang zu den Weberinnen zu finden, die sich Wissen bewahrt haben. Es wäre wirklich zu wünschen, daß dieses Buch seinen Weg auch zu persischen oder türkischen Studentinnen oder zu Wissenschaftlerinnen im jungen Aserbeidschan findet und eine Initiative weckt, die ungleich wertvoller wäre als das Fälschen dieser Textilkunst. Auch dieser Band der neuen Buch-Reihe von Laurence King/HALI läßt, von der Beschreibung des historischen und kulturellen Hintergrundes über die Darstellung von Techniken, Material und Farben bis zur vollständigen Bibliographie keine Wünsche offen.

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