Early Nasca Needlework

Autor/en: Alan R. Sawyer
Verlag: Laurence King Publishing
Erschienen: London 1997
Seiten: 176
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 70.– engl. Pfund
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 1997

Besprechung:
Veröffentlichungen über präkolumbianische Textilien sind – jedenfalls in Europa – recht selten. Doch das Interesse an diesen oft erstaunlich alten, in ihrer Ikonographie und Ästhetik außergewöhnlichen Textilien wächst, und immer mehr Sammler und Händler in Europa wenden sich auch diesem Bereich textiler Kunst zu. Alan R. Sawyer, eine der führenden Kapazitäten für präkolumbianische Kunst und von 1959 bis 1971 Direktor des Textile Museum in Washington hat nun eine Forschungsarbeit im Gewand einer aufwendigen Prachtpublikation über eine seltene und fasnierende Gruppe dieser Textilien vorgelegt. Early Nasca Needlework sind Textilien aus Grabfunden nahe der Küste im Süden Perus, in den Tälern des Flusses Ica und des Flusses Rio Grande de Nasca, der einem uns kaum bekannten Volk, seiner geheimnisvollen Kultur und seinen Textilien den Namen gab. Das trockene Wüstenklima und die besondere Situation der Gräber hat diese Textilien, die in die Zeit von etwa 100 v.Chr. bis 200 n.Chr. datiert werden können in einzigartiger Vollständigkeit und Farbenfrische erhalten. Unter Berücksichtigung anderer Nasca-Funde, Goldarbeiten und vor allem Keramik, versucht Sawyer eine Definition des Nasca-Stils, untersucht die Einflüsse auf die späteren und bekannteren Arbeiten der mehr nördlich lebenden Paracas und eröffnet interessante Einsichten in eine fremde Kultur, ihre Rituale und auf ihre Gottheiten. Ebenso wie den geheimnisvollen monumentalen Zeichnungen in den Pampas von Peru, die nur aus der Luft lesbar sind, dürften auch den Kult- und Totentextilien der Nasca die Anrufung und Beschwörung ihrer Berg-, Wetter- und Seegötter zugrunde liegen, ein Fruchtbarkeits- und Wasserkult in einer ariden Umwelt, in der Wasser selten ist und daher begehrt und verehrt wird. Typisch für die Nasca-Textilien ist eine eigenartige, nur dort bekannte Mischtechnik aus Sticken, Stricken und Knüpfen, „cross-knit looping“ genannt, die vor allem an den Borten von Textilien dreidimensionale Gebilde entstehen läßt, die sich deutlich vom übrigen Gewebe abheben. Diese „Borten“ hatten wohl auch selbständigen Charakter, sind also nicht immer und zwingend als Borte verwendet worden und sind aufregende plastische Textilkunst. Die berühmteste dieser Borten, die 3,6 Meter lange „Cabildo in-process mantle border“ ist in natürlicher Größe über 10 Seiten hinweg abgebildet und ist in ihrer Farbigkeit und der Phantasie und Vielseitigkeit der dargestellten Ikonographie einmalig. Diese und andere hier erstmals veröffentlichte Nasca-Textilien aus Museen und Privatsammlungen zeigen einen Reigen mythischer Gottheiten, Fabelwesen, Katzengötter, Trophäenköpfe, Schlangengestalten, oft furchterregend, oft auch humorvoll, der dieses ungewöhnliche und schöne Buch zu einem Erlebnis macht.

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