Music for the Eyes – Textiles from the Peoples of Central Asia

Autor/en: Luc Denys (Hrsg)
Verlag: Hessenhuis
Erschienen: Antwerpen 1997
Seiten: 454
Ausgabe: broschiert
Preis: BEF 2.000
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1998

Besprechung:
Schade, daß wir (auch HALI ?) nicht wußten, was sich hinter dem Ausstellungstitel „Musik für die Augen“ tatsächlich für Schätze verbargen. So können nach Ablauf der Ausstellung in Antwerpen (29. März 1998) die einzigartigen Zeugnisse der nomadischen Kulturen Zentralasiens aus dem Russisch Ethnographischen Museum St.Petersburg (REM) nur noch im Katalog bewundert werden, denn auch in St.Petersburg geht der Großteil der Sammlung wieder in die Depots. Ausstellung und Katalog verdanken wir der Partnerschaft zwischen Antwerpen und St.Petersburg und der Tatsache, daß das REM sein hundertjähriges Bestehen feierte. Dies war Anlaß, etwa 500 ausgewählte Teppiche und Textilien der Turkmenen, Kasachen, Kirgisen, Usbeken und Karakalpaken aus den überreichen Beständen des REM erstmals im Westen zu zeigen. Das Russisch Ethnographische Museum, gegründet von Zar Alexander III im Jahre 1895 besitzt über 1 Million Sammlungsgegenstände von mehr als 150 Ethnien, vom Baltischen Meer bis Kamtschatka, vom Arktischen Ozean bis zum Kaukasus und der Gebirgsbarriere des Kuen Lun. Es ist damit eine der größten Sammlungen dieser Art in der Welt und im Schwerpunktbereich Zentralasien sind seine Sammlungen in Umfang und Qualität unübertroffen. Hauptquelle für die Erwerbungen waren Expeditionen russischer Wissenschaftler vor allem aus dem ersten Quartal dieses Jahrhunderts, die aber bis heute fortgesetzt werden. Für viele sei hier der Orientalist, Maler, Fotograf und Sammler Samuel M. Dudin genannt, dessen Expeditionen nach Zentralasien von 1900 bis 1903 den Grundstock der Sammlung schufen. Dudin war fasziniert von Textilien und er war einer der ersten, die den Wert, die Schönheit und die Bedeutung turkmenischer Teppiche erkannten. Andere Quellen waren Schenkungen von privaten Sammlern. So gelangte 1902 ein Teil der bedeutenden Turkmenensammlung des Generals A. Bogoljubov als Gegenleistung für die Unterstützung der Zarenfamilie bei der Drucklegung seines berühmten Buches über Orientteppiche in das Museum. Der Schwerpunkt des Kataloges liegt aber nicht bei den Teppichen und Knüpferzeugnissen der Nomaden, vielleicht weil deren beste Stücke aus den Sammlungen Dudin und Bogoljubov schon 1996 anläßlich der ICOC in Philadelphia in den Westen gereist waren und im Katalog „Oriental Rugs from Atlantic Collections“ vorzüglich dokumentiert wurden. Sehenswert von den 226 im Katalog abgebildeten Stücken aus dem REM sind vor allem die für Konstruktion und den Schmuck der Yurte verwendeten Textilien, von Bändern aller Techniken über Wand- und Bodenfilze bis zu den gemusterten Schilfmatten der Kirgisen. Es folgen Taschen und Vorratsbehälter, die wohl wichtigsten Gegenstände der textilen Kultur der Nomaden in allen nur denkbaren Varianten, Größen und Techniken, aus Filz, Wolle und Seide, geknüpft, gestickt, geflochten, ein buntes Kaleidoskop zentralasiatischer Textilkunst. Das nachfolgende Kapitel „Nomaden unterwegs“ wird dominiert von Tierschmuck, Sattel- und Pferdedecken und der Reigen schließt mit Kleidung und Accessoires, Hauben, Schleiern, Gürteln und zahlreichen kompletten Kostümen aller Stämme der Region. Die Farbwiedergaben der Textilien sind akzeptabel während die der Teppiche schlicht miserabel sind, angesichts der heutigen Möglichkeiten der Reproduktions- und Drucktechnik für einen nicht gerade billigen Katalog vollkommen unverständlich. Die Textbeiträge reichen von einer allgemeinen Darstellung der geographischen und historischen Grundlagen Zentralasiens bis zu detaillierten Aufsätzen über Textilgattungen und deren originale, von Stamm zu Stamm unterschiedliche Bezeichnungen. Sie wurden durchweg verfaßt von Wissenschaftlern des REM (L.Popova, T.Emelyanenko, E.Tsareva, S.Dmitriev). Damit sind wir bei S. 253 des Katalogbuches angelangt. Nach einem Beitrag über Wilhelm von Rubruk, der von 1253 bis 1255 im Auftrage Papst Innozenz IV und Ludwig IX von Frankreich eine Gesandtschaftsreise an den Hof des Mongolenfürsten in Karakorum unternahm, eine der ersten dokumentierten Reisen eines Europäers durch Zentralasien, werden im letzten Drittel des Kataloges etwa 160 Stücke aus privaten Sammlungen vorgestellt, sehr viele Belutschen, einige turkmenische Teppiche, Schmuck, Mützen, Bänder, Schleier, Gürtel und dergleichen mehr, die aber über durchschnittliche Qualität nur selten hinausgehen. Dennoch ist dieser voluminöse Katalog wegen der zentralasiatischen Textilien aus den Russisch Ethnographischen Museum in St.Petersburg eine empfehlenswerte Anschaffung.

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