Caucasus Persia – Gilim und andere Flachgewebe

Autor/en: Ignatio Vok (Hrsg)
Verlag: Edition Vok
Erschienen: München 1996
Seiten: 170
Ausgabe: Leinen
Preis: DM 218.–
Kommentar: Michael Buddeberg, September 1996

Besprechung:
Nach Suzani liegt nun mit Caucasus Persia Band 2 der auf drei Bände angelegten Kataloge der Vok Cellection vor. Der hohe bibliophile Anspruch, die überragende Qualität in Typographie, Druck, Fotographie (Udo Hirsch) und Wiedergabe der Stücke des vom Sammler Ignatio Vok selbst gestalteten Kataioges wurde bereits in der Besprechung von Suzani gewürdigt. Der neue Band steht dem in nichts nach. Auch er muß zu den „Schönsten Büchern“ gezählt werden. Die knappe Einführung von Sadighi und Hawkes fasst nur kurz zusammen, was der erste und stärkste Eindruck beim Blättern durch den Katalog ist: Weder waren Alter und Seltenheit die Auswahlkriterien bei der Anlage der Sammlung noch bestimmten die üblichen geographischen und ethnologischen Schemata den Aufbau des Kataloges. Für Ignatio Vok steht stets die ästhetische Wirkung, das genuine Kunstwerk im Vordergrund. Dabei scheinen die Farben, ihr Nebeneinander, die zwischen ihnen bestehende Spannung und Harmonie noch vor der Zeichnung, der Form, der Komposition zu stehen. Wer die Sammlung in dem großen Kornspeicher des Castello di Lispida bei Padua gesehen hat, vielleicht gar bei schräg durch die Fenster einfallender Abendsonne, wird sie nicht vergessen: Die Farbharmonie und Farbenglut dieser Webarbeiten. Im Katalog kommt vor dem Gang durch die Sammlung der Sammler selbst zum Wort: Selten hat man einen solch persönlichen, engagierten und aufrichtigen Text über das Sammeln gelesen, über die erste Begegnung mit einem neuen, noch unbekannten Stück, das Vertrautwerden, die Zweifel, die spontane Liebe, über die Bedeutung von Zufall und Glück beim Aufbau einer Sammlung, über die wichtige und doch begrenzte Rolle des Kunsthändlers und immer wieder über die persönliche Auseinandersetzung mit jedem Stück. Sammeln, so Ignatio Vok, macht unser Leben reicher und schöner oder „Der Erwerb eines jeden Kunstwerkes ist ein Akt der Lebensfreude …… Es ist einfach erregend und beglückend, diese Textilien zu finden, sie abzulehnen oder zu begehren, sie zu erwerben, sie anzusehen, sie mit den Händen zu fühlen, sich ihnen zu nähern und sie zu verstehen versuchen, sich die Menschen vorzustellen, die sie in fernen Zeiten besaßen und gebrauchten, sie dann selbst zu besitzen und sich einfach ihrem Zauber hinzugeben.“ Die in diesen Worten zum Ausdruck kommende Sammlerpersönlichkeit von Ignatio Vok prägt Sammlung und Katalog. Jedes einzelne Stück wird nicht nur von einer knappen Beschreibung und Strukturanalyse begleitet sondern auch von einem Kommentar des Sammlers, der die persönliche Beziehung zwischen ihm und dem Stück zum Ausdruck bringt. Obwohl die Sammlung geographisch vom Elbrus-Massiv im Südkaukasus bis zu den Ausläufern des Zagros in der südpersischen Region Fars reicht und bedeutende Exemplare der Gattungen Cicim, Verneh, Schaddah, Sileh, Senneh und Soumak enthält, sollen hier drei Gruppen herausgestellt werden, denen die besondere Liebe des Sammlers gilt und die in diesem Katalog in bisher nicht gesehener, repräsentativer Form vorgestellt werden. Eine erste Gruppe von Kelims aus Nordwest- bis Zentralpersien beginnt mit urwüchsigen, ästhetisch eindrucksvollen Streifenmustern, die durch Variationen in Breite und Farbzusammenstellung jedem Stück einen eigenen Rhytmus verleihen. Diese Streifen werden dann diagonal gebrochen, es entstehen Rhomben, gezackte Bänder, aus Farbe entsteht Zeichnung und Form, um sich dann wieder aufzulösen in einem Farbteppich mit geheimnisvoller Ordnung und Harmonie. Die Zusammenstellung dieser 20 Kelims (Nr.35 bis 54) ist ein ästhetisches, von Ignatio Vok wohl auch so empfundenes und im Katalog vermitteltes Erlebnis. Eine weitere interessante und bisher nur wenig beachtete Gruppe sind Webarbeiten mit musterbildender Kette, die Jajims (Nr. 72 bis 80). Auch hier eine Grundmusterung in Streifen mit überraschenden geometrischen, manchmal auch verspielten, gelegentlich aufgestickten Mustern. Die größte Gruppe bilden die Gaschghai-Kelims, unter welcher Sammelbezeichnung die von verschiedenen Stämmen, vor allem den Luren und den Gaschghai, herstellten, jedoch einheitlichen Gestaltungsprinzipien folgenden Kelims zusammengefaßt werden können. Knapp 30 dieser Kelims (Nr. 81 bis 107) beeindrucken durch den unterschiedlichen Umgang der Weberin mit der Fläche. Ob vollkommen leer, mit einem einzigen zentralen Rhombus, mit Medaillons oder übersäht mit Rauten, Kreuzen und anderen geometrischen Motiven, gestreift, gewürfelt, symmetrisch oder asymmetrisach in Form und Farbe: Die Grenzen zwischen Volkskunst und Moderne scheinen hier aufgelöst und es zählt allein das uralte Problem, die Bewältigung der Fläche. Dies Problem ist bei einigen der Gaschghai-Kelims in meisterhafter Form gelöst. Zeitlose Kunstwerke von höchstem Rang. – Caucasus Persia, ein großartiges Buch zu einem bisher wenig behandelten Thema. Wir sind gespannt auf Band 3, Anatolia, ein Thema, zu dem andere Publikationen schon Maßstäbe gesetzt haben.

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