Muster und Zeichen – gestickt und gesammelt auf textilem Grund

Autor/en: Anne Wanner, Jean Richard
Verlag: Textilmuseum St. Gallen
Erschienen: St. Gallen 1996
Seiten: 184
Ausgabe: Hardcover (auch als softcover erhältlich
Preis: CHF 78.–
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 1997

Besprechung:
Überall wo kleine Mädchen oder mit der Nadel bereits geübte Mütter und Großmütter Stickereien angefertigt haben, sind immer schon Stickmustertücher entstanden. Die Vielfalt dieser Mustertücher hat sie zu einem beliebten Sammelgebiet werden lassen. Literatur über dieses Spezialgebiet ist aber eher bescheiden, ein Katalog des Bayerischen Nationalmuseums aus dem Jahre 1980, ein Frankfurter Ausstellungskatalog, einige Beiträge in Zeitschriften, das war’s. Bis jetzt! Das Textilmuseum St.Gallen besitzt mit über 300 Stickmustertüchern einen wahren Schatz dieser textilen Kleinkunst, der 1996 mit einer schönen Ausstellung und einem repräsentativen Sammlungskatalog der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. Die überwiegend datierten Stickereien reichen bis in das frühe 17. Jahrhundert zurück und stammen vorwiegend aus der Schweiz, aus Deutschland und, zu einem ganz bedeutenden Teil, aus England. Auch aus Holland, Dänemark, den „Vierlanden“ bei Hamburg, aus einigen romanischen Ländern und schließlich aus Mexiko und aus Marokko fanden Stücke in die Sammlung und es ist interessant, festzustellen, daß es neben überall gebräuchlichen Buchstaben- und Zahlendarstellungen ganz herkunftstypische Motive und ausschließlich regional gebräuchliche Stickereitechniken gibt. So überwiegen bei den Tüchern aus Holland Windmühlen und Schiffdarstellungen und die Beispiele aus Mexiko zeigen eine nur dort angewandte Durchbruchstechnik, den „aztekischen Stich“. Muster und Zeichen, Abbild und Technik sind die beiden herausragenden Aspekte der 299 im Katalog genau beschriebenen Stickmustertücher, deren genaues Studium sich lohnt. Nahezu unendlich sind die Motive, die aber wohl selten eigene Schöpfungen der oft namentlich genannten Stickerinnen sind sondern der Familientradition, den beliebten Musterbüchern oder die auch von Seidenstoffen und Brokaten aus dem Orient und Italien entnommen wurden. Ein Register am Ende des Bandes erschließt nicht nur die wichtigsten dieser Motive sondern auch die benutzten Stickstiche. Von der Vielfalt dieser Stickstiche – für viele seien hier der „Hexenstich“, der „Flammenstich“ oder der „Kabelkettenstich“ als weniger bekannte Beispiele genannt – ist nicht nur der Laie sondern sogar der Fachmann überrascht. Überraschend auch die Feststellung, daß die benutzten Stickstiche im 17. Jahrhundert am vielfältigsten sind, sich im 18. und 19. Jahrhundert deutlich reduzieren und sich zuletzt oft nur noch auf den einfachen Kreuzstich beschränken. Von den vielen oft religiösen Texten und Sprüchen sei zum Abschluß einer zitiert: Dies langweilig Werk mir erst das Fürchten gab, ich mit Geduld und Freude überwunden hab.

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