Lost Kingdoms – Hindu-Buddhist Sculpture of Early Southeast Asia

Autor/en: John Guy (Hrsg)
Verlag: The Metropolitan Museum of Art and Yale University Press
Erschienen: New York, New Haven and London 2014
Seiten: XVIII/318
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: GBP 45,00
ISBN: 978-0-300-20437-7 (Yale)
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2014

Besprechung:
Wer hat je von den Königreichen Pyu, Funan, Zhenla, Champa, Dyaravati oder Srivijaya gehört? Sie alle existierten vor weit mehr als tausend Jahren in einer Region dieser Erde, die einst hinter Indien und damit jenseits des allgemeinen Interesses gelegen, auch pauschal und herablassend mit „Hinterindien“ bezeichnet wurde. Klimatisch den Tropen, allenfalls in Grenzbereichen den Subtropen zuzurechnen, hatten dort Materialien wie Textilien, Holz und papierähnliche Substanzen, ja sogar Metall kaum eine Chance den Witterungseinflüssen zu widerstehen und so sind es fast ausschließlich Werke aus Stein, die durch Zufall oder archäologisches Bemühen im zwanzigsten Jahrhundert und bis heute als geheimnisvolle Botschaften früher Gesellschaften entdeckt wurden. Da häufig auch die Fundzusammenhänge nicht dokumentiert wurden, waren Herkunft, Alter und Bedeutung schwer zu bestimmen und so blieben diese Zeugen einer rätselhaften Vergangenheit weitgehend unbekannt, unpubliziert und nur von einem kleinen Kreis Eingeweihter bewundert. Erst die Zunahme von Material, die Entzifferung von Inschriften auf Stelen, Statuen und Tafeln und schließlich die Auswertung früher chinesischer Schriften und Reiseberichte brachten nach und nach Licht in dieses Dunkel und ließen eine Kette von Staatengründungen und Königreichen vom 5. bis zum 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bekannt werden, die heute als frühe Vorläufer von Kambodscha, Indonesien, Malaysia, Myanmar, Thailand, Laos und Vietnam gelten. Die mit den Skulpturen erhaltene, ausschließlich religiöse Kunst dieser Königreiche ist ein Spiegel der Ausbreitung der großen Religionen Indiens in den süd- und südostasiatischen Raum. Reisende Heilige, Pilger aber auch der stetig zunehmende Handel sorgten für die Verbreitung brahmanischer Ideen und Kulte, hinduistischer Bilderwelten und buddhistischer Glaubenspraxis. Das Metropolitan Museum of Art in New York hat mit einer von April bis Juli 2014 veranstalteten Ausstellung und dem dazu publizierten Katalog erstmalig versucht, einen chronologisch geordneten, zusammenfassenden Überblick über diese frühen Kulturen zu geben. Das Ergebnis, die museale Präsentation von mehr als 170 Objekten aus den National- und anderen Museen in Kambodscha, Malaysia, Myanmar, Thailand und Vietnam, aus den großen US-amerikanischen Sammlungen, aus dem Victoria & Albert in London und dem Musée Guimet in Paris, ist atemberaubend und in dieser Zusammenstellung der schönsten und berühmtesten Bildwerke einzigartig und kaum wiederholbar. Den Buddha aus Sandstein aus dem südlichen Thailand des 6./7. Jahrhunderts, heute im National Museum in Chaiya in Thailand, der eine unvergleichliche meditative Ruhe ausstrahlt (Kat.Nr. 42), den Buddha mit Erdberührungsgeste mit zart angedeutetem Faltenwurf (9. Jh.) aus dem Nationalmuseum in Bangkok (Kat.Nr. 113), den perfekt erhaltenen Avalokitheshvara aus Vietnam (7./8. Jh.), der sich heute im Musée Guimet befindet (Kat.Nr. 137) und den Buddha aus dem 7. Jahrhundert aus dem National Museum Bangkok (Kat.Nr. 117), dessen ebenmäßiger Kopf mit den buddha-typischen Ohren den Buchcover ziert, um nur einige wenige dieser Kunstwerke zu nennen, wird man wohl nie mehr zusammen bewundern können. Fotografie und Wiedergabe im Buch, oft seitengroß und vor einheitlich schwarzem Hintergrund, sind vorbildlich und lassen keine Wünsche offen. Gleiches gilt für die erklärenden Texte, vor allem aber für die insgesamt 18 Essays der auf diesem Gebiet führenden internationalen Wissenschaftler, die, chronologisch geordnet, einen Einblick in die frühe Geschichte und Kultur Südostasiens ermöglichen. Mehrere Karten und ergänzendes, reiches Bildmaterial mit den Landschaften der Region, mit zeitgenössischen und frühen Fotodokumenten archäologischer Fundstätten und mit weiteren zahlreichen Artefakten aus privaten Sammlungen und Museen machen den Katalog zu einem konkurrenzlosen Dokument der Frühgeschichte Süd- und Südostasiens. Die Entstehung, Entwicklung und Aufeinanderfolge der einzelnen Königreiche, der lebhafte Handel auf der frühen Seidenstrasse der Meere, welche die vom Meer umspülten Länder und Inselreiche verband und auf welcher sich nicht nur Waren sondern auch Religionen, Kunststile und Fertigkeiten verbreiteten oder das, was chinesische Pilger und Historiker über die politischen, kulturellen und religiösen Verhältnisse der Region aufzeichneten, sind nur einige der vielen Themen, die behandelt werden. Im Zentrum aber steht die Skulptur, beginnend mit frühen Bildwerken, die aus Indien oder Sri Lanka nach Osten fanden, mit den ersten Anfängen buddhistischer und hinduistischer Kunst in der Region, mit der Entwicklung von Stilmerkmalen und kunsthandwerklichen Techniken bis hin zu den stilistischen Besonderheiten, aus denen dann beispielsweise in Thailand oder in Kambodscha eigenständige Kunstrichtungen wurden. Mit dem Buch „Lost Kingdoms“ gehören Dvaravati, Srivijaya, Zhenla und andere südostasiatische Königreiche nun endgültig nicht mehr zu den verlorenen Königreichen.

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