Die Khmer – Geschichte und Schätze einer alten Zivilisation

Autor/en: Stefano Vecchia
Verlag: Philipp von Zabern
Erschienen: Darmstadt 2013
Seiten: 208
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 29,99
ISBN: 978-3-8053-4670-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2014

Besprechung:
„Am Anfang war das Wasser“, so steht es nicht von ungefähr in der Schöpfungsgeschichte der Bibel. Wasser als Urelement und Grundvoraussetzung für Leben ist nicht nur in der Bibel, sondern in den Mythen und Religionen fast aller Kulturen von zentraler Bedeutung. Doch oft genug war Wasser nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch für die Menschheit und zwar immer dann, wenn zu wenig oder zu viel von diesem Element vorhanden war. Dürren wie Hochwasser waren immer schon die häufigste Bedrohung von Ernten, Besitz und Leben. Daran haben menschliche Bemühungen, hat auch die Hydrologie, die Wissenschaft von der Wassernutzung, bis heute nur wenig ändern können. Umso mehr verdient es unsere Bewunderung, dass es dem Volk der Khmer vor mehr als tausend Jahren gelungen ist, ein fast schon sprichwörtliches „Zuviel“ an Wasser, nämlich den jährlich wiederkehrenden Monsun mit seinen vom Himmel fallenden Wassermassen zu bändigen. Das von dem Khmer-König Indravarman I (reg. 877-890) und seinen Nachfolgern gebaute, komplizierte Netz von Deichen, Kanälen und riesigen Wasserbecken war der Schlüssel für Macht, Reichtum und Bestand des Khmer-Reichs und seiner Hauptstadt Angkor für fünf Jahrhunderte. Die beeindruckenden Wasserbauwerke, das perfekt geregelte und überwachte Management für das Bewässern der Reisfelder und den Gebrauch von Wasser für rituelle Zwecke, das Konzept einer „hydraulischen Gesellschaft“ sind wichtige Bestandteile des Buches des italienischen Journalisten Stefano Vecchia über Geschichte und Schätze der Khmer-Zivilisation. Auch der Untergang des Khmer-Reiches durch innere Schwäche, Bedrohung von außen und Flucht der Bevölkerung aus Angkor mit der Folge, dass Urwald, Affen und Fledermäuse die Stadt in Besitz nahmen, wird letztlich mit dem durch die Umstände erzwungenen Ende dieses Wassermanagements besiegelt. Mit der Entdeckung des vom Dschungel überwucherten Bayon, des vielleicht rätselhaftesten aller Khmer-Tempel durch den französischen Naturforscher Henri Mouhot im Jahre 1860 begann die Erforschung des Reiches der Khmer von seinen Anfängen bis zum Untergang, eine Geschichte, die nicht nur von immer neuen und immer wieder erstaunlichen archäologischen Entdeckungen, sondern ebenso von mutwilligen Zerstörungen, Diebstahl, Krieg und Kunstraub geprägt ist. Das reich illustrierte Buch erzählt die ganze Geschichte der Region im Herzen von Indochina, von den Spuren erster Siedler in prähistorischer Zeit und der dauerhaften menschlichen Präsenz seit der Bronzezeit bis in unsere Tage. Spätestens seit Beginn der Zeitrechnung wurde der religiös geprägte Einfluss Indiens immer stärker, Händler und Pilger brachten den Hinduismus und den Buddhismus, und mit Religion, Sprache und Schrift verbreiteten sich auch die indischen Epen Mahabharata und Ramayana, ein unerschöpflicher Quell der Inspiration nicht nur für die Zivilisation und Kunst der Khmer, sondern auch für deren Vorläufer, die Kulturen von Funan und Chenla. Mit der Ernennung von Jayavarman II zum König der Khmer im Jahre 802 begann die Blütezeit der Angkor-Epoche, die mehr als 500 Jahre währte. Der dynastischen Abfolge der Könige der Khmer, ihren Leistungen in der Architektur, den Wasserbauwerken, Palästen und vor allem den grandiosen, mit Reliefs und Skulpturen geschmückten Tempeln, ist der Hauptteil des Buches gewidmet. Das Reich aus Stein, wie es sich heute präsentiert, mit den, den kosmischen Berg Meru und zugleich das Gottkönigtum symbolisierenden, von Wasser umgebenen Tempeltürmen, ist aber nur der heute noch sichtbare Teil einer frühen urbanen Zivilisation, die kaum Spuren hinterlassen hat. Die Hauptstadt Angkor Thom war mit geschätzt etw einer Million Einwohnern eine der größten Metropolen der damaligen Welt und nur die insgesamt ca. 700 Meter langen und 2 Meter hohen Flachreliefs von Angkor Vat vermitteln neben mythologischen und Kriegsszenen ein Bild vom Leben im Reich der Khmer. Das Reich aus Stein mit seinen reich mit Ornamenten und Skulpturen überzogenen Bauwerken ist in erster Linie ein Denkmal höfischer Khmerkunst, die zwar den hinduistischen und buddhistischen Einfluss Indiens immer erkennen lässt, ihn aber in einen eigenständigen Stil von hoher Ästhetik verwandelt hat. Die Apsaras, perfekte Abbilder junger Frauen am Hofe des Königs, Konkubinen, Dienerinnen und Tänzerinnen, sind die bekanntesten und zugleich zauberhaftesen Beispiele dieser Bildhauerkunst. Kein Wunder also, dass sich das ausgegrabene Reich aus Stein, nachdem es von den Landminen eines halben Jahrhunderts Bürgerkrieg wieder befreit ist, zum Identifikationsort der kambodschanischen Nation und zu einem Ziel des internationalen Massentourismus geworden ist, eine wichtige Einnahmequelle für ein bettelarmes Land aber auch eine latente Gefahr für einzigartige Zeugnisse einer großen Vergangenheit. Eine in Bild und Text hervorragende Information über das Reich der Khmer, die noch viel besser wäre, hätte man nicht für den Text eine viel zu kleine Schrift gewählt.

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