Expedition Seidenstrasse – Die legendäre Expédition Citroen Centre-Asie 1931-1932

Autor/en: Ariane Audouin-Dubreuil
Verlag: Frederking & Thaler
Erschienen: München 2003
Seiten: 192
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: EUR 51.40
ISBN: 3-89405-624-X
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2004

Besprechung:
Die von der französischen Geographischen Gesellschaft in den zwanziger Jahres des 20. Jahrhunderts als wissenschaftlich-künstlerische Expedition geplante Expédition Centre-Asie war beileibe nicht die erste Veranstaltung dieser Art. Seit Jahrzehnten war Zentralasien ein beliebtes Ziel für Forscher und Abenteurer, für Geologen, Archäologen, Kunsthistoriker und Ethnologen. Sir Aurel Stein, Albert von Lecoq, Paul Pelliot und natürlich Sven Hedin hatten nicht nur Zeugnisse einer reichen kulturellen Vergangenheit sondern auch spannende und viel gelesene Berichte der von ihnen bereisten Regionen mitgebracht und veröffentlicht. Ganz neu war jedoch das für diese Expedition vorgesehene Transportmittel. Während sich alle Reisenden nach Zentralasien bisher in konventioneller und landesüblicher Art und Weise fortbewegt hatten, zu Pferd, hoch auf dem Kamel oder zu Fuß, begleitet von Karawanen von Trägern und Tragtieren, sollten es diesmal Geländewagen sein, oder was man damals unter Geländewagen verstand. Citroen, der Hauptsponsor der Expedition, hatte hierfür kräftige, robuste Fahrzeuge mit Kettenantrieb entwickelt. Im April 1931 starteten in Beirut sieben solcher Fahrzeuge, ausgerüstet mit wissenschaftlichem Gerät, mit Foto- und Filmkameras, mit einer Funkanlage, mit Proviant, Ersatzteilen, Medikamenten und einer kompletten Küche. Doch die Zeiten waren schwierig. Die Weltwirtschaftskrise war noch nicht überwunden, und in vielen Gebieten Asiens herrschten Krieg, Aufstand und Chaos. So war es bei aller Vorbereitung ein Aufbruch ins Ungewisse, und die Expédition Citroen Centre-Asie entwickelte sich zu einem der ganz großen Abenteuer des 20. Jahrhunderts. Ariane Audouin-Dubreuil, die Tochter des stellvertretenden Leiters der Expedition hat aus Dachböden und weit verstreuten Sammlungen, nicht zuletzt aus dem eigenen Familienarchiv Tagebücher, Dokumente, Informationen und hunderte von Fotos zusammengetragen und zu einem lebendigen, faszinierenden Bericht zusammengestellt. Dabei werden auch die wissenschaftlichen Leistungen dieser Expedition, die über der spektakulären sportlichen Leistung rasch in Vergessenheit gerieten, gewürdigt. Wir finden eine ehtnographische Dokumentation, hinreißende Portraits des russischen Expeditionsmalers Iacovleff, Berichte über neue geologische Entdeckungen in Zentralasien, Wissenswertes über Flora und Fauna im Tarimbecken und wichtige Berichte und Aufnahmen archäologischer Stätten wie Takht-i-Bustan, Beziklik und Bamiyan. Der 2001 von den Taliban gänzlich zerstörten Buddha von Bamiyan war schon damals, wie einer der Expeditionsteilnehmer in sein Tagebuch schreibt, brutal verstümmelt durch den Heiligen Zorn des Islam. Doch diese wissenschaftlichen Arbeiten und Berichte verblassen in der Tat vor der einzigartigen Leistung, die die Durchquerung Asiens mit Geländefahrzeugen im Jahre 1931/32 darstellt. Der Expeditionsbericht, der etwa zwei Drittel des Buches einnimmt, ist gedrängt voller Abenteuer und Exotik, voller gefährlicher Situationen und überraschender Gastfreundschaft, eine Hommage an den Mut, die Ausdauer und die Fähigkeiten der drei Dutzend Männer, die ein Jahr nach dem Start in Beirut ihr Ziel in Saigon erreichen. Zwei Höhepunkte der Expedition seien hier herausgegriffen: Die Überquerung des Himalaya und die winterliche Fahrt durch den Nordwesten Chinas. Für die Gebirgsfahrt hatten die Ingenieure von Citroen zwei leichte Raupenfahrzeuge entwickelt, „Goldskarabäus“ und „Silberhalbmond“. Ein Aufstand im Norden Afghanistans macht die eigentlich geplante Fahrt über den Wakhjir-Pass unmöglich und so sind die Gebirgsmassive des Himalaya, Karakorum und des Hindukusch zu überwinden. Von Bandipur in Kaschmir versuchen „Goldskarabäus“ und „Silberhalbmond“ die nur von Maultieren und Yaks begangenen Saumpfade und Gletscher zu bezwingen. Nur zu oft drohen die Fahrzeuge unter bröckelnden Wegen in tiefe Schluchten abzustürzen, werden mit Seilen über schwankende Brücken gezogen und überqueren Geröll- und Schneefelder auf eigens angelegten Wegen. Eine 200 Meter breite Erdbebenspalte zwingt zum Zerlegen der Fahrzeuge in tragbare Einzelteile, die auf der anderen Seite wieder zusammengebaut werden. Oft sind es nicht mehr als 10 Kilometer, die an einem Tage geschafft werden. Das Vorhaben gelingt nur teilweise. Nach der Überquerung Himalaya-Hauptkammes werden die Fahrzeuge in Gilgit im Hunzatal aufgegeben. Material, Kräfte und Mittel sind verbraucht. Der „Goldskarabäus“ wird wieder zerlegt und kehrt, in Kisten verpackt, in die Heimat zurück, während „Silberhalbmond“ in den Besitz des Mir von Hunza übergeht. In Kaschgar beginnt dann im Herbst 1931 mit neuen Raupenfahrzeugen die Durchquerung des Reichs der Mitte. Hier sind es das extreme Klima und die chaotischen politischen Verhältnisse, die diesen Teil der Expedition fast scheitern lassen. Sand- und Schneestürme, zerstörte Dörfer, unerträgliche Hitze, verlassene, mit Toten und Verwundeten übersähte Schlachtfelder, klirrender Frost, der das Wasser in den Motoren gefrieren läßt, machen die Reise zu einer Odyssee. Und wieder sind es Mut, Ausdauer und auch eine Portion Glück, die die Männer knapp fünf Monate später Peking erreichen lassen. „Silberhalbmond“, beladen mit wissenschaftlichen Schätzen bricht bei der Überquerung des Gelben Flusses im Eis ein, ein Feuerüberfall chinesischer Soldaten wird abgewehrt und als in der Wüste Gobi das Benzin zur Neige zu gehen droht, ist es nur ein glücklicher Zufall, daß das Monate zuvor vergrabene Benzindepot gefunden wird. Expedition Seidenstraße ist ein packender Bericht eines der großen menschlichen und technischen Abenteuer des 20. Jahrhunderts.

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