Dschingis Khan und seine Erben – Das Weltreich der Mongolen

Autor/en: Claudius Müller, Henriette Pleiger
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2005
Seiten: 432
Ausgabe: fester illustrierter Einband
Preis: € 39.90
ISBN: 3-7774-2545-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2005

Besprechung:
Schon 1989 war im Münchner Haus der Kunst unter dem Titel „Die Mongolen“ eine bemerkenswerte Ausstellung zu sehen. Der damals erschienene zweibändige Katalog ist seither ein unentbehrliches und leider seit langem vergriffenes Standardwerk für jeden, der sich für mongolische Kunst und Kultur interessiert. Es liegt nahe, den Katalog der großen Ausstellung in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (vom 16. Juni bis zum 25. September, danach vom 26. Oktober bis zum 29. Januar 2006 im Völkerkundemuseum München) an diesem Klassiker zu messen. Nun ist seit 1989 viel Wasser den Selenge und den Orchon, die beiden großen Flüsse in der zentralen Mongolei hinuntergeflossen, und nicht nur in der Welt sondern auch in der Mongolei hat sich vieles geändert. Aus der wenig bekannten und für den Westen fast unzugänglichen mongolischen Volksrepublik wurde die demokratische, marktwirtschaftlich orientierte Mongolei. Der unter den kommunistischen Machthabern verbotene und verfolgte Buddhismus wurde Staatsreligion und der für fast ein dreiviertel Jahrhundert von den Mongolen nur im Geheimen verehrte Dschingis Khan feierte ein glänzendes Comeback. Das prägt den Katalog. Die historische Rolle Dschingis Khans als Gründer des Mongolischen Großreichs, das sich in seiner Blütezeit vom Pazifischen Ozean bis nach Mitteleuropa erstreckte, steht ganz im Mittelpunkt. Das mongolische Weltreich, das durch die machtvollen Nachkommen Dschingis Khans Reiche wie China, Persien, Indien und Russland über Jahrhunderte prägte ist das zentrale Thema von Ausstellung und Katalog, um das sich die Exponate (fast 500) und drei Dutzend Beiträge von über 20 Autoren ranken. Seit 1989 haben vor allem die Archäologie und damit die wissenschaftliche Erforschung der mongolischen Geschichte bedeutende Fortschritte gemacht. Seit Jahren erforschen Archäologen der Universität Bonn zusammen mit Fachleuten des Deutschen Archäologischen Instituts und der Mongolischen Akademie der Wissenschaften die Reste von Karakorum, der Hauptstadt des Dschingis Khan. Die Grabungsfunde zeigen, dass Karakorum in der mittelalterlichen Welt des 13. und 14. Jahrhundert eine multinationale Metropole gewesen ist. Und mehr noch: Zu ihrer Überraschung stießen die Archäologen bei ihren Grabungen in Karakorum auf ein buddhistisches Heiligtum, was belegt, dass der Buddhismus in dieser Region bereits im 13. Jahrhundert verbreitet war, weit früher als bisher angenommen. Französische Archäologen legen derzeit die Nekropole der Xiongnu in Golmod frei. Diese Xiongnu, Stämme von Viehzüchtern, die sich in der Zeit vom 3. Jh.v.Chr. bis zum 1. Jh.n.Chr. zu einer halbnomadischen Konföderationen zusammenschlossen, und die als Vorläufer der mongolischen Stämme gelten, waren bislang nur aus den Erzählungen des Herodot und aus frühen chinesischen Schriften bekannt. Die Funde aus Golmod zeigen sie als ein kriegerisches Reitervolk, das in seinen künstlerischen Äußerungen ganz dem Tierstil der Steppe verhaftet war. Türkische Wissenschaftler schließlich erforschen zwei Grabungsstätten aus dem 8. Jahrhundert n.Chr., einer Epoche als in der heutigen Mongolei ein bedeutendes Osttürkisches Reich eine beherrschende Rolle spielte. Gedenkstätten, Gräber und Steinskulpturen erinnern daran. Alle diese Grabungsstätten liegen in der zentralen Mongolei, im Einzugsgebiet von Selenge und Orchon, und sie sind Zeugen einer bewegten Geschichte vor, während und nach Dschingis Khan. Ein wichtiger Teil von Ausstellung und Katalog widmen sich schließlich den Nachfolgereichen des mongolischen Imperiums, die bis ins 16. Jahrhundert in Asien und in Europa bestanden. Dazu zählen die Goldene Horde in Russland (Schmuck sowie Gold- und Silbergerät aus der Eremitage), das Ilkhanat in Persien (hier werden neben Baukeramik vor allem die sogenannten „Diez“-Alben aus Berlin mit ihren großartigen Miniaturen aus dem frühen 14. Jahrhundert gezeigt) und die Yuan-Dynastie in China (Malerei und Porzellan). In all diesen Reichen entstanden großartige Kunstwerke, die die Integrationskraft aber auch die religiöse und kulturelle Toleranz mongolischer Herrscher zeigen. Der mongolische Buddhismus, hier sind vor allem die zauberhaften Bronzen von Zanabazar und der von ihm begründeten Schule zu sehen, und ein Blick in die Geschichte der Mongolei im 20. Jahrhundert vollenden das Bild. Damit erweist sich der Katalog als ein eigenständiges, hochaktuelles und wichtiges Werk, das seinen Schwerpunkt in der Darstellung der Geschichte der Mongolei und der historischen Wirkung des mongolischen Weltreichs hat und dies mit archäologischen Funden sowie Exponaten aus wichtigen Museen (St.Petersburg, Paris, Berlin, München, Kopenhagen, Leipzig, Taipeh) glänzend illustriert. Der Katalog aus 1989 konzentrierte sich auf die materielle Kultur der Mongolei, vor allem des 19. Jahrhunderts, wie sie sich aus ethnologischen Sammlungen deutscher und mongolischer Museen darstellt. So gibt es denn so gut wie keine Überschneidungen und die Kataloge aus 1989 und 2005 ergänzen sich auf das Beste.

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