Nomadic Art of the Eastern Eurasian Steppe – The Eugene V. Thaw and other New York Collections

Autor/en: Emma C. Bunker
Verlag: Metropolitan Museum of Art and Yale University Press
Erschienen: New York and London 2002
Seiten: 234
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 35,– engl. Pfund
ISBN: 0-300-09688-7 (Yale)
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die auf die griechische Mythologie zurückgehende Aufteilung der Welt in verschiedene Erdteile erscheint recht willkürlich. Jedenfalls gilt das für die große Landmasse Eurasiens und deren Zuordnung zu zwei Kontinenten, Europa und Asien. Natürlich gibt es unübersehbare Unterschiede zwischen Ost und West aber es gibt auch den sich von China bis beinahe Mitteleuropa erstreckenden Steppengürtel, eine riesige Region mit einheitlichem Klima, einheitlicher Flora und Fauna und einer die Kontinente übergreifenden eurasischen Identität. Aus dieser eurasischen Gemeinsamkeit wurde eine Konsequenz kaum je gezogen. Der Europäer hält den Mittelmeerraum, die griechisch-römische Welt, vielleicht gerade noch den Vorderen Orient, für den Nabel der Welt, den Ursprung aller Kunst und Kultur. Nicht anders aber ist die Sichtweise der Chinesen am anderen Ende Eurasiens, die sich ebenfalls im Zentrum eines Reichs der Mitte sehen. Beide, Europäer wie Chinesen haben die nomadischen Nachbarn an ihren Grenzen stets herablassend und abschätzig beurteilt. Die Literatur hat das ihre dazu beigetragen, hat sie doch stets ein Bild von Barbaren gezeichnet, in dem sich Erstaunen und Entsetzen vermischt haben. Von Herodot bis Aischylos wurden die merkwürdigen Sitten dieser Reitervölker kolportiert, die ihre Häuser mit sich tragen, die weder säen noch pflügen, die Stuten melken und die ihre verstorbenen Könige zusammen mit Pferd, Mundschenk und Konkubine begraben. Von Kunst war dabei nie die Rede. Und doch sind diese Nomaden ein eminent wichtiger Bestandteil in der Kunst- und Kulturgeschichte des eurasischen Kontinents. Die Kunst, die sie schufen hat jenseits der Steppen die künstlerischen Formen in Europa wie in Asien schon sehr früh und bis heute maßgeblich bestimmt. Heute wird diese lange verkannte Kunst der Reiternomaden, ihr markanter Tierstil, als eine eigenständige und wichtige Größe anerkannt und gewürdigt. Von den zusammengerollten, sich ausstreckenden, verdoppelten und einander zugewandten oder miteinander im Kampf verbundenen Tieren, Steinbock und Widder, Hirsch und Kamel, Adler und Löwe, Greif und Drache, ging schon immer und geht noch heute eine ungeheure Anziehungskraft aus. Diese Faszination von Kraft und Vitalität, die diese frühen nomadischen Tierdarstellungen ausstrahlen, hat den internationalen Kunsthändler Eugene V. Thaw, sonst bekannt für seine herausragende Sammlung von Altmeistergemälden und von indianischer Kunst, bewogen, sich nach seinem Rückzug aus dem aktiven Geschäft, diesem Sammelgebiet zu widmen. Seine knapp 200 Objekte umfassende Sammlung übereignete der Sammler dem Metropolitan Museum of Art in New York, das sie zusammen mit weiteren Objekten aus privatem und Museumsbesitz in einer Ausstellung (bis 05.01.03) und in dem schönen Katalogbuch präsentiert. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Objekten aus dem ostasiatischen Raum, aus der Mongolei, aus Nordchina, aus dem Bereich also, der zwischen nomadischen und sesshaften Kulturen stets am härtesten umkämpft war und in dem sich Stil und Technik auf das nachhaltigste gegenseitig befruchteten. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Kunst der Hirtennomaden Eurasiens im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, als materieller Wohlstand und genuine Kreativität ein neues künstlerisches Vokabular schufen, das zu einer Quelle für die dekorative Kunst Eurasiens werden sollte. Die Kunstwerke aus Bronze, Silber und Gold, überwiegend Zaumzeugschließen, Platten, Spangen oder Waffen, sind von höchster handwerklicher Qualität und in ihrer Abstraktion und Konzentration der Darstellung von Tieren von einer faszinierenden, zeitlos modernen Aussage. (- mb -)

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