The Golden Deer of Eurasia – Scythian and Sarmatian Treasures from the Russian Steppes

Autor/en: Aruz/ Farkas/ Alekseev/ Korolkova
Verlag: Metropolitan Museum of Art and Yale University Press
Erschienen: New York 2000
Seiten: 304
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 60.–
ISBN: 0-87099-959-1
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2000

Besprechung:
New York ist sicherlich leichter zu erreichen als die Stadt Ufa in der russischen Republik Baschkortostan, und das Metropolitan Museum of Art, das die Ausstellung bis Februar 2001 zeigt, liegt näher als das Archäologische Museum von Ufa. Noch naheliegender aber ist es, diesen prachtvollen Katalog gleich selbst zu erwerben, um den einzigartigen Goldschatz der Ausgrabungen von Filippovka stets vor Augen und die aktuellste und beste Darstellung über den Tierstil eurasischer Nomaden in der eigenen Bibliothek zu haben. Die archäologischen Funde der letzten Jahrzehnte im Altai Gebirge und in Zentralasien, die Kurgane von Pazyryk und Ak-Alakh, die Funde von Loulan oder die Mumien von Urumqi haben das Bild nomadischer Völker, die im ersten Jahrtausend v. Chr. in dem weiten Steppengürtel vom Schwarzen Meer bis nach Sibirien lebten, neu gezeichnet. Doch keine einzige dieser wertvollen Entdeckungen ist so spektakulär wie die 26 goldenen Hirsche von Filippovka, einem Ort in der Steppe des südlichen Ural, unweit von Orenburg, praktisch auf der Grenzlienie zwischen Europa und Asien gelegen. Frühe Grabräuber haben in der Eile gepfuscht und sorgfältige Archäologie brachte nicht nur die sensationelle Herde mythischer Hirschfiguren zu Tage sondern auch hunderte sorgfältig dekorierter Goldbeschläge für hölzerne Trink- und Ritualgefäße, verziert mit den Bildern wirklicher und unwirklicher Tiere, mit Vögeln, Widdern und Fischen, mit Greifen und Senmurfen, darunter auch ein großes Kultgefäß in Form eines Bären mit Kopf und Pfoten in massivem Gold und farbig eingelegtem Glas für Augen, Ohren und Nase. Schöpfer dieser Kunstwerke aus dem 5. oder 4. Jahrhundert v.Chr. waren die Sarmaten, ein Nomadenvolk persischen Ursprungs in der südrussischen Steppe. So weit, so gut, ein weiteres Beispiel für den Tierstil der eurasischen Steppenvölker, doch fanden sich im Kurgan von Filippovka auch luxuriöse Gold- und Silberwaren aus dem achämenidischen Persien jener Zeit. Damit stellen sich Fragen nach den Kontakten und Verbindungen mit den angrenzenden seßhaften Zivilisationen in Persien und im klassischen Griechenland aber auch mit benachbarten Steppenvölkern, den Skythen im Westen und den nomadischen Kulturen im Altai, im südlichen Sibirien und im Ordos. Wo kamen sie her diese sarmatischen Nomaden, wie waren ihre Verbindungen mit den Skythen und den zahlreichen nomadischen Stämmen in Kasachstan, in Zentralasien und in Sibirien? Welche politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen befähigten diese Hirtenvölker zu dieser reichen Ausstattung der Grabmonumente ihrer verstorbenen Fürsten? Welche mythischen und religiösen Vorstellungen haben diese Menschen bewogen, kunstvoll geschnitzte und mit schwerem Gold und Silber beschlagene Hirschfiguren in die Gräber zu geben? Welche Rituale, welche Opfer und Gebete haben diese Grablegungen begleitet? Die meisten dieser Fragen können bis heute nicht befriedigend beantwortet werden und jeder neue archäologische Fund vergrößert eher die Zahl der Fragen als daß er Antworten gibt. Es ist wie ein Puzzle, aus dem umso schwerer ein Bild zu formen ist, je mehr Teile es hat. Sicher birgt die Figur des Hirschen eines der Geheimnisse denn der Hirsch ist das mit Abstand häufigste Motiv im Tierstil dieser nomadischen Kulturen. Die faszinierenden, bis zu einem halben Meter hohen goldenen Hirschskulpturen von Filippovka mit übernatürlich verlängerten Mäulern und Ohren und mit einem stilisierten Geweih, das den Körper hoch überragt, stehen den Hirschfiguren aus den Kurganen von Pazyryk im Altai zweifellos am nächsten, doch auch aus dieser Feststellung resultieren nur neue Fragen. Die Essays russischer Fachwissenschaftler über das Leben und die Geschichte eurasischer Steppenvölker, über ihre Kulte und Rituale und über ihre materielle Kultur vermitteln ein aktuelles und dichtes Bild vom Stand der Forschung. Mindestens ebenso eindrucksvoll ist die Ergänzung der Funde von Filippovka mit highlights aus den unermeßlichen Schätzen der Eremitage in St.Petersburg. Von den insgesamt 212 in großartigen und großformatigen Abbildungen dargestellten Schätzen stammen zwei Drittel aus dem Fund von Filippovka und die weiteren aus archäologischen Stätten des Kaukasus und der pontischen Steppe, aus den Kurganen des Altai und Zentralasiens und aus der berühmten „“sibirischen Sammlung““ Peters des Großen (1682 – 1725). Sie demonstrieren die Entwicklung der Kunst der Steppe im ersten Jahrtausend v.Chr. und bilden den Kontext zu den Funden von Filippovka. Das ist etwa der kleine holzgeschnitzte Hirsch, den Rudenko 1947 im zweiten Kurgan von Pazyryk fand, mit seinem riesigen Geweih aus Leder, das wie eine Flamme über seinem Körper lodert. Das ist der sorgfältig gearbeitete, vielfarbige Filzbehang aus Kurgan Nr. 5, der einen geflügelten Hirschdämon zeigt oder der ruhende Hirsch aus Gold aus dem Kurgan von Kostromskaja, der einst wohl einen skythischen Schild zierte, eines der berühmtesten Beispiele für die Kombination von Realismus und Abstraktion in der skythischen Kunst. Schließlich sehen wir die vollendetsten Beispiele des griechischen Stils in der skythischen Kunst, einen massivgoldenen Kamm, der 1913 in der Ukraine gefunden wurde, mit einer fein gearbeiteten, vollplastischen Kampfszene, oder den großen Silberkessel mit vergoldeten Jagdszenen aus demselben Fund. The Golden Deer of Eurasia ist ein brillantes Werk zur Kunstgeschichte der geheimnisvollen Hirtenvölker, die in früher Zeit im eurasischen Steppengürtel lebten, von europäischen Thrakien bis zum fernen China. (- mb -)

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