Die letzten Nomaden – Vom Leben und Überleben der letzten Hirtenvölker Asiens

Autor/en: Robert C. Schmid, Oswald Bendl
Verlag: Verlag Styria
Erschienen: Graz Wien Köln 1997
Seiten: 160
Ausgabe: Gebunden mit Schutzumschlag
Preis: DM 80.–
ISBN: 3-222-12537-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 1997

Besprechung:
In sechs Kapiteln, opulent illustriert mit einprägsamen Fotos dieser Menschen, ihrer Tiere, Zelte und ihres Lebensraumes werden sechs verschiedene Nomadenvölker Zentralasiens vorgestellt. Ob Rentiernomaden aus der südsibirischen Tundra oder, jenseits des Himaiaya, Yaknomaden aus dem Osten Bhutans, allen ist gemeinsam, daß sie unter extremen klimatischen Bedingungen, in den unwirtlichsten Regionen dieser Erde, eine einzigartige Lebensform praktizieren. Sie leben in einer Symbiose mit ihren Tieren von denen sie leben und in Harmonie mit der Natur, die sie ständig bedroht, die sie aber auch schützt. Schutz sind die unzugänglichen Bergregionen, Wüsten und Hochsteppen Zentralasiens mit Wintertemperaturen von – 40 Grad, mit unvorstellbaren Stürmen und Hagelgewittern deshalb, weil auch die moderne Welt noch keine zeitgemäße Verwendung dieser Regionen gefunden hat. So erscheinen diese Hirtenvölker als Bewahrer uralter, auf die Bronzezeit zurückgehender Traditionen, von der agressiven Zivilisation unserer Zeit bis jetzt weitgehend ungefährdet. Das Buch gewährt einen faszinierenden Einblick in die Gemeinsamkeiten dieser Nomadenvölker Zentralasiens und in ihre individuellen, kultischen und religiösen Besonderheiten. Ob sie von Rentieren leben wie die Tsaatan, Angehörige des Turkvolkes der Tuva in der Grenzregion zwischen der Mongolei und Sibirien oder von Yaks wie die stolzen und reichen Khampa im Osten Tibets oder von Schafen und Ziegen wie die Kirgisen auf der chinesischen Seite des Pamir im Schatten des Muztagh Ata, sie alle können allein durch eine komplizierte Weidewirtschaft in dieser extremen Umwelt überleben. Ständiger Standortwechsel verlangt angepasste Reit- und Transporttiere, je nach den Umweltbedingungen Pferde, Kamele, Rentiere oder Yaks; er verlangt mobile Unterkünfte, die ebenfalls der Natur angepaßt sind, Spitzzelte bei den Tsaatan, die den Zelten nordamerikanischer Indianer ähneln, das komfortable Ger der mongolischen Dsachtschin und Dörvöt, die Rundzelte der Kirgisen und die tibetischen Yakhaar-Zelte der Khampa und Brogpa. Weidewirtschaft und Umwelt bestimmen auch die Ernährung. Vergorene Stutenmilch bei den mongolischen Steppennomaden, die heilende Kamelmilch der Dörvöt oder die traditionelle Yakbutter tibetischer Nomaden: Milchprodukte prägen die Ernährung im kurzen Sommer, während im Winter Fleischprodukte im Vordergrund stehen. All diesen Nomaden gemeinsam ist auch die fast mythische Bedeutung und Verehrung des Feuers, das in den Zelten stets den Mittelpunkt einnimmt und, gleichgültig ob mit Holz oder Dung unterhalten, das Überleben in den eisigen Wintern sichert. Aber nicht nur das Feuer, die ganze gewaltige Umwelt, Berge, Gletscher, Wüsten, sind von Göttern, Geistern und Dämonen belebt, guten und bösen, mit denen es sich zu arrangieren gilt. Ob die Nomaden nun dem Islam anhängen wie die Kirgisen des Pamir oder der buddistisch lamaistischen Religion wie die Nomaden der Mongolei und Tibets, stets spielen animistisch naturreligiöse Vorstellungen und Rituale als Helfer beim Bestehen des täglichen Lebenskampfes eine wichtige Rolle. Von dem in diesem Buch beschriebenen Leben der Hirtennomaden Zentralasiens geht eine außerordentliche Faszination aus. Die Gelassenheit und Selbstverständlichkeit, mit der sie den täglichen Lebenskampf meistern, mit der sie für uns Menschen der westlichen Welt fast unvorstellbare Strapazen ertragen, ihr Auskommen mit einem Minimum an materiellem Besitz, ihre Einheit mit der gewaltigen Natur, die sie sich nicht Untertan machen wollen sondern in der sie einen Platz gefunden haben, strahlt einen eigenartigen Zauber aus, eine Heiterkeit der Seele, die uns in ihren Bann zieht.

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