Buddhas Kleister, Buddhas Pinsel – Wiedergeburt eines Taima-Mandalas

Autor/en: Hai-Yen Hua-Ströfer
Verlag: HICA Edition
Erschienen: Mannheim 2010
Seiten: 220
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag im Schmuckschuber
Preis: € 120,00
ISBN: 978-3-00-030338-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2011

Besprechung:
Ein unvergessliches Bild: Vor den durch die Jahrhunderte vom Rauch der Butterlampen patinierten Wandmalereien in einem tibetischen Tempel aus dem 17. Jahrhundert war ein Gerüst errichtet worden. Auf ihm saß ein Künstler und erneuerte mit höchster Konzentration und Sorgfalt die verblassten Bilder. Dort, wo seine Restauratorenarbeit bereits geleistet war, erstrahlten Buddha und Bodhisattvas, Dämonen, Himmelswächter und mythische Landschaften im neuen Glanz frischer Farben, um Gläubigen und Pilgern den rechten Weg zur Erleuchtung zu weisen. Für den Kunstfreund aus dem Westen ein Sakrileg ist diese Art der Restaurierung von Wandmalerei im Sinne der Erneuerung der spirituellen Aussage in buddhistischen Ländern noch immer gängige Praxis. Aber auch im Westen liegt die Zeit, in der man unter Restaurierung die Wiederherstellung des vermuteten ursprünglichen Zustandes eines Kunstwerkes verstand, noch gar nicht so lange zurück. Oft wurde so unter Zerstörung alter Substanz ein Werk bis zur Unkenntlichkeit verändert. Doch das Bild hat sich dramatisch gewandelt. Der moderne Restaurator versteht sich als Bewahrer von Kunst- und Kulturgütern, der in dem ihm anvertrauten Objekt die Spuren der Geschichte und der Vergänglichkeit respektiert. Vor dem Hintergrund einer akademischen Ausbildung in Kunst- und Naturwissenschaften und umfassenden handwerklichen Fähigkeiten haben sich in den zurückliegenden drei Jahrzehnten ein Lehrkonzept und ein Berufsbild des Restaurators entwickelt, das konservatorische Höchstleistung für gefährdete Kunst gewährleistet. Und doch wird in Fachkreisen vor allem bei bedeutenden Objekten immer wieder über Konservierungstechniken und deren Eignung gestritten, werden bestimmte Methoden verteufelt und andere in den Himmel gelobt und vieles schlicht geheim gehalten. Entsprechend selten sind denn auch minutiöse Dokumentationen von Restaurationsprojekten. Die in Mannheim lebende, gebürtige Taiwanesin Hai-Yen Hua-Ströfer hat mit ihrem Buch über die Konservierung eines bereits im Zerfall befindlichen, auf Seide gemalten, fast zwei auf zwei Meter großen japanischen Taima-Mandalas aus dem 14. Jahrhundert nun eine solche Dokumentation vorgelegt, wie sie sorgfältiger, umfassender und schöner gar nicht sein kann. In 23 einzelnen Arbeitsschritten, begleitet von hunderten erläuternder Zeichnungen und Fotografien, wird, beginnend mit dem Hilferuf des mit der Neurahmung des Objektes beauftragten Handwerkers und einer sorgfältigen Bestandsaufnahme jede einzelne Maßnahme bis zur endgültigen Rahmung – viele Jahre später – erfasst und dokumentiert. Bezeichnend ist, dass von den eigentlichen 17 Restaurierungsschritten alleine 16 der Konservierung dienen, während nur der letzte Schritt mit einer vorsichtigen, wiederum Monate währenden Retusche der Malerei eine Restaurierung im eigentlichen Sinne ist. Der fragile Zustand und die Größe des Mandalas brachten es mit sich, dass fast für jeden Arbeitsgang spezielle Werkzeuge und Vorrichtungen erdacht und konstruiert werden mussten. Allein das für dieses großformatige Objekt entwickelte und von innen beleuchtete Lichtrohr und die hunderte von Pinseln, Scheren, Skalpellen, Pinzetten, Falzbeine, Reibsteine, Mörser, Tuschen und Pigmente, die zum Einsatz kamen, nötigen dem Laien wie dem Fachmann höchsten Respekt für die geleistete Arbeit ab. Sie war, und auch das wird in dieser Dokumentation deutlich, nur möglich, weil hier von Hai-n Hua-Ströfer modernste westliche Technologie und Materialkunde durch traditionelle ostasiatische Techniken und Materialien ergänzt wurden. Pflanzliche und tierische Bindemittel aus China oder speziell in Taiwan geschmiedete Messer können hier als Beispiel genannt werden. Durch ihre Ausbildung zur Restauratorin für Malerei auf Papier und Textilien sowohl in Taipei wie auch an namhaften europäischen Instituten, etwa bei der Abegg-Stiftung, der Bayerischen Staatsbibliothek und der österreichischen Nationalbibliothek und durch ihre jahrelange Praxis und Spezialisierung auf die Restaurierung schwieriger Fälle und großer Formate war die Autorin wie keine andere berufen, dieses Objekt in beispielhafter Weise zu restaurieren. Doch die spannende Dokumentation dieser Arbeit ist nur der kleinere Teil des Buches. Was folgt, nämlich eine Einführung in die Entstehung, Bedeutung und die Ziele des Buddhismus, seine wesentlichen Erscheinungsformen und seine Verbreitung in Asien und schließlich die Erläuterung der Lehre des Reinen Landes anhand eben des restaurierten Taima-Mandala, das die visuell-künstlerische Umsetzung der grundlegenden Texte bzw. Sutren der Lehre des Reinen Landes darstellt, ist – das sei hier als gewagte These behauptet – ebenfalls Restaurierung in einem weiteren und im besten Sinne. Das Verständnis des historischen, hier des religiös-spirituellen Hintergrundes, vor dem das zu restaurierende Objekt entstanden ist und in dem es benutzt wurde und seine Gebrauchs- und Altersspuren erwarb, ebenso wie die Erfassung seines erzählerischen Gehaltes – im Falle des Taima-Mandala eine Abfolge von Dramen über Leben und Tod, die sich gleichsam simultan auf mehreren Bühnen rund um die zentrale Darstellung des Buddha Amitabha abspielen – ist Voraussetzung für eine optimale Konservierung und Restaurierung eines Kunstwerkes. Die Suche nach und das Auffinden der spirituellen Quellen des Werkes und das tiefe Verständnis seines Inhaltes ist eine notwendige Folge der jahrelangen Arbeit am Objekt. Die feinmechanisch-handwerkliche Leistung der Fixierung zerfallender, feinster Seidenfäden oder sich ablösender Pigmentpartikel geht hier einher mit der geistigen Durchdringung der vor allem in China und Japan verbreiteten buddhistischen Schule des Reinen Landes. So gesehen sind die der Dokumentation des Restaurierungsarbeiten folgenden Teile des Buches eine konsequente Fortsetzung der Arbeit auf einer anderen Ebene. Den formalen Zusammenhang dieser zunächst so unterschiedlichen scheinenden aber in einem inneren Zusammenhang stehenden Teile ihrer Publikation meistert Hai-Yen Hua-Ströfer, indem sie die Darstellung der notwenigen Grundlagen des Buddhismus und dann des Inhalts des Taima-Mandala dem gleichen, didaktisch einprägsamen, grafisch-gestalterischen Konzept unterwirft, das schon die Dokumentation der Restaurierung prägt. So ist ein rundum schönes, ungewöhnliches Buch entstanden, und es kann nur verwundern, dass dieses interessante Projekt keinen Verlag gefunden hat. Umso mehr ist dem im Eigenverlag von der Restauratorin und Autorin publizierten Buch der verdiente Erfolg zu wünschen. Die Zweisprachigkeit (deutsch/englisch) wird dabei behilflich sein.

Zu beziehen über Hai-Yen Hua-Ströfer, HICA-Edition, Karl-Kuntz-Weg 9, 68163 Mannheim, hua@art-restoration.org

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