Intrecci Cinesi – Antica Arte Tessile, XV-XiX Secolo

Autor/en: Moshe Tabibnia (Hrsg)
Verlag: Moshe Tabibnia
Erschienen: Mailand 2011
Seiten: 272
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 60.–
ISBN: 978-8-89027-103-8
Link: www.moshetabibnia.com
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2011

Besprechung:
„Der chinesische Teppich ist das Stiefkind der Teppichliteratur“ schrieb Ignaz Schlosser, der ehemalige Direktor des MAK Wien, in das Vorwort des 1975 bei Callwey erschienenen Buches von Hans Achim Lorentz über Chinesische Teppiche (englische Originalausgabe „A View of Chinese Rugs“ bei Routledge & Kegan, London 1972). Das ist bis heute so geblieben, denn noch immer ist „Der Lorentz“ trotz seines stattlichen Alters das Standardwerk zum chinesischen Teppich, ein Prädikat, das ihm auch das 1981 bei Prestel erschienene Buch von Gans-Ruedin über den chinesischen Teppich ebensowenig nehmen konnte wie die thematisch weiter gespannten Bücher von Murray Eiland (London 1979) und Lennart Larsson (London 1988). Danach sind neben vereinzelten Beiträgen in den Fachzeitschriften HALI und ORIENTAL RUG REVIEW und in Auktionskatalogen vor allem das Begleitbuch einer grandiosen Ausstellung im Ostasiatischen Museum in Köln zu erwähnen, das allerdings in seiner Beschränkung auf die besten, schönsten und ältesten Teppiche aus westlichen Sammlungen keineswegs repräsentativ für das weite Gebiet des chinesischen Teppichs ist (Michael Franses und Hans König, Glanz der Himmelssöhne – Kaiserliche Teppiche aus China 1400-1750, London 2005). Die Monographie von Michael Franses über Teppiche mit der Darstellung von Lion-Dogs und Antiques als hoffnungsvoller Band 1 einer geplanten Serie über Classical Chinese Carpets (London 2000) hat bis heute keine Fortsetzung gefunden und auch die von Michael Franses angekündigte Publikation und Ausstellung der im Palastmuseum in Peking von ihm entdeckten mehreren Dutzend kaiserlicher Teppiche, die außer ihm noch kein westliches Auge je erblickt hat, lässt bis heute auf sich warten. Im fernen Osten erschienene Teppichliteratur bietet zwar reiches Anschauungsmaterial, ist indessen in ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas zumindest fragwürdig, da die häufig völlig unrealistischen Altersangaben fälschlich eine gewiss nicht gegebene, uralte Teppichtradition in China suggerieren (Lee Yu-kuan, Art Rugs from Silk Route and Great Wall Areas, Tokio 1980; Lu Hongqi, Antique Carpets of China, Beijing 2003). Diese literarische Stiefkindsituation hat sich – jedenfalls für Italien – dramatisch durch eine Ausstellung mit Vortragsreihe und einem dazu herausgegebenen Begleitbuch verbessert, die der italienische Händler Moshe Tabibnia im Herbst dieses Jahres veranstaltet hat. Hier soll nun das leider nur in italienischer Sprache erschienene Buch nicht rezensiert, sondern lediglich bekannt gemacht werden. 31 Teppiche aus China werden vorgestellt, die meisten aus der produktiven Ära des Kaisers Kangxi (1662-1722) aber auch ein Fragment aus dem 15. Jahrhundert und kaiserliche Teppiche des 16. Jahrhunderts. Von Drachendarstellungen über florale Muster mit Lotosblüten, Päonien und Rankenwerk über lion dogs, Laubdrachen, Kraniche, Fledermäuse, Antiquitäten bis zu vielfältigen Fliesenmustern sind nahezu alle Dekorelemente des frühen chinesischen Teppichs vertreten. Sechs dekorative Teppiche aus Gansu begleiten diesen Reigen und leiten über zu nicht weniger als 20 Teppichen aus den Oasenstädten des Tarim-Beckens, aus Khotan, Yarkand und Kaschgar. Garniert ist das Ganze mit einigen klassischen Ming-Textilien und europäischen Tapisserien mit chinoisen Motiven. Alle Exponate sind mit reichen Literaturangaben sorgfältig beschrieben und mit genauen Analysen versehen. Einer Einleitung von Moshe Tabibnia folgen illustrierte Beiträge von Hans König, Sabrina Rastelli, Chiara Buss, Eleonora de Luca und Gianluca Poldi unter anderem über wissenschaftliche Untersuchungen der in frühen chinesischen Teppichen verwendeten Farben oder über den Einfluss chinesischer Muster und Motive auf die europäische Textilproduktion des 14. bis 18. Jahrhunderts. Für den, der in der glücklichen Lage ist, die italienische Sprache zu beherrschen, ist dieses Buch gewiss einer wertvolle Bereicherung der Literatur zum chinesischen Teppich; alle anderen müssen sich neidvoll mit den Bildern schöner Teppiche und Textilien begnügen. Zum guten Schluss sei noch erwähnt, dass ein guter Teil der Exponate zum Stock des MATAM gehört, was ein deutlicher Hinweis ist, dass das von Moshe Tabibnia initiierte Museum für Teppiche und Textilien (Museo di Arte Tessile Antica Milano), dessen Standort nach letzten Gerüchten allerdings nicht Mailand sondern Venedig sein wird, gute Fortschritte macht.

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