Japanische Lackkunst für Bayerns Fürsten – Die japanischen Lackmöbel der Staatlichen Münzsammlung München

Autor/en: Anton Schweizer, Martin Hirsch, Dietrich O.A. Klose (Hrsg)
Verlag: Staatliche Münzsammlung
Erschienen: München 2011
Seiten: 224
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 20.–
ISBN: 3-922840-26-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2011

Besprechung:
Wer sich für japanische Kunst und japanisches Kunsthandwerk interessiert, wird den Besuch einer Münzsammlung wohl kaum in Erwägung ziehen. Und doch ist, geht man Jahrhunderte zurück, beides gut in Verbindung zu bringen. Mit der Entdeckung der Seewege in den fernen Osten rückte die spätestens seit Marco Polo im westlichen Denken verankerte, sagenhafte Welt unermesslicher Schätze in greifbare Nähe. Bislang nur vereinzelt über die Seidenstrasse nach Europa gelangte Kostbarkeiten aus Porzellan oder Seide wurden Handelsware. Deren Beschaffung über den langen und gefährlichen Seeweg blieb indessen im 16. und 17. Jahrhundert schwierig und machte diese Waren zu teuren Luxusgütern, mit deren exotischem Flair sich nur Fürsten und reiche Handelsherren umgeben konnten. Wegen ihrer Seltenheit und Schönheit besonders geschätzt waren japanische Lackarbeiten, deren matt schimmernde, sich wie feinste Seide anfühlende Oberfläche und derer in geheimnisvoller Technik eingestreuter goldfarbener Dekor von Vögeln, Blumen, Fantasielandschaften und fernöstlichen Szenen den Bedarf an Exotik bestens bedienten. So lag es nahe, ein anderes Objekt des höfischen Luxus und fürstlichen Selbstverständnisses, nämlich die in jener Zeit beliebten Sammlungen seltener Münzen mit japanischen Lacken in Verbindung zu bringen. Die Fürsten des Hauses Wittelsbach, allen voran Kurfürst Max Emanuel (1662-1726), seit 1691 Statthalter der spanischen Niederlande mit Residenz in Brüssel, frönten in besonderem Maße dieser Leidenschaft, und so sind die heute in der Staatlichen Münzsammlung in München verwahrten japanischen Lackmöbel weltweit einer der bedeutendsten Bestände dieses Genres. Die insgesamt 22, in Europa zu Münzkabinetten umgebauten Prunkmöbel sind zur Zeit erstmals alle in einer Ausstellung im Münchener Völkerkundemuseum (bis zum 8. Mai 2011) zu sehen und werden von einem eindrucksvollen und reich illustrierten, wissenschaftlichen Bestandskatalog begleitet. Abgesehen von der sorgfältigen Beschreibung und Abbildung aller Kabinette – fünf von ihnen sind als Paar vorhanden – erschließen einleitende Essays das historische Umfeld, die Geschichte und Verwendung dieser Möbel, die Entwicklung und Bedeutung ihrer Dekore und Metallbeschläge bis zu den aktuellen Problemen ihrer Restaurierung und Konservierung.So exotisch und fremdartig die Erscheinung dieser schwarzen, mit asiatischen Motiven dekorierten Möbel auch war – und heute noch ist – es sind durchweg Exportprodukte für den europäischen Markt. In Japan war die aufwändige und immer schon kostbare und teure Lacktechnik meist kleineren Ritual- und Luxusgegenständen vorbehalten, exquisiten Behältern zur Aufbewahrung von Sutrahandschriften, Weihrauch, Kosmetik, Schreib- und Rauchuntensilien und dergleichen mehr. Schränke oder eben die im Europa der Spätrenaissance zur Aufbewahrung von Sammlungen und kleinen Kunstkammerobjekten so beliebten Kabinette gab es in Japan nicht, sie passten nicht zur japanischen Wohnkultur. So waren es wohl fast ausschließlich niederländische Kaufherren und Kapitäne, die einzigen seit der Vertreibung der Portugiesen im Jahre 1639 von Japan geduldeten westlichen Kaufleute, die diese Kabinette im Kundenauftrag oder auf eigene Rechnung bei japanischen Lackmeistern in Auftrag gaben. Die Größe der Möbel, ihr hoher Preis im Ursprungsland und die Schwierigkeit und Dauer des Transportes ließ dieses Handelsgut nie, wie das Exportporzellan jener Zeit, zum Massengeschäft werden. Ein europäischer Auftraggeber musste von der Entscheidung, ein Lackkabinett zu bestellen, etwa zwei Jahre warten, bis es in den Niederlanden eintraf, immer vorausgesetzt, es ging alles gut. Dank der exzellenten Aufzeichnungen der Verenigde Oostindische Compagnie (VOC) weiß man, dass in den knapp einhundert Jahren von 1609 bis 1692 nur 1328 dieser comptoirs in die Niederlande verschifft wurden. Berücksichtigt man, dass manche am Hauptstützpunkt der VOC in Batavia verblieben oder wegen Schiffbruch ihr Ziel nicht erreichten, dass andererseits aber auch Chinesen, Portugiesen und einige Privatpersonen diese Kabinette nach Europa brachten, so ist dies doch eine sehr geringe Anzahl, die sowohl ihre damalige hohe Wertschätzung und die heutige Seltenheit erklären. Alle Münchner Kabinette stammen aus dieser Zeit, wurden also vom frühen 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert hergestellt. Die stilistische Entwicklung in diesem Zeitraum ist weder an der Möbelform noch an der Malerei, sondern vor allem an den Metallbeschlägen auszumachen, die den Schließmechanismus verdecken und die gefährdeten Kanten und Ecken schützen sollen. Während diese Beschläge zunächst klein, zurückhaltend und rein funktional gestaltet waren, wurden sie um die Mitte des 17 Jahrhunderts zunehmend größer und zahlreicher, um schließlich ein prominenter Bestandteil der Gesamtdekoration zu werden, eine gewiss vom europäischen Repräsentationsbedürfnis diktierte Mode, die sich mit der Eleganz und Zartheit der japanischen Lackkunst allerdings nur schwer vereinbaren lässt.

Keines der Kabinette besitzt noch das ursprüngliche, durch lackverzierte Schübe verschiedener Größen geprägte Innenleben. Sie wurden im 18. bis ins 19. Jahrhundert zu Münzschränken umgebaut und schließlich von König Ludwig I für das königliche Münzkabinett in der Akademie der Wissenschaften bestimmt. Der schöne Katalog ist so nicht nur eine glänzende Einführung in ein seltenes Gebiet des frühen Handels zwischen Ost und West, sondern auch ein kleiner Ausschnitt aus der Geschichte des Hauses Wittelsbach und Bayerns. Es ist zu hoffen, dass der Anlass für diese schöne Ausstellung und ihr Begleitbuch, der 150ste Jahrestag der deutsch-japanischen Beziehungen, noch zu weiteren spannenden Begegnungen mit japanischem Kunsthandwerk führt.

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