Art of Expansion and Beyond

Autor/en: Luisa Vinhais, Jorge Welsh (Hrsg)
Verlag: Jorge Welsh Books
Erschienen: London 2009
Seiten: 188
Ausgabe: Harn- und Softcover
Preis: € 50 (Softcover)
ISBN: 978-0-9557432-5-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2009

Besprechung:
Leif Eriksson, Wilhelm Rubruk, Ibn Batuta und Marco Polo haben durch ihre Reisen das europäische Bild der Welt ungemein erweitert. Und dennoch waren ihre abenteuerlichen Vorstöße in unbekannte Regionen nur Einzelleistungen, die weltgeschichtlich ohne große Folgen blieben. Es war vielmehr dem am Beginn der Neuzeit stehenden Zeitalter der großen Entdeckungen vorbehalten, ein Bewusstsein für die Größe und Gliederung dieser Welt zu wecken mit bleibenden Konsequenzen für Politik, Macht und Welthandel. Den Beginn dieses Zeitalters der Entdeckungen kann man mit der ersten Umsegelung des Kap der Guten Hoffnung durch den Portugiesen Bartolomeu Diaz im Jahre 1488 vor allem aber mit Kolumbus Wiederentdeckung Amerikas 1492 ansetzen. Die beiden damals führenden Seefahrernationen Spanien und Portugal erkannten rasch die Zeichen der Zeit und teilten die Welt 1494 im Vertrag von Tordesillas unter sich auf. Während Spanien das neu entdeckte und damals noch für Indien gehaltene Amerika zugesprochen wurde, sicherte sich Portugal den Seeweg nach Indien entlang der afrikanischen Küste. Dass dieser auf einem Irrtum bauende und die Interessen anderer Nationen nicht berücksichtigende Vertrag seine Probleme hatte, ist klar. Doch immerhin sicherte er Portugal für fast ein Jahrhundert eine Vormachtstellung in Indien, Südostasien, China und Japan. Schon 1498 gelangte Vasco da Gama auf dem Seeweg nach Ostindien, 1510 wurde mit Goa ein portugiesischer Stützpunkt in Indien geschaffen und Ceylon, Malakka und die Molukken waren im 16. Jahrhundert fest in portugiesischer Hand. Das portugiesische Macao war 1557 die erste europäische Niederlassung in China und selbst Nagasaki war um 1600 eine ganz von portugiesischen Seefahrern und jesuitischen Missionaren geprägte Stadt. Wirtschaftlich stand damals der gewinnträchtige Handel mit Gewürzen aber auch mit Sklaven ganz im Vordergrund aber das Zeitalter der Entdeckungen hat nachhaltige Spuren auch auf dem Gebiet der Kunst oder besser, dem Gebiet der Luxuswaren hinterlassen. Diesem Thema ist die Jahresausstellung 2009 des in London und Lissabon tätigen Kunsthändlers und Spezialisten für chinesisches Porzellan Jorge Welsh und das dazu erschienene Buch gewidmet. Zu sehen sind zwar nur 17 Exponate, doch sind sie alle von musealer Spitzenqualität und sie werden von Teresa Canepa mit einer Gründlichkeit und kunsthistorischen Präzision und mit zahlreichen Hinweisen auf Vergleichsstücke in privaten und öffentlichen Sammlungen so perfekt beschrieben, dass kein Wunsch offen bleibt. Natürlich liegt der Schwerpunkt (9 von 17 Objekten) beim Porzellan, doch gerade die anderen Exponate sind es, die vor Augen führen, welche aufregenden technologischen und kunsthandwerklichen Neuerungen das Zeitalter der Entdeckungen bereit hielt – für die Entdecker aber auch für die Entdeckten. Ein seltenes Bronzerelief aus Benin mit der Darstellung eines portugiesischen Soldaten steht für den schwierigen Seeweg nach Indien entlang der westafrikanischen Küste während eine der überlegenen Waffentechnik der europäischen Barbaren nachempfundene Pulverflasche mit Lederbezug und Lackmalerei aus der japanischen Momoyama-Zeit frühen Technologietransfer demonstriert. Prachtvolle Schatullen, in Gujarat zur Zeit der Mogul-Kaiser aus Schildpatt, Perlmutt, Silber und schwarzem Lack gefertigt, waren damals so kostbar wie heute und sind in der hier gezeigten Qualität von extremer Seltenheit. Ganz besonders beeindrucken sechs in China in Lackmalerei in Stil und Manier der Koromandelküste mit lebendigen Kauffahrteiszenen bemalte Paneele, Teile eines zwölfteiligen Stellschirmes, dessen andere sechs Teile sich im Museu do Oriente in Lissabon befinden. Bedeutende Raritäten sind natürlich auch beim Porzellan zu entdecken. Fast mannshohe Vasen aus der Zeit den Qin-Kaiser Kangxi und Qianlong, das Porzellan-Modell eines niederländischen Segelschiffs, das chinesische und europäische nautische Zutaten vereint und chinesische Porzellangefäße in Form von Karpfen oder Hennen mit Kücken, die die europäische Mode der Trompe-l´oil-Fayencen des 18. Jahrhunderts aufnehmen, sind herausragend wichtige Belegstücke für die Begegnung von Ost und West. Einzigartig ist eine Schale aus der Zeit des Ming-Kaisers Zhengde (1506-1521) mit Darstellungen der Armillarsphäre und dem Wappen des portugiesischen Königs Manuel I, eines der frühesten bekannten Beispiele chinesischen Porzellans mit westlichen Motiven. Nicht minder bedeutend sind gleich zwei vielteilige im europäischen Auftrag im 18. Jahrhundert in China hergestellte Speiseservice, eines davon mit nicht weniger als 155 Teilen mit dem berühmten „Madame de Pompadour“-Design, dessen wahrer Auftraggeber bis heute nicht enträtselt ist. Die wappenartigen Kartuschen mit Fisch und Adler verweisen zwar auf den bürgerlichen Namen der Mätresse Ludwigs XV, es ist jedoch kaum anzunehmen, dass die Marquise de Pompadour auf ihrem Höhepunkt von Macht und Einfluß in dieser Form auf ihre bürgerliche Herkunft aufmerksam machen wollte. Der einleitende Essay von Alexandra Curvelo befasst sich mit der portugiesischen Präsenz in Asien im 17. und frühen 18. Jahrhundert und beschreibt fakten- und kenntnisreich dieses frühe Kapitel europäischer Kolonialiserung. Für annähernd ein Jahrhundert war damals fast die Hälfte der damals bekannten Welt unter portugiesischer Herrschaft, nicht als Staat oder Herrschaftsbereich im üblichen Sinne, sondern als ein enges und intensiv gepflegtes Netzwerk von Beziehungen und Handelsrouten. Goa, Macao und Nagasaki sind die Stationen und Pfeiler dieser Erfolgsgeschichte aus dem Zeitalter der Großen Entdeckungen, das die 17 grandiosen Exponate kongenial illustrieren. Band 12 der stets mit großer Sorgfalt von Jorge Welsh herausgegebenen Publikationen ist nicht nur für den Liebhaber frühen chinesischen Porzellans, sondern für jeden an der Geschichte der europäisch-asiatischen Beziehungen Interessierten eine wertvolle Buchempfehlung. (Das Buch liegt in einer englischen und einer portugiesischen Ausgabe vor, jeweils als Soft- oder Hardcover).

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