Prinzip Monochrom – Lack und Keramik der Song- und Qingzeit

Autor/en: Monika Kopplin (Hrsg)
Verlag: Museum für Lackkunst, Fondation Baur, Hirmer Verlag
Erschienen: Münster, Genf, München 2008
Seiten: 188
Ausgabe: Hardback
Preis: € 39.90
ISBN: 978-3-7774-7055-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2009

Besprechung:
Der Übergang von der Tang- zur Song-Dynastie im späten 9. und 10. Jahrhundert markiert einen deutlichen Bruch in der Geschichte des chinesischen Kaiserreiches. Er bildet die Trennlinie zwischen einer komplexen Frühform des Reiches und einer konsolidierten Periode, auf die sich alle späteren Dynastien mit Stolz und Überzeugung beziehen. An die Stelle der mächtigen, prunkliebenden und kriegerischen Adelsfamilien war, nach einer von Chaos und Krieg geprägten Übergangszeit eine von Beamtengelehrten gebildete Führungsschicht getreten. Konfuzianisches Gedankengut sorgte für Frieden, Liberalismus und Wohlstand. Ein neues politisches und kulturelles Bewusstsein hatte sich gebildet. Nirgendwo kommt dies besser zum Ausdruck als in Kunst und Kunsthandwerk der Song-Dynastien. Die Malerei der Songzeit, diese unvergleichlichen, der Natur nachempfundenen und sie zugleich mythisch überhöhenden Landschaftsdarstellungen, zarte naturalistische Bilder von Tieren, Vögeln und Pflanzen ist mit nichts aus früheren Zeiten zu vergleichen. Auch die textile Kunst, Web- und Wirkarbeiten von einer Feinheit wie mit dem Haarpinsel gemalt, schwang sich zu ungekannten Höhen auf: Ein Neues Zeitalter künstlerischen Schaffens hatte begonnen, Harmonie, Schlichtheit, Eleganz und ein kultivierter Geschmack prägten die materielle Kultur. Dieser Quantensprung im Kunstschaffen jener Zeit beschränkte sich natürlich nicht auf Malerei und Textilkunst, sondern erfasste alle Bereiche. So sind für manchen Kenner und Liebhaber die Erzeugnisse aus Lack und Keramik die meistgeschätzten Artefakte der Song-Dynastie. Dies gilt vor allem für die monochromen Lacke und Keramiken, denen das vorliegende Buch, eine Gemeinschaftsproduktion des Musée des arts d´Extreme-Orient, Genf, des Museums für Lackkunst, Münster, und des Hirmer Verlages gewidmet ist. Die Töpfer der Song – das gilt für die Nördlichen Song (960-1127) in gleicher Weise wie für die nachfolgenden Südlichen Song (1127-1279) – setzten neue Maßstäbe für Keramikwaren, die nicht nur als höchster Ausdruck der Song-Ästhetik angesehen wurden, sondern Jahrhunderte lang als Vorbild für die Herstellung von Keramik höchster Vollendung dienten – was sie selbst heute noch sind. Mit hervorragenden Beispielen aus den großen Museen und Sammlungen dieser Welt und mit einem fundierten Essay aus der Feder von Monique Crick (Direktorin der Fondation Baur) werden die „fünf großen Keramiken“ vorgestellt: die elfenbeinweiße, schwarze und „purpurne“ Ding-Ware, die von Blautönen bestimmte Jun- und Ru-Ware, die grau-beigefarbene, craquelierte Guan- und Ge-Ware, das subtile bläulich-weiße qingbai-Porzellan und nicht zuletzt die variantenreichen Seladone. Zum geistigen Hintergrund dieser in ihrer Schlichtheit, Eleganz und technischen Perfektion unübertroffenen Keramiken – ob noch Steinzeug oder schon Porzellan ist oft schwer zu entscheiden – gehört natürlich die Teekultur, die in der Song-Zeit einen hohen Grad an Vervollkommnung erreichte. Soon-Chim Jungs Beitrag über Bedeutung und Einfluss der Song-zeitlichen Teekultur führt dem Leser vor Augen, dass die Teezeremonie als wichtiger Akt eines geistigen Reinigungsprozesses und die Ästhetik und farbliche Harmonie der eingesetzten Tee-Utensilien – hervorzuheben sind hier die berühmten monochrom-schwarzen Teeschalen – eine Einheit bilden. Der zurückhaltenden Eleganz und erhabenen Vollkommenheit monochromer Keramik stehen die Lackerzeugnisse nicht nach. Sie sind, da sie in nennenswerter Zahl erst durch archäologische Grabungen der letzten Jahrzehnte gefunden wurden, außerhalb Chinas nur wenig bekannt und in westlichen Museen und Sammlungen nur in wenigen Exemplaren vertreten. Die Teller, Schalen, Tabletts und Dosen von schlichter Eleganz, oft nur im Umriss von Lotos, Chrysantheme oder Pflaumenblüte geprägt, bestechen durch vollkommene Formgebung, durch brillanten Glanz, durch die seidenweichen Oberflächen und natürlich durch das unvergleichliche Russschwarz chinesischen Lacks und sein kräftiges Zinnober (Essay von Patricia Frick). Diese Lacke leiten über in die Zeit der Revitalisierung monochromer Lack- und Keramikkunst unter den drei großen Kaisern der Mandschu-Dynastie, Kanxi (1662-1722), Yongzheng 1723-1735) und vor allem Qianlong (1736-1795). Alle drei Kaiser waren große Kunstliebhaber und sie mehrten die kaiserlichen Sammlungen nicht nur durch den Erwerb antiker Objekte, sondern auch durch umfangreiche Produktionen aus den zum Hof gehörenden Werkstätten. Vorbild waren häufig die eleganten Formen der Song-Zeit, wobei aber meist die formalen Inhalte phantasiereich abgewandelt und einer neuen Interpretation zugeführt wurden. Zu diesen Erzeugnissen aus den Werkstätten Qianlongs gehört zweifellos eine Gruppe monochrom roter Lacke und dazugehöriger Porzellanimitationen, die von Monika Kopplin vorgestellt werden. Teller, Teeschalen und Dosen in Form von Chrysanthemenblüten, häufig verziert mit kaiserlichen Gedichten in goldenen Schriftzeichen – wahrhaft kaiserliche Kunstwerke. Das Prinzip Monochromie gelangt unter den frühen Qin-Kaisern zu einer neuen Blüte. Die Öfen von Jingdezhen entwickelten sich zu einem Technologiezentrum, wo unter fachkundiger Leitung und unter der direkten Oberaufsicht des Kaisers geschulte Fachleute an der Erforschung und Entwicklung neuer Stoffkombinationen und an der Ausweitung der Farbpalette arbeiteten. Die monochromen Qin-Porzellane sind vor außerordentlicher Feinheit sowohl hinsichtlich des Werkstoffes als auch der Glasur. Die Vielfalt der Oberflächen und Farben, die Virtuosität der Karamikkünstler erreicht hier im 18. Jahrhundert ihren absoluten Höhepunkt (Essay von Monique Crick). Neben den vorzüglichen und kenntnisreichen Texten ermöglichen die im großen Format wiedergegebenen und bestens beleuchteten und fotografierten Objekte einen Vergleich der alten mit der neuen Ware. Deren Perfektion und Makellosigkeit erreicht aber nie den Charme und die Ausstrahlung, die von den edlen Stücken der Song-Zeit ausgeht. Das Buch ist für den Liebhaber chinesischen Porzellans ein echter Gewinn; es wird aber auch jeden an Gestaltung und Design Interessierten faszinieren.

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