Goldener Drache, Weißer Adler – Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644-1795)

Autor/en: Cordula Bischoff, Anne Hennings (Hrsg)
Verlag: Sächsische Kunstsammlungen, Hirmer Verlag
Erschienen: Dresden München 2008
Seiten: 612
Ausgabe: Fester Einband
Preis: € 49.90 (39.90 an der Museumskasse)
ISBN: 978-3-7774-4505-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2008

Besprechung:
Die Kunstsammlungen der chinesischen Kaiser sind die umfangreichsten der Welt. Noch erstaunlicher als ihre unübertroffene Quantität und Qualität sind ihre Kontinuität und Konzentration nicht nur über Jahrhunderte, sondern Jahrtausende hinweg. Trotz der Abfolge verschiedenster Dynastien, trotz Krieg, Zerstörung und allerlei Katastrophen, die über das Reich der Mitte hereinbrachen, bilden die kaiserlichen Sammlungen eine die gesamte chinesische Geschichte durchziehende Konstante. Nicht einmal in Zeiten als Eroberer die Macht in China übernahmen, Nomaden aus der Steppe etwa oder Mongolen, wurde die Kontinuität der Sammlungen unterbrochen, noch wurden die Sammlungen von ihnen geplündert. Vielmehr hatten auch die Eroberer Chinas stets rasch erkannt, dass diese kaiserlichen Schätze wesentlicher Bestandteil kaiserlicher Legitimation und somit zu erhalten und zu mehren waren. So war es auch im Jahre 1644, als der letzte schwache Kaiser der Ming-Dynastie die Macht an den mandschurischen Shun-chih, den ersten Kaiser der Qing-Dynastie abgeben musste. Mit der mandschurischen Herrschaft begann in China eine Zeit wirtschaftlicher und kultureller Blüte, die unter den drei Kaisern Kanxi (1662-1722), Yongzhen (1723-1735) und Qianlong (1736-1795) auch die kaiserlichen Sammlungen unendlich bereicherte. Insbesondere unter Qianlong entstanden Kunstwerke in unerreichter Qualität und Fülle. Es war auch die Zeit, als sich die Begegnungen zwischen China und Europa mehrten, als sich der politische, wirtschaftliche und kulturelle Austausch intensivierte und das Interesse am jeweils anderen stark zunahm. Austausch und Interesse konzentrierte sich auf die Schaltzentralen der Macht, auf den Hof des Kaisers von China und auf die europäischen Fürstenhöfe. Eine Gegenüberstellung der höfischen Kulturen aus Ost und West im 18. Jahrhundert, wie sie im Dresdner Residenzschloß (bis Januar 2009, dann im Palastmuseum in Peking) zu sehen ist, zeigt extrem verschiedene Welten und doch immer wieder überraschende Gemeinsamkeiten zwischen dem öffentlichen Auftritt der beiden Herrschaftssysteme. Der sächsisch-polnische Hof unter August dem Starken ist ein Paradebeispiel für europäischen Absolutismus, für die Inszenierung von Herrschaft, höfischer Repräsentation und extensiver Kunstsammelpolitik. Im Gegensatz zu anderen europäischen Höfen haben sich in Dresden einzigartig reiche Zeughaus-, Rüst- und Schatzkammerbestände erhalten und das war es wohl, was die Verwalter des Pekinger Palastmuseum bewogen hat, eine Auswahl aus den kaiserlichen Kunstsammlungen nach Dresden zu schicken, wie sie außerhalb Chinas zuvor noch nie zu sehen war. Die mächtigen Kaiser der Qing-Dynastie ebenso wie die Könige von Sachsen und Polen waren Perfektionisten in der Präsentation von Herrschermacht durch reiche Kunstsammlungen, rauschende Feste, prunkvolle Kleidung, durch die Ausrichtung von Jagden, die Förderung der Wissenschaften und die Errichtung immer neuer Gebäude und Schlösser. Sieht man allerdings genauer hin – und das gewichtige Handbuch, das die höfische Kultur in weit über einhundert alphabetisch geordnete Kurzessays von Ahnenverehrung bis Zermenien aufgliedert, ermöglicht solche gezielten Vergleiche – wird schnell klar, dass sich Austausch und Einfluß in engen Grenzen bewegten, und dass das Bild, das sich die Menschen von ihrem Brüdern am anderen Ende der Welt machten, mehr Zerrbild denn Abbild war. Gewiss hat die Leidenschaft für asiatische Exotika mit der Chinamode einen eigenen Stil entstehen lassen, der vom Dekor von Porzellan und Möbeln über Stoffe bis hin zur Architektur eine ganze Epoche prägte. Ein Vergleich mit den Originalen macht dann aber rasch deutlich, dass all diese Chinoiserien nur ein mitteleuropäisches Konstrukt fernöstlicher Phantasien waren, die pseudo-chinesische Motive mit persischen, osmanischen, indischen und japanischen Einflüssen vermengte, schön anzusehen aber ohne kulturelle Bedeutung. Und umgekehrt hat die Qing-Dynastie auf europäische Ideen und Produkte nur verhalten und sparsam reagiert. Es waren hier neben dem aus Europa übernommenen Schnupftabak vor allem wissenschaftliche Instrumente, Uhren und Spielautomaten, die die Neugier der Kaiser erweckte und die nun den Präzisionsgeräten aus Dresdens einzigartigem Mathematisch-Physikalischen Kabinett gegenüberstehen. Letzten Endes waren es nur fremdartige und exotische Waren, die beiderseits Interesse fanden, die aber nur einen sehr oberflächlichen Einfluss auf kulturelles Geschehen hatten. China und Europa, vor allem aber die jeweiligen Machtzentren und deren Akteure lagen im 18. Jahrhundert noch zu weit auseinander als dass es zu menschlichen Begegnungen kommen konnte, die echten Einfluss auf gemeinsame Entwicklungen und die Übernahme von Gedanken und Ideen hätten haben können. Eine Person wie der italienische Jesuit und Maler Giuseppe Castiglione (1688-1766), der 1714 als Missionar nach China reiste und der es als kaiserlicher Hofmaler zu hohem Ansehen brachte, war eine singuläre Ausnahme. Castiglione, der unter seinem chinesischen Namen Lang Shining bis zu seinem Tode am Kaiserhof lebte, verband westliche Maltechniken wie etwa die in China vordem unbekannte Zentralperspektive mit der chinesischen Malerei zu einem ganz neuen, unverwechselbaren Stil und war damit der einzige Botschafter echten kulturellen Austausches zwischen Ost und West in seiner Zeit. Von Castiglione und seinem Einfluss abgesehen ist der Vergleich unterschiedlicher Jagdgewohnheiten chinesischer und sächsischer Kaiser, der jeweilige Einfluss von Konkubinen einerseits und Mätressen andererseits, der Vergleich der Landschaft- und der Portraitmalerei, um nur einige Beispiele zu nennen, ein unterhaltsames und durch die exquisiten Exponate aus Peking und Dresden höchst anschauliches Vergnügen. Weitere Stichworte wie Bronze, Hofnarren, Kalligraphie, Kleidung, Porzellan, Seide oder Waffen mögen weiteren Appetit machen auf ein in Konzeption, Umfang und Inhalt außergewöhnliches Katalogbuch.

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