Schätze aus dem Nationalen Palastmuseum, Taiwan

Autor/en: Wilfried Seipel (Hrsg)
Verlag: Kunsthistorisches Museum – Skira Verlag
Erschienen: Wien – Mailand 2008
Seiten: 192
Ausgabe: broschiert
Preis: nicht mitgeteilt
ISBN: 978-3-85497-128-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2008

Besprechung:
Es gibt weltweit kaum eine Kunstsammlung, die mit so vielen Superlativen aufwarten kann wie die kaiserlichen Kunstsammlungen im Nationalen Palastmuseum von Taiwan. Es ist zunächst – und das mit großem Abstand – die bedeutendste Sammlung chinesischer Kunst überhaupt, sieht man mal von den kaiserlichen Kunstschätzen ab, die in der Verbotenen Stadt in Beijing verblieben sind, aber die gehören ja irgendwie dazu. Der materielle Wert der Sammlung ist unermesslich und in nüchternen Zahlen ohnehin nicht auszudrücken. Tradition und Alter der Sammlung, ihre frühe Dokumentation und schließlich die kaiserlichen Sammlerpersönlichkeiten, die diese ungezählten Objekte zusammentrugen und der Sammlung ihrem Stempel aufprägten, all das ist weltweit einzigartig. Schon aus den frühen Dynastien der Han, der Sui und der Tang ist bekannt, dass die Kaiser den Künsten zugetan waren und Kunst- und Antiquitätensammlungen anlegten. Wesentliche Teile dieser Vorläufer der kaiserlichen Sammlungen wurden indessen den verstorbenen Himmelssöhnen in ihre Gräber mitgegeben, fielen Grabräubern zum Opfer, wurden erst von Archäologen wieder entdeckt oder liegen noch in der Erde. Es waren dann die Kaiser der Nördlichen Song-Dynastie (960-1127), die den Grundstock der Sammlungen legten, in einer Zeit, in der neben der Malerei auch das Porzellan oder die Seidenwirkerei (K´o-ssu) eine frühe Blüte erlebten. Die ersten Kataloge der Kaiserlichen Kunstsammlungen, zum Beispiel über Gemälde, Kalligraphien und Altertümer, noch heute maßgebend, wurden damals erstellt. Damit kann die Sammlung auf eine ununterbrochene Tradition von über 1000 Jahren zurückblicken, was umso erstaunlicher ist, als die Herrschaft über das Reich der Mitte mehrfach – und das über Jahrhunderte – von fremden Eroberern ausgeübt wurde. Weder unter den Mongolen (Yuan-Dynastie, 1279-1368) noch unter den Mandschuren (Qing-Dynastie, 1644-1911) wurde der kaiserliche Sammeltrieb unterbrochen. Im Gegenteil: Der berühmteste unter den kaiserlichen Sammlern war gewiß der Mandschure Ch´ien-lung, geboren 1711, Kaiser von 1736 bis 1795, selbst ein begabter Maler und Kalligraph. Er mehrte die kaiserlichen Sammlungen in unvorstellbarem Ausmaß, etwa auch um die Werke des italienischen Jesuiten und Malers Giuseppe Castiglioni (1688-1766) der am Hofe des Kaisers unter dem chinesischen Namen Lang Shi-ning arbeitete und für seine Synthese klassischer chinesischer mit europäischer Malerei bekannt ist. Die jüngste Geschichte der kaiserlichen Kunstsammlungen ist dann zugleich die Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert. Nach Gründung der Republik im Jahre 1912 und der Überführunf kaiserlichen Besitzes in Volkseigentum dauerte es noch 13 Jahre bis 1925 das Palast-Museum in der Verbotenen Stadt eröffnete und damit eine Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich wurde, die über ein Jahrtausend ausschließlich dem persönlichen Vergnügen des Kaisers gedient hatte. Kurz darauf, 1931, mit dem chinesisch-japanischen Krieg, begann eine abenteuerliche Odyssee der kaiserlichen Sammlungen, die – ein neuerlicher Superlativ – nichts ihresgleichen hat. In 20.000 hölzernen Kisten sorgfältig verpackt, lagerten sie zunächst Jahre in Shanghai, wurden vorübergehend ausgestellt in Nangking, wieder ausgelagert und auf abenteuerliche Art und Weise in verschiedene Städte Sichuans transportiert, wobei sie japanischen Bombenangriffen oft nur mit knapper Not entkamen. Neue Gefahr drohte dann ab 1947 von den Angriffen der kommunistischen Partei und so gelangte ein ausgesuchter und wesentlicher Teil nach Taiwan, wo er nach weiteren Irrfahrten schließlich 1965 im National Palace Museum in Taipeh eine neue, angemessene Heimat fand. Der zunehmenden Globalisierung der internationalen Ausstellungswelt, einer großzügigen Handhabung internationaler Leihgabenwünsche und der in Taiwan vielbeachteten Ausstellung Splendor of the Baroque and Beyond: Great Habsburg Collectors from the Kunsthistorisches Museum in Vienna ist es zu danken, dass im Gegenzuge im Wiener Kunsthistorischen Museum von Februar bis Mai 2008 über 100 exquisite Exponate der kaiserlichen Sammlung zu bestaunen waren. Da die Kaiser stets auch großes Interesse an Antiquitäten hatten – die Besinnung auf die Tradition war Teil der Ligitimation kaiserlicher Macht – führen Kultobjekte aus Jade und Bronze weit zurück bis in die vorkaiserlichen Dynastien der Shang und der Streitenden Reiche und gar bis ins Neolithikum. Der Katalog, sachlich gegliedert nach Jade, Bronze, Keramik und Porzellan, Kuriositäten, Kalligraphie und Malerei, Büchern und Dokumenten, ist damit eine kleine aber vollständige Kunst- und Kulturgeschichte Chinas. Angesichts der durchweg höchsten Qualität fällt es schwer, Favoriten auszuwählen. Der Rezensent findet sie unter den Kuriositäten, etwa mit der Pinselablage in Form eines Jade-Kamels oder der mit Glück bringenden Blumen fein ziselierten Goldschale zum persönlichen Gebrauch von Ch´ien-lung, dem Kaiser übergeben im Jahre 1784 von einem uighurischen Fürsten. Für den Kaiser und für den uighurischen Vasallen war diese Schale wohl etwas außergewöhnliches und weit kostbareres als die in den Flussläufen der Kunlun-Berge vorkommende Jade, gewöhnlich als das „Gold Chinas“ bezeichnet. Ein empfehlenswerter, sorgfältig illustrierter und hergestellter Katalog.

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