Chinese Snuff Bottles from the Sanctum of Enlightened Respect III

Autor/en: Denis S. K. Low
Verlag: Laurence King Publishing – Asian Civilisations Museum
Erschienen: London – Singapur 2007
Seiten: 416
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag im illustrierten Schuber
Preis: 120.– englische Pfund
ISBN: 9789810578862
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2008

Besprechung:
Die zunehmend inquisitorische Verfolgung, die Rauchern heute das Dasein beschwerlich und ihre Sucht despektierlich macht, scheint eine Folge moderner medizinischer Erkenntnisse und aktueller staatlicher Gesundheitsfürsorge, und mancher Liebhaber von Zigarette, Zigarre und Pfeife wünscht sich die gute alte Zeit hemmungsloser Qualmerei zurück. Doch Vorsicht, nicht immer war das früher besser. Der Entdeckung dieses zuvor vollkommen unbekannten Genussmittels – Kundschafter von Kolumbus berichteten von indianischen Eingeborenen mit tabacos, „mit glühenden Kohlen, die von wohlriechenden Kräutern in Brand gehalten wurden“ – folgten Jahrhunderte der Ächtung des Tabakrauchens. Die anfangs behauptete medizinische Wirkung – Tabak galt zunächst als modisches Heilmittel gegen Zahn- und Kopfschmerzen, aber auch gegen Kolik, Gicht und Pest – wurde bald von Kirche und Staat angezweifelt und bis ins 19. Jahrhundert überwog die Befürchtung schwerer körperlicher Schäden. Verbote gegen das Tabakrauchen, gegen den Anbau von Tabakpflanzen, drakonische Strafen gar gegen den Genuss dieses Höllenwerkes, etwa der Verlust der Nase (Dekret der russischen Zaren, 1634) oder sogar des Lebens (Sultan Amurat IV, 1610), waren nicht selten. Dennoch, der raschen Verbreitung des Genussmittels durch Seefahrer, Kaufleute und durch die Soldaten im dreissigjährigen Krieg konnte das alles nichts anhaben. Auch die Tabaksteuer, erfunden und eingeführt aus dem Bestreben, das Laster einzudämmen, hielt den Siegeszug von Zigarre, Zigarette & Co nicht auf. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert ergaben sich mehr und mehr Regierungen der Verführung der immens steigenden Einnahmen aus dieser Steuer und kein Raucher musste mehr um seine Nase oder sein Leben fürchten. Eine Sonderstellung hatte von Anfang an die „Prise“, der Schnupftabak. Erfunden haben ihn wohl die Spanier und sein erster Name war auch „Spaniol“. Von portugiesischen Seefahrern wohl schon gegen Ende der Ming-Dynastie nach China gebracht erlebte dieser mahlfein zerriebene, nass vergorene und mit allerlei Spezereien versehene Tabak von eigenartigem Geruch und Geschmack dort eine erstaunliche Karriere. Schnupftabak wurde zu dem modischen Genussmittel am Hofe der ersten Kaiser der mandschurischen Qing-Dynastie (1644-1911). Das alles wäre wohl längst vergessen, wenn sich nicht parallel zum Konsum dieses Genussmittels ein wahrer Kult um die kleinen Behältnisse für den Tabak entwickelt hätte. Die Neigung der Chinesen, sich an kleinen Dingen leidenschaftlich zu erfreuen und die grandiosen künstlerischen Fähigkeiten chinesischer Handwerker ließen mit den Schnupftabakfläschchen, den Snuff Bottles, eine einzigartige Kleinkunst entstehen. Geboren wurde dieser Kult wohl am Hofe des kunstbegeisterten und an neuen Kunsttechniken interessierten Kaisers Kangxi (1662-1722) und seinen legendären Kunstwerkstätten im kaiserlichen Palast. Von dort verbreitete sich die Mode im 18. Jahrhundert innerhalb der wohlhabenden und gebildeten Kreise in China, erreichte im 19. Jahrhundert auch breite Bevölkerungskreise, um dann am Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Untergang der Qing-Dynastie wieder vollkommen zu verschwinden. So sind denn die Snuff Bottles ein Sammelgebiet par excellence, das nicht nur das gesamte Spektrum chinesischen Kunsthandwerks sondern auch Aufstieg, Blüte und Verfall der mandschurischen Kaiserdynastie abbildet. Zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen gehört diejenige von Denis S. K. Low, einem im asiatischen Immobilien- und Finanzwesen erfolgreichen Auslandschinesen, zugleich einer der ersten Experten für Snuff Bottles. Ein dritter Band zu seiner von ihm selbst „Sanctum of Enlightened Respect“ genannten Sammlung ist nun begleitend zu einer Ausstellung im Asian Civilisations Museum in Singapur bei Laurence King in London in edler Ausstattung erschienen. Der Sammler, von dem auch die über 700 Farbaufnahmen, der einleitende Text und die genauen und kenntnisreichen Beschreibungen der 355 vorgestellten Snuff Bottles stammen, sieht in dieser Publikation den Höhepunkt seiner fast 30-jährigen Sammeltätigkeit. Denis Low betrachtet die mittlerweile 1300 Snuff Bottles umfassende Sammlung als abgeschlossen, wenn er auch nicht ausschließen möchte, noch das eine oder andere außergewöhnliche Stück hinzuzufügen. Führt man sich die nun publizierten Stücke vor Augen, ist aber kaum vorstellbar, dass hier Steigerungen noch möglich sind. Allein die Menge und Qualität der in der aus Europa eingeführten Emailmalerei ausgeführten Snuff Bottles, die fast alle aus kaiserlichen Werkstätten stammen, ist nicht zu übertreffen. Es folgen Exemplare aus Jade, Glas, Porzellan, Achat, Quarz, Stein, Elfenbein, Horn und Metall, verziert in allen in China bekannten und angewandten Dekorationstechniken von feinster Malerei und Kalligraphie, komplizierten Überfangtechniken in Glas, Schnitzerei in Stein und Elfenbein bis zu der typisch chinesischen Spezialität des Inside-Painting. Neben den Stücken aus Email, Glas und Porzellan liegt hier einer der Schwerpunkte der Sammlung, der interessanterweise über das Ende der Kaiserzeit hinaus bis in die Gegenwart führt. Die Kunstfertigkeit der Malerei innerhalb eines geschlossenen, extrem kleinen Gefäßes mit enger Öffnung hat in China seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine eigene Kunstgattung entstehen lassen, die den Untergang des geschnupften Tabakkonsums überdauert hat. So sind im Unterschied zu den meisten anderen Snuff Bottles, die eine anonyme Kunst darstellen, inside-painted Snuff Bottles fast immer signiert und markieren damit einen Grenzbereich zwischen Kunsthandwerk und Kunst. Ein grandios schönes Buch, das wie seine Vorläufer aus der Sammlung „Sanctum of Enlightened Respect“ schon jetzt zu den Standardwerken dieses ungemein reizvollen Sammelgebietes gehört.

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