Chinese Provincial Furniture – Selections from the Late Qing Dynasty

Autor/en: Kimberly R. Hessler
Verlag: Schiffer Publishing Ltd.
Erschienen: Atglen PA (USA) 2007
Seiten: 238
Ausgabe: Hardbound mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 49.95
ISBN: 0-7643-2478-0
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2007

Besprechung:
Seit ihrer „Wiederentdeckung“ durch den deutschen Kunsthistoriker Gustav Ecke (1896-1971) und durch amerikanische Sammler wie Sickmann und Ellsworth haben klassische chinesische Möbel einen beispiellosen Siegeszug hinter sich. Diese in ihrer Schönheit und ästhetischen Funktionalität in der Tat einzigartigen Möbel aus Huanghuali, Zitan oder anderen edlen Harthölzern wie sie in der späten Ming- und der frühen Qing-Dynastie, also im wesentlichen im 17. Jahrhundert hergestellt wurden, entwickelten sich rasch vom Geheimtip einzelner Insider zum Markttrend und verzeichneten in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts unglaubliche Nachfrage- und Preissprünge. Heute sind sie fast unerschwinglich, kaum noch zu finden und längst auf hochkarätige Privatsammlungen und Museen verteilt. Sie sind damit schon zum zweiten Mal verschwunden. Das erste Mal, das war im 18. Jahrhundert unter der Regierungszeit des chinesischen Kaisers Qianlong (1736-1795), als sich unter seinem Bedürfnis nach Pracht und Luxus und einem beginnenden europäischen Einfluss der Stil wandelte, als vor allem aber die Edelhölzer Zitan und Huanghuali, die aus Indochina und von der südchinesischen Insel Hainan importiert worden waren, infolge des jahrhundertelangen Raubbaus fast ausstarben. Betrachtet man die Literatur über chinesische Möbel, war das, was nach Ming kam, nicht mehr der Rede wert. Überdekoriert, ästhetisch verfehlt oder nur roh und primitiv. So kommt es, dass fast alles, was über chinesische Möbel geschrieben wurde, sich mit diesem Korpus klassischer Möbel befasst, der nach Schätzungen vielleicht 3% des heute vorhandenen Bestandes ausmacht. Erst seit einigen Jahren beginnt man nach und nach zu entdecken, dass diese Geringschätzung späterer chinesischer Möbel ein Fehlurteil war. In den nördlichen Provinzen Zentralchinas haben sich, fern von den kaiserlichen Zentren und der von fremden Einflüssen geprägten Küstenzone die handwerklichen und ästhetischen Traditionen der Mingzeit bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Freilich, das edel gemaserte Hartholz war verbraucht und heimische, weichere Hölzer nahmen seinen Platz ein – damit verschwand die Grazilität und Leichtigkeit der klassischen Möbel. Gleichzeitig gewannen Oberflächenbehandlungen mit Lack, Malerei und geschnitzten Reliefs an Bedeutung. Geblieben aber sind die traditionellen Formen in einer ländlich abgewandelten, oft fast rustikal anmutenden Art, die diesen Möbeln einen ganz eigenen Charme verleiht. Das Buch einer kenntnisreichen amerikanischen Sammlerin und Händlerin bringt mit über 550 Abbildungen nicht nur einen vollständigen Überblick über diese ländlichen Möbel der späten Qin-Dynastie, sondern ist darüber hinaus ein Sammler-Handbuch wie es besser und vollständiger kaum sein kann. Wir erfahren etwas über die verwendeten Holzarten, Kampfer, Zypresse und Nussbaum, Kiefer und Pinie, vor allem aber Northern Elm, eine in Chinas Norden weit verbreitete Ulmen- oder Rüsterart mit lebhafter Maserung und über die vielfältigen farblosen oder farbig deckenden, meist schwarzen oder roten Lacke. Wir lesen über die typischen Verbindungstechniken, die sich fast unverändert aus der Mingzeit erhalten haben und die die Verwendung von Nägeln oder Leim vollkommen entbehrlich machen. Im Zentrum dieser Einführung steht eine Typologie des chinesischen Möbels von den verschiedenen Stuhl- und Tischformen über Schränke unterschiedlicher Konstruktion, Kommoden, Truhen, offene Regale, Betten, große und kleine Stellschirme für unterschiedlichste Zwecke, Konsolen und Kleinmöbel, ein Formenkanon, wie er genauso aus dem Repertoire klassischer Mingmöbel bekannt ist. Der eigentliche Katalogteil ist nach den Provinzen untergliedert, in denen die Möbel entstanden sind. Je nach den dort wachsenden Hölzern und vor allem den klimatischen Besonderheiten, wie kalte Winter oder etwa hohe Luftfeuchtigkeit haben sich von Provinz zu Provinz Besonderheiten und Schwerpunkte entwickelt, haben bestimmte Möbeltypen oder Oberflächenbehandlungen Bedeutung erlangt und Sonderentwicklungen erfahren. So sind etwa in der Provinz Henan die meist mehrteiligen, durchbrochenen und mit großartigen Schnitzereien versehenen Stellschirme, Fenster und Türen zu erwähnen, eine Reminiszenz an das hier schon etwas wärmere Klima, das eine luftige Bauweise verlangt. Ganz anders die massiven, oft schwer wirkenden Möbel aus Hebei, Peking und Tientsin, Provinzen und Orte, die für ihre kalten Winter bekannt sind. Aus der Inneren Mongolei begeistert ein wunderbarer, niedriger Kang-Tisch mit schöner Einlegearbeit – eine Seltenheit bei chinesischen Möbeln – und bemalte Deckeltruhen, die deutlich den tibetischen Einfluss erkennen lassen. Die mit Abstand meisten Möbel stammen aus der Provinz Shanxi, wo sich das Erbe der Ming-Zeit am besten erhalten hat. Armlehnstühle – stets als Paar -, Altartische mit ihren an den seitlichen Rändern hochgezogenen Abschlüssen und Schränke, fast immer mit dem auffälligen runden Verschluß im Zentrum des Möbels, wiederholen die Proportionen aus klassischer Zeit in liebenswert abgewandelter ländlicher Art und häufig mit naiv künstlerischen Lackmalereien. Für den Sammler und Käufer enthält das Buch eine Fülle wertvoller Tipps und Informationen, etwa wie sich gute und schlechte Restaurationen unterscheiden lassen oder gute Patina von schlechter Fälschung. Dazu gehört auch die Warnung vor Möbeln, die für heutige Bedürfnisse umgebaut wurden und die dann zwanglos Platz für den Fernsehapparat bieten. Ungemein hilfreich – und für ein Buch aus dem Hause Schiffer Publishing typisch – sind vor allem die für jedes gezeigte Möbel angegebenen Preisspannen, die als zusätzliches Qualitätskriterium und Marktübersicht dienen. Der Hinweis der Autorin, dass jährliche Preissteigerungsraten von 25 bis 40% festzustellen sind lässt aber befürchten, dass bei diesen schönen Möbeln eine ähnliche Entwicklung beginnt wie bei ihren klassischen Vorbildern und dass sie bald rar werden. Ein Sammlerbuch par excellence. (Vertrieb in Europa: Bushwood Books Ltd., 6 Marksbury Avenue, Kew Gardens, Surrey, TW9 4JF, info@bushwoodbooks.co.uk).

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