Gold und Jade – Sensationsfunde aus chinesischen Herrschergräbern

Autor/en: Susanne Leitner-Böchzelt, Renate Noda
Verlag: Stadtgemeinde und Kunsthalle Leoben
Erschienen: Leoben 2007
Seiten: 224
Ausgabe: broschiert
Preis: € 29.–
ISBN: 978-3-9500840-3-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2007

Besprechung:
Der weltbekannten unterirdischen Armee des chinesischen Kaisers Qin Shi Huang, des ersten Kaisers der Qin-Dynastie, (221-206 v.Chr.) liegt die Vorstellung zugrunde, seine überlegene militärische Macht in das Leben nach dem Tode mitzunehmen. Dass er sich dabei mit Kriegern und Pferden aus Ton begnügte zeigt einen gewissen kulturellen Fortschritt, ist doch aus der vorangegangenen Zhou-Dynastie (1050-256 v.Chr.) bekannt, dass hier noch Menschen geopfert und dem verstorbenen Herrscher ins Grab gelegt wurden. Gräber, Grabanlagen und Grabbeigaben im alten China sind ganz wesentlich von Jenseitsvorstellungen geprägt, und diese erfuhren ein halbes Jahrtausend vor der Zeitenwende durch den Denker Konfuzius (551-479 v.Chr.) einen tiefgreifenden Wandel. Nach Konfuzius hat der Mensch zwei Seelen, die eine steigt nach dem Tode zum Himmel auf, während die andere den Verstorbenen ins Grab begleitet und dort mit Grabbeigaben beschwichtigt werden muss. Nur so kann verhindert werden, dass sie sich in einen bösen Geist oder Dämon verwandelt, der die Lebenden heimsucht. Aus dem in der alten Vorstellung ganz realen Leben nach dem Tode wurde durch die konfuzianischen Lehren mehr und mehr eine mythische Idee und so, wie Menschen durch Figuren aus Ton oder Holz ersetzt wurden, wurden funktionsfähige Geräte durch so genannte „Geistergeräte“, wir würden sie Symbole nennen, ersetzt. Grabbeigaben aus der Han-Dynastie, Tiere, Gerätschaften und Modelle von Häusern und Höfen sind ein Beispiel für diese gewandelten Vorstellungen. Dieser kulturelle Fortschritt änderte nichts daran, dass sich Herrscher der Han-Dynastie dieses Leben nach dem Tode, jedenfalls für den diesseitigen Teil ihrer Seele, so angenehm wie nur möglich gestalten wollten. Ihre Gräber sind unter die Erde projizierte Paläste, die der Seele als Wohnstätte dienen, und das im wahrsten Sinne des Wortes, besitzen sie doch Küche, Badezimmer, Toiletten und – neben vielen weiteren – separate Räume für Speisen, Geld, Waffen und für die Gattinnen des Herrschers. Beispiele sind die Begräbnisstätten der Könige von Chu, einem selbständigen Königreich zur Zeit der früheren (westlichen) Han-Dynastie (202 v.Chr. – 9 n.Chr.) im Gebiet des heutigen Xuzhou. Xuzhou in der Provinz Jiangsu im östlichen China ist Partnerstadt von Leoben in der Steiermark, und Leoben ist der Ort jährlicher, international beachteter, kulturhistorischer Ausstellungen. So kam es, dass die in Europa noch nie gezeigten Schätze aus dem 1995 entdeckten Grab des Königs von Chu im Löwenberg nun in Leoben zu Gast sind. Die Ausstellung (bis zum 01.11.2007) ist von einem Katalog begleitet, der über die Abbildung und Beschreibung der 200 ausgestellten Objekte hinaus, mit Beiträgen über die Geschichte Chinas und seiner Dynastien und über den Grab- und Ahnenkult, über Begräbnisrituale und Ahnenverehrung vom Neolithikum bis heute eine beachtenswerte Einführung in eine der ältesten Hochkulturen der Welt darstellt. An den Beispielen Jade, Gold, Keramik und Porzellan – hier werden die kostbaren Leihgaben aus dem Museum der Stadt Xuzhou durch Objekte aus dem Völkerkundemuseum und dem MAK in Wien ergänzt – und mit Beiträgen über die Bedeutung der Jade in China und die mehr als tausendjährige Geschichte der Herstellung und des Dekors von Porzellan, sind Ausstellung und Katalog auch ein Führer durch die wichtigsten Bereiche der materiellen Kultur Chinas. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf den Sensationsfunden aus den Gräbern der Westlichen Han-Dynastie, von denen der Lacksarkophag mit Jadeintarsien aus über 2000 Jadeplatten oder der Jadepanzer aus 4248 mit feinem Golddraht gehaltenen, kleinen Jadeplättchen einzigartige Exponate darstellen. Dieser Jadepanzer, der früheste, kostbarste aller bis heute entdeckten, sollte zusammen mit Körperverschlüssen und Zungenzikaden den Körper des Königs vor der Verwesung bewahren, um die Seele am Verlassen des Körpers zu hindern und dadurch die Unsterblichkeit zu garantieren. Dieser Glaube zeigt die Bedeutung von Jade im alten China, die von anderen, zauberhaften Jadeobjekten aus dem Grab des Königs im Löwenberg noch unterstrichen wird. Eine bi-Scheibe mit einer Bekrönung aus Drache und Phönix oder ein pei-Anhänger mit zwei Drachen, deren Köpfe aus einem einzigen Körper hervorgehen, beide aus fast reinweißem Nephrit sind Meisterwerke chinesischer Jadekunst, und sie machen deutlich, dass dieses schwer zu bearbeitende Material in seiner mythischen Bedeutung dem Gold weit überlegen war. Die zwei massiv goldenen Gürtelplatten aus demselben Grab, die eine bewegte Tierkampfszene zeigen – ein Wolf und ein Bär greifen ein bereits in die Knie gezwungenes Pferd an und werden dabei von mehreren Greifvögeln beobachtet – belegen den Ursprung der Goldverarbeitungstechniken in den nomadischen Regionen Zentralasiens ebenso wie die meisterliche Adaption von Technik und Dekor durch chinesische Handwerker. Der Katalog gewährt einen tiefen Blick in das reiche kulturelle Erbe Chinas, er spannt den Bogen von der Liangzhu-Kultur um 3000 v.Chr. bis hin zum Ende der Qing-Dynastie am Beginn des 20. Jahrhunderts und er zeigt, dass die Rechnung des Königs im Löwenberg über die mit Jade erreichbare Unsterblichkeit, wenn auch anders, als er sich das vorgestellt hat, aufgegangen ist.

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