Im Zeichen des Drachen – Von der Schönheit chinesischer Lacke – Hommage an Fritz Löw-Beer

Autor/en: Patricia Frick, Margarete Prüch
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2006
Seiten: 272
Ausgabe: Illustrierte Klappenbroschur
Preis: 39.90
ISBN: 3-7774-3105-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2006

Besprechung:
„Keine Materie ist so ausschließlich fernöstlich wie der Lack“ schrieb Alfred Salmony, Professor am Institute of Fine Arts, New York University, im Chinesisch-Deutschen Almanach für das Jahr 1933. Und das hat seinen Grund: Seide, Papier oder Porzellan, zwar in China erfunden oder entdeckt, wurden irgendwann zu internationalen Rohstoffen und Produkten und China verlor sein ursprüngliches Monopol. Nicht so der ostasiatische Lack. Grundlage aller Lackkunst ist der Saft des nur in Ostasien heimischen Lackbaumes, des rhus vernicifera. Dank seiner besonderen Eigenschaften kann der aus ihm gewonnene Lack als Schutzschicht sowie in vielfältigster Form als Mittel und Träger künstlerischen Dekors verwendet werden. Funde aus dem Neolithikum (7000-3000 v.Chr.), vor allem aber Ausgrabungen in der chinesischen Provinz Zejiang beweisen, dass das Wissen um die schützende und zugleich zierende Funktion des Lacksaftes spätestens seit etwa 4000 v.Chr. in China bekannt war. Dennoch blieb die hohe Kunst chinesischer Lackbearbeitung im Westen lange unbekannt. Zwar waren zu Zeiten der China-Mode im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert auch Lackobjekte en vogue, doch was damals nach Europa gelangte war fast ausschließlich Export-Ware, meist die so genannten Koromandel-Lacke, die in Form von kleinen Möbeln oder Paneelen gerne in das chinoise Barock- und Rokoko-Interieur integriert wurden. Die eigentliche ostasiatische Welt blieb bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinter einem Schleier des Geheimnisses verborgen. Erst mit der erzwungenen Öffnung Japans im Jahre 1853 und mit dem von China 1860 verlorenen Krieg gegen eine französisch-britische Allianz änderte sich dies grundlegend. Mit der Plünderung und Zerstörung des kaiserlichen Sommerpalastes und der Versteigerung der geraubten Schätze im Pariser Hotel Drout begann ein neuer Abschnitt. Es war die Zeit, in der Kunstwerke bisher unbekannter Schönheit Europa erreichten, unterstützt noch durch den Verfall kaiserlicher Macht und den Verkauf von Objekten aus den unermesslichen Beständen der verbotenen Stadt durch abtrünnige Eunuchen. In dieser Zeit, die etwa bis in das erste Viertel des 20. Jahrhunderts reichte, entstanden, vorwiegend in den USA aber auch in Europa, die bedeutenden Sammlungen chinesischer Kunst. Die ausschließlich auf chinesische Lacke konzentrierte Sammlung von Fritz Löw-Beer (1906-1976) gehört in diesen Rahmen und ist auf ihrem Gebiet weltweit unübertroffen. Fritz Löw-Beer, Sohn einer großbürgerlich deutsch-jüdischen Familie in Mähren, erfolgreicher Textilfabrikant, erwarb schon als junger Mann die ersten Lacke, sammelte auf höchstem Niveau und war zeitlebens von der Ästhetik und dem Zauber dieser Lackarbeiten fasziniert. Nach einer dramatischen Flucht in die USA im Jahre 1939 begann ein typisches Exilleben mit Stationen in New York, Rom und schließlich Paris. 1978 konnte das Stuttgarter Linden-Museum die Sammlung Löw-Beer fast vollständig erwerben. Nur von einigen Spitzenobjekten hatte sich der Sammler schon zu Lebzeiten trennen müssen. Die vor kurzer Zeit eröffnete Ausstellung der Sammlung Fritz Löw-Beer (Museum für Lackkunst in Münster bis 11.03.2007 und dann vom 21.04 bis zum 21.10.07 im Linden-Museum) umfasst auch diese Objekte, und der dazu erschienene Katalog ist damit ein Handbuch chinesischer Lackkunst, wie es umfassender und schöner kaum sein kann. Die Einteilung nach Techniken in gemalten Lack (Han-Dynastie), monochromen Lack (Song-Dynastie), geschnitzten Lack (Ming-Dynastie), Lack mit Einlagen aus Perlmutter und Metall und schließlich gefüllten und gravierten Lack (Qing-Dynastie), bot sich an, da sie in etwa der historischen-chronologischen Entwicklung der Lacktechniken entspricht. Den Auftakt bilden daher 20 Arbeiten aus Gräbern der westlichen Han-Zeit. Auch wenn die Grabumstände deutliche Spuren auf den Bechern und Schalen hinterlassen haben, so lässt doch die faltig aufgeworfene Lackhaut noch immer das dekorative Zusammenspiel von Rot und Schwarz und die eleganten, kalligraphisch anmutenden Linienspiele ihrer stilisierten Dekore erkennen. Die berühmte „Dose mit den lachenden Drachen“, seit 1968 im Museum of Fine Arts in Boston, ist in ihrer handwerklichen und künstlerischen Qualität ein unübertroffenes Meisterwerk dieser Frühzeit der Lackkunst. Es folgen monochrome Lacke, vorwiegend des 11. Jahrhundert aus der Nördlichen Song-Dynastie, die in ihrer Eleganz und Schlichtheit an die Porzellane aus derselben Zeit erinnern. Die bei weitem bedeutendste Technik in der facettenreichen chinesischen Lackkunst ist dann der geschnitzte oder geschnittene Lack, der seine Blüte im 14. und frühen 15. Jahrhundert der Ming-Dynastie erlebte. Diese Arbeiten waren die große Leidenschaft von Fritz Löw-Beer, hier sammelte er mit großer Passion auf höchstem Niveau und so liegt hier auch der Schwerpunkt von Ausstellung und Katalog mit einer ganzen Anzahl bedeutender und einzigartiger Stücke. Ein Tisch mit Phönix- und Drachendekor, seit 1973 im Victoria & Albert Museum in London, ist das herausragende Stück der Sammlung, das vielfach überhaupt als das Schlüsselobjekt der Schnitzlackkunst der Ming-Zeit angesehen wird. Dass den Drachen dieses Tisches irgendwann die fünfte Kralle an jedem Fuß entfernt, womit für den Eigentümer der Gebrauch des Tisches auch außerhalb des kaiserlichen Palastes ermöglicht wurde, deutet auf eine interessante, aber leider nicht bekannte Geschichte. Einige Dosen, Schalen und Teller stehen in der Qualität der Lackbearbeitung auf ähnlich hohem Niveau. Auf den tief in den Lack geschnitzten, weich polierten Reliefs, offenbart sich in einem dichten Gefüge aus Bild und Schrift der gesamte Kosmos chinesischer Symbolik, und es wird klar, warum diesen Schnitzlacken die große Liebe des Sammlers galt. Dies war auch der Bereich, in dem sich Fritz Löw-Beer wissenschaftlich-publizistisch betätigte und über den er mit Sammlern und Museen korrespondierte. Die ausführliche und ausgesprochen lesenswerte Biographie des Sammlers, Auszüge aus seiner Korrespondenz mit Sammlern und Museumskuratoren sowie ein ausführliches Glossar und Literaturverzeichnis – selbstverständlich mit Hinweisen auf die Aufsätze Löw-Beers – runden den Katalog zum zeitlosen Handbuch.

Print Friendly, PDF & Email