Xi´an – Kaiserliche Macht im Jenseits – Grabfunde und Tempelschätze aus Chinas alter Hauptstadt

Autor/en: Falko Daim (Kurator und Herausgeber)
Verlag: Ausstellungshalle der BRD, v.Zabern
Erschienen: Bonn, Mainz 2006
Seiten: 370
Ausgabe: gebunden
Preis: € 34.90 (Verlagsausgabe bis 31.12.06, danach € 44.90
ISBN: 3-8053-3605-5
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2006

Besprechung:
1974 stieß ein chinesischer Bauer beim Graben eines Brunnens in Lintong, unweit der Stadt Xi`an in der chinesischen Provinz Shaanxi auf Bruchstücke großer tönerner Figuren – Teile der Terrakottaarmee des Ersten Kaisers Qin Shihuangdi. Dies war der Beginn der wohl spektakulärsten archäologischen Entdeckung des 20. Jahrhunderts. Etwa 7000 lebensgroße Soldaten, 520 Wagenpferde für 130 Quadrigas und 150 Reitpferde wurden bis heute in dem mehr als fußballfeldgroßen Areal entdeckt, geborgen, zusammengesetzt und restauriert. Und doch ist diese in ihrer Größe kaum begreifbare Garde für einen toten Kaiser nur ein Detail einer unterirdischen Grabanlage von der Größe einer europäischen Großstadt, nur eine von zahlreichen Gruben, die in ihrer Summe ein getreues Abbild des vom lebenden Kaiser beherrschten Reiches darstellen. Nur ein Teil ist bis heute ausgegraben, und auch der Kern der Anlage, das eigentliche Kaisergrab, wartet noch auf die Archäologen. 30 Jahre und mit kaum vorstellbaren Aufwand ließ der Kaiser an dieser Grabanlage bauen und sie blieb, wenn auch in der Größe nie wieder erreicht, kein Einzelfall. Die ausgefallene Sepulkralkultur chinesischer Kaiser, auch die hoher Adeliger, ausgedehnte und mit enormem Aufwand errichtete und ausgestattete Grabanlagen, prägen auch die späteren Dynastien der Han und der Tang. Die Ausstellung in Bonn (bis zum 23.07.06) und ihr begleitender Katalog zeigen die Entwicklung des chinesischen Grabkultes anhand kaiserlicher und adeliger Gräber von der Qin- bis zur Tang-Dynastie, vom dritten Jahrhundert vor bis zum neunten nachchristlichen Jahrhundert. Möglich wurde diese spektakuläre Ausstellung mit ihren ca. 200 prunkvollen Kunstgegenständen aus ausgegrabenen Tempelschätzen und Grabanlagen durch eine nun bereits 15 Jahre währende Kooperation deutscher und chinesischer Institutionen in einem Forschungsprojekt zum Kulturgüterschutz. Das Archäologische Institut der Provinz Shaanxi, das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in München haben die Ausstellung konzipiert und stellen das Ergebnis dieser erfolgreichen Zusammenarbeit vor allem in dem Katalog vor. Der ausführlichen Beschreibung der archäologischen Fundkomplexe, Exponate und Restaurierungsmaßnahmen sind ein Dutzend Essays zur Kulturgeschichte vorangestellt, die nicht nur die Hintergründe dieses außergewöhnlichen Grabkultes behandeln, sondern auch die Geschichte Chinas von der Einigung unter dem ersten Kaiser Shihuangdi bis zum Untergang der Tang-Dynastie. Verwaltung, Handel und Religion werden beleuchtet, vor allem aber die damalige Hauptstadt des chinesischen Reiches Chang´an. Gelegen im Tal des Wei-Flusses, war Chang´an damals eine der großen Metropolen der Welt, Ausgangpunkt der Seidenstrasse und länger als ein Jahrtausend ein politisches, ökonomisches und kulturelles Zentrum von Weltrang mit multinationalem Flair. Auf eine Größe von über 80 qkm und immerhin eine Million Einwohner wird das Tang-zeitliche Chang´an geschätzt. Ein kurzweiliger Essay befasst sich schließlich mit dem Leben im Palast und damit, dass der chinesische Kaiser durchaus nicht so zu beneiden war, wie es die Redewendung „wenn ich der Kaiser von China wäre …“ zum Ausdruck bringt, galt es doch für den „Sohn des Himmels“ der ständigen Attentatsgefahr durch konkurrierende Adelsfamilien zu entgehen und nebenbei bis zu 3000 kaiserliche Konkubinen zu befriedigen. Sein gottgleicher Rang ließ den Kaiser von China wohl ganz besonders unter der Begrenztheit des Lebens leiden und die allgemein menschliche Reflexion über den Tod und seine Überwindung, die Frage vor allem, was auf das irdische Leben folgt und wie man sich darauf vorbereiten kann, prägten sein Leben und führten zu den Grabbauten, den ausgedehnten Begräbnisritualen und zu den immensen Grabbeigaben, deren Entdeckung und Erhaltung nun ein Schlüssel zur chinesischen Kultur sind. Bei der Beschreibung der Fundkomplexe und Exponate nimmt Qinling, das Grab des Ersten Kaisers Qin Shihuangdi, seiner Größe entsprechend, den ersten Rang ein. Die Infanteristen, Bogenschützen und Generäle der Terrakottaarmee, ihre Ausrüstung, Waffen und Panzerung, waren noch nie in dieser Anzahl im Westen zu sehen und dank einer einzigartigen Forschungsarbeit des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege können wir sie in ihrer wechselnden, bunten Farbfassung bewundern, denn die berühmten Tonkrieger waren einst bunt bemalt. Eine der Gruben der Grabablage von Shihuangdi ist eine nachgestellte Parkanlage mit tönernen Musikanten, imitierten Wasserläufen und lebensgroßen Figuren von Schwänen, Gänsen und Kranichen in Bronzeguss. Deren natürliche Anmut und lebendiger Detailreichtum sind ohnegleichen. Es folgen Wandmalereien aus dem Grab des Fürsten Bin Wang, Szenen aus einem florierenden Landgut der Han-Zeit, das Inventar aus dem Grab der Tang-Prinzessin Li Chiu aus dem 8. Jahrhundert mit einem einzigartigen Diadem, Pferde und Kamele aus der gemeinsamen Tang-zeitlichen Grabanlage des Kaisers Tai-zong und seiner Gattin, der Kaiserin Wende, und andere mehr. Eine Sonderstellung nimmt der Schatz aus der Reliqienkammer des Famen-Tempels ein. 1985 anlässich des Wiederaufbaus der 1981 bei einem Erdbeben eingestürzten Pagode in deren Fundament entdeckt, ist er der bedeutendste und gänzlich unversehrte Tempelschatz der Tang-Dynastie. Die einzigartigen Objekte und Gefäße aus Gold, Silber und Bronze wurden unter wissenschaftlichem Beistand des Römisch-Germanischen Zentralmuseums geborgen, gereinigt und restauriert. Sie gehören zu den Höhepunkten von Ausstellung und Buch. Beide, die Ausstellung und viel mehr noch der Katalog geben Einblicke in den langen Weg von der Entdeckung und Grabung archäologischer Funde über die Dokumentation und Restaurierung bis hin zur kulturhistorischen Deutung. Der Katalog ist ein exemplarisches Beispiel für die Zusammenarbeit von Archäologen, Geisteswissenschaftlern, Naturwissenschaftlern und Restauratoren, ein Beispiel par excellence für die moderne, komplexe Konservierungswissenschaft. Er ist ein Beleg für die erstaunlich reichen Informationen über das Leben, die Künstler und über ihre Auftraggeber, die diese modernen Methoden und Techniken den Funden entlocken können.

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