European Scenes on Chinese Art

Autor/en: Jorge Welsh, Luisa Vinhais, Terese Canepa
Verlag: Jorge Welsh Books
Erschienen: London 2005
Seiten: 254
Ausgabe: Gebunden mit Schutzumschlag
Preis: ?? engl.Pfund
ISBN: 0-9550992-1-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2006

Besprechung:
Alljährlich im späten Herbst wird in London die “Asian Art” zelebriert, ein knapp zweiwöchiger Reigen mit Ausstellungen, Vorträgen, Symposien und Auktionen, die sich alle um die Kunst Asiens drehen. Zentrales Ereignis dieser „Asian Art“ aber sind die Vernissagen, die einige Dutzend Galerien, darunter die für asiatische Kunst weltweit führenden, veranstalten. Was hier jeweils einem aus der ganzen Welt herangereisten Publikum von Kunden, Käufern und Liebhabern präsentiert wird, stellt in seiner Vielfalt, Qualität und Kostbarkeit vielleicht nicht das „British Museum“ aber gewiss manch anderes Museum weit in den Schatten. Einer der Höhepunkte der „Asian Art“ des Jahres 2005 waren sicherlich die unter dem Thema „Europäische Szenen auf chinesischer Kunst“ von dem Händler Jorge Welsh in seiner Galerie in der Kensington Church Street ausgestellten Objekte aus Japan und vor allem China. Ein achtteiliger Wandschirm im sogenannten Koromandel-Stil mit biblischen Szenen bemalt, große Tonfiguren europäischer Edelleute und Lackpaneele mit portugiesischen Dreimastern und mit einer frühen Ansicht von Macao, alles in China zu Zeiten der Kaiser Kangxi oder Qianlong im Auftrage von Europäern hergestellt, rechtfertigten das weit gefasste Thema „Chinesische Kunst“. Der Rest war, entsprechend der Kernkompetenz von Jorge Welsh chinesisches Porzellan, Exportware und auch solche Stücke, die erst in Europa mit Dekor und Malerei, eben mit europäischen Szenen versehen wurden. Allesamt waren es Exponate höchster Qualität, manche von historischer Bedeutung und viele davon bisher unbekannt, die in der schönen Galerie zu sehen und zu bewundern waren. Und die noch immer bewundert werden können, denn zur Ausstellung ist ein Katalog, besser gesagt ein Buch erschienen, das jedem, der an chinesischem Export-Porzellan interessiert ist, wärmstens zu empfehlen ist. Der einleitende Essay von Teresa Canepa ist eine kleine Geschichte dieses „Porzellan auf Bestellung“, das, in kleinen Mengen, schon in der späten Ming-Dynastie für den portugiesischen Markt hergestellt wurde und das in den großen Wappen-Servicen für englische und holländische Auftraggeber im 18. Jahrhundert seinen Höhepunkt fand. Diesem einleitenden Essay folgt die Darstellung der insgesamt 70 gezeigten Stücke, eine Präsentation, die in der Sorgfalt der Beschreibung und in der Qualität der Abbildungen nur schwerlich zu übertreffen ist. Bemerkenswert ist vor allem, dass es gelungen ist, zu einer beachtlichen Anzahl der Stücke die Mustervorlagen aufzufinden. Es war ja nicht so, dass die chinesischen Porzellanmaler, die überwiegend in Kanton arbeiteten, sich diese europäischen Szenen einfach so einfallen ließen, sondern ihnen wurden Vorlagen zur Verfügung gestellt, die sie sorgfältig auf Teller, Schalen, Kannen, Vasen und dergleichen übertrugen. So ist der Stil des chinesischen Export-Porzellans geprägt durch die europäische Druckgraphik des 16., 17. und 18. Jahrhunderts und, entsprechend den Sujets dieser Druckgraphik, gibt es nichts, was man nicht auf chinesischem Porzellan finden könnte. Es sind Szenen aus dem täglichen Leben aber auch historische Ereignisse, die Eingang in die Geschichte gefunden haben, Portraits prominenter und auch unbekannter Personen, biblische, mythologische und allegorische Darstellungen. Vorbilder waren darüber hinaus Graphik mit Darstellungen von Schiffen, Landschaften, Jagdszenen, Stadtansichten, Architektur und Galantes bis hin zu unverhohlener Erotik. Die Farbpalette reicht von Blau/Weiß – hier finden sich die frühesten Stücke aus der Kangxi-Zeit – über Imari und Kakiemon bis zu „famille rose“ und den bunten Emaillefarben, wie sie vor allem Porzellanmaler aus Delft auf undekoriertes chinesisches Porzellan auftrugen. Eine ganze Anzahl von Stücken präsentiert Schiffe, topographische, mythologische und vor allem religiöse Szenen in Grisaille, also in monochromen Darstellungen, wie sie den gedruckten Vorlagen besonders gerecht wird. Zwei von den vielen herausragenden Stücken sollen hier als Leckerbissen noch erwähnt werden: Das erste ist eine zauberhaft auf den Fond eines Tellers gemalte Walfangszene, ein Kombination nach zwei holländischen Stichen aus dem frühen 18. Jahrhundert und das andere sind Tasse und Untertasse mit einer Art Votivdarstellung eines historisch verbürgten Unglücks, bei dem ein Bauernpaar durch einen wild gewordenen Bullen den Tod fand, während ihr bei diesem dramatischen Anlass geborenes Kind überlebte. Ein Händlerkatalog von allererster Güte.

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