Bambus im alten Japan – Kunst und Kultur an der Schwelle zur Moderne – Die Sammlung Hans Spörry im Völkerkundemuseum Zürich

Autor/en: Martin Brauen
Verlag: Arnoldsche Art Publishers – Völkerkundemuseum Zürich
Erschienen: Stuttgart – Zürich 2003
Seiten: 288
Ausgabe: Hardcover
Preis: Euro –.–
ISBN: 3-89790-190-0
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Ohne das Engagement und den Einsatz privater Sammler wäre die Welt der Museen ungleich ärmer. Das ist unbestritten und doch haben die Museen oft ihre liebe Not mit diesen Sammlern und ihren Schätzen. Inventarisieren, Konservieren und Deponieren – diese musealen Grundtugenden sind dem Sammler eher fremd. Seine Sammlung ist wie ein lebendiges Wesen. Sie wächst, ändert Gesicht und Gestalt, manches wird weggegeben, verkauft, verschenkt, Neues kommt hinzu und wieder anderes wird schlicht verbraucht, benutzt, verschlissen. Museen, die Sammlungen als Nachlaß übernehmen, können ein Lied davon singen. Noch dramatischer wird diese Geschichte, wenn sich Museum und Sammler schon zu dessen Lebzeiten zusammentun, sei es, daß das Museum einen Sammlungsauftrag vergibt oder der Sammler dem Museum seine Sammlung frühzeitig vermacht. Die Bambussammlung des Schweizer Kaufmanns Hans Spörry im Völkerkundemuseum der Universität Zürich, zur Zeit zu sehen in der Ausstellung „aufrecht, biegsam, leer – Bambus im alten Japan“, ist ein Lehrstück über die Schwierigkeiten und Mißverständnisse zwischen Museumsleuten und Sammlern. Dabei begann alles ganz harmonisch. Als Hans Spörry 1890 im Auftrag der Seidenfirma Ziegler & Merian nach Japan aufbrach, hatte er in seinem Reisegepäck eine Desideratenliste des botanischen und pharmazeutischen eidgenössischen Polytechnikums Zürich (heute ETH Zürich) mit dem Thema „Rohmaterial, Objekte und Notizen über die Verwendung des Bambus.“ Sechs Jahre später war daraus eine weltweit einzigartige Sammlung entstanden ebenso wie ein jahrelanger Streit zwischen Spörry und der Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft, der Vorgängerin des Völkerkundemuseums der Universität Zürich. Es ging um Geld, um Verkäufe an andere Museen und schließlich um die Gestaltung und Finanzierung eines Kataloges. Es ist hier nicht der Platz für diese spannende Sammlunggeschichte, die Martin Brauen in dem Katalog lebendig und detailliert beschreibt, und die mit einem Ausspruch des seinerzeitigen Museumsdirektors charakterisiert werden kann: „Es ist überhaupt nichts, wenn Kaufleute Sammlungen machen wollen. Es wäre gescheiter, wenn sie nur das Geld hergäben.“ Nichts kann diese These besser wiederlegen als die Sammlung selbst, die nun nach 80 Jahren wieder der Öffentlichkeit gezeigt wird und die – gut 100 Jahre nach dem ersten, vom Sammler selbst geschriebenen und herausgegebenen Katalog – von einem wunderschönen Katalogbuch begleitet wird. Von den fast 2000 Objekten der Sammlung Spörry werden 460 in schönen Farbabbildungen und sorgfältigen Beschreibungen vorgestellt. Der zentrale Text, „Die Verwendung des Bambus in Japan“ stammt vom Sammler selbst und ist mit Kürzungen und Modernisierungen aus dem alten Katalog übernommen. Er zeigt, daß Spörry über die ihm vorgeworfene „Sammelwut und Bambusfanatismus“ hinaus weit mehr getan hat, als Objekte zusammenzutragen: Spörrys Text ist eine noch heute aktuelle Kulturgeschichte des Bambus in Japan. Da Spörry zu den von ihm gekauften Gegenständen auch detaillierte Informationen sammelte und bewahrte, sind Sammlung und Katalog ein großartiges Dokument des alten Japan, ein Dokument über das Leben und die materielle Kultur Japans im späten 19. Jahrhundert. Dieser umfassende Aspekt wird verständlich, wenn man weiß, daß Bambus für den Japaner, ja in ganz Ostasien fundamentale ethische Werte verkörpert – aufrecht, biegsam leer – und als glückverheißend gilt. Und so sind es nicht nur Objekte aus Bambus, die die Sammlung enthält, sondern auch Gegenstände aus Keramik und Metall, Rollbilder und Textilien und vieles andere mehr. Eine Vielzahl alter Fotografien aus jener Zeit ergänzt diese Darstellung und macht aus Bambus im alten Japan ein wohlgelungenes und für jeden an Japan Interessierten empfehlenswertes Buch (- mb -)

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