Pure Form – Klassische Möbel aus China – Vok Collection

Autor/en: Ignazio Vok, Nicholas Grindley, Florian Hufnagl
Verlag: Edition Vok
Erschienen: Padova 2004
Seiten: 130
Ausgabe: Halbleinen mit Schutzumschlag
Preis: EUR 75.–
ISBN: 3-923185-16-2 (deutsch), 3-923185-17-0 (englisch)
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2004

Besprechung:
Wer je dem ästhetischen Zauber klassischer chinesischer Möbel erlegen ist, wer sich je mit diesen ganz und gar erstaunlichen Juwelen chinesischen Kunsthandwerks beschäftigt hat, der muß sich die Frage gestellt haben, warum diese ästhetisch und handwerklich vollendeten, ungemein materialgerechten und zeitlosen Kunstwerke in einem recht engen Zeitraum von nur wenig mehr als einhundert Jahren entstanden sind. Es ist, soweit man das heute weiß, ziemlich exakt das 17. Jahrhundert, die späte Ming-Zeit also und die ersten Jahrzehnte der Qing-Dynastie. Davor und danach waren chinesische Möbel geprägt durch ihren meist überladenen Dekor, durch farbige Fassung, Lack, Malerei, durch reiche Schnitzerei oder aufwendige Intarsien, oft meisterhaft ausgeführt und doch nur Kunstgewerbe. Wie konnte es geschehen, daß sich in einem von Dekor und Repräsentation geprägten Umfeld eine durch extreme Reduktion und Schlichtheit auszeichnende Kunstform entwickeln und behaupten konnte? Und dies in einer Zeit, die alles andere als blühend und prosperierend war. Schon vor dem Tode des Ming-Kaisers Wanli im Jahre 1620 hatte der Niedergang der Ming-Dynastie begonnen. Verschwendung und Korruption, die Neigung zu Luxus und extravaganten Gebräuchen und Vorlieben hatten das Kaisertum geschwächt und das Reich finanziell und militärisch in eine kritische Lage gebracht. Die Machtübernahme durch die nomadischen Manchu im Jahre 1644 schuf zwar machtpolitisch klare Verhältnisse, doch von einer wirklichen Überwindung der Krise konnte man erst zur Regierungszeit des Kaisers Qianglong (1736-1795) reden. Die Frage nach dem Warum für den Zeitpunkt und die so kurze Blüte klassischer chinesischer Möbel ist bis heute nicht wirklich beantwortet! War es der durch den Ausbau chinesischer Handelsbeziehungen während der Ming-Dynastie erleichterte Zugang zu exotischen Harthölzern aus Indochina? War es vielleicht der bewußte Weg einer geistigen Elite in die ästhetische Immigration in Zeiten politischer Krise? Beides mag zusammengespielt haben. Die Expansion chinesischer Handelsbeziehungen nach Süden während der Ming-Dynastie ist ebenso belegbar wie die erstaunliche Blüte der Schönen Künste in jener Epoche. Letztere ist so offensichtlich, daß man ihr sogar einen dynastieübergreifenden Namen gegeben hat. Der Zeitraum von 1620 bis 1683 ist als „transitionale Zeit“ in die chinesische Kunstgeschichte eingegangen und es ist eine Epoche, in der Dichtkunst und Malerei, in der auch das Kunsthandwerk, der Dekor von Porzellan, von Lack und von Teppichen neue, zuvor nicht erreichte Höhepunkte markiert. Diese transitionale Zeit ist zugleich die Kernzeit des klassischen chinesischen Möbels, das daher als ein ganz typisches Beispiel jener ungemein kreativen Übergangszeit gelten kann. Im Westen blieben diese schlichten Möbel lange unbeachtet. Es waren vor allem Architekten und Designer, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Schönheit und Klarheit klassischer chinesischer Möbel entdeckten und sie zum Vorbild eigener Entwürfe machten. Und es waren amerikanische und einige ostasiatische Sammler und Museen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begannen, diese Möbelkunst zu sammeln. Erst jetzt, am Anfang des 21. Jahrhunderts, widmet sich ein deutsches Museum diesem Zweig chinesischen Kunsthandwerks. Das Museum für Ostasiatische Kunst in Köln zeigt vom 06.11.2004 bis zum 28.03.2005 die Sammlung Ignazio Vok. Die Sammlung wird danach noch in der Pinakothek der Moderne in München, in Kopenhagen und in Ljubljana, dem Geburtsort des Sammlers, zu sehen sein. Das aus diesem Anlaß in deutscher und englischer Sprache erschienene Buch wird in seiner großzügigen Gestaltung und dem klaren Layout – auch hier ist die Handschrift von Ignazio Vok unverkennbar – dem Thema gerecht. Das Buch soll keine Monographie sein (dazu ist auf das auch in deutscher Sprache erschienene, aber seit Jahren vergriffene Buch von Wang Shixiang „Klassische Chinesische Möbel“ oder auf den Orientations-Sammelband „Chinese Furniture“ zu verweisen), sondern ein Katalog einer ganz persönlichen Sammlung, die in 15 Jahren mit Engagement, Kennerschaft und Liebe zusammengetragen wurde. So liegt denn auch der Schwerpunkt ganz bei den Möbeln oder, besser gesagt, bei den 67 Objekten dieser Sammlung. Klassische chinesische Möbel sind nicht nur Schränke und Kabinette, Stühle, Hocker und Bänke, Tische und Betten, sondern dazu gehören auch die kleinen Objekte, die zusammen mit ihnen erst einen Eindruck dieser Wohn- und Lebenskultur vermitteln: Schreibablagen, Spiegelständer, Pinselbecher, Sockel für Weihrauchgefäße, Behältnisse für Schriftrollen und Dokumente, kleine Stellschirme und Halter für Räucherstäbchen. So entsteht das Bild einer Gelehrtenstube, eines Haushaltes, der in seiner anspruchsvollen Schlichtheit, in seiner Konzentration auf Schönheit und Ästhetik wie geschaffen erscheint für gelehrte, geistige Arbeit. Und so waren es wohl auch nicht die berühmten kaiserlichen Werkstätten, die diese schlichten Möbel gefertigt haben, sondern kleinere, nicht minder qualifizierte Betriebe, die im Auftrage eines gehobenen, intellektuellen Bürgertums tätig wurden. Wesentlich für die Schönheit dieser Möbel sind die verwendeten Hölzer, allen voran Huanghuali, ein honig- bis dunkelbraunfarbiges, tropisches Hartholz, das in polierter Form einen unvergleichlichen orange-goldenen Schimmer besitzt oder das berühmte Zitan-Holz, dunkel, schwer, mit jadeartigem Griff, beide heute so gut wie ausgestorben. Die in großem Format abgebildeten Möbel und Gegenstände sind so perfekt ausgeleuchtet und fotografiert und der Druck ist so vorzüglich, daß man das sinnliche Erlebnis, mit den Händen über diese warmen, samtenen Oberflächen zu streichen, fast nachempfinden kann. Zum Begreifen, Erleben und Verstehen dieser schönen Möbel ebenso wie der Sammlung tragen auch der einleitende Text und die begleitenden Kommentare von Ignazio Vok bei. Ebenso wie seine Texte in früheren Katalogen über zentralasiatische Stickereien und über persische und anatolische Flachgewebe sind sie ein Bekenntnis an die Schönheit vollendeten Kunsthandwerks und ein Bekenntnis an den bereichernden Vorgang des Sammelns an sich. „Es ist einfach erregend und beglückend, diese Gegenstände zu finden, sie abzulehnen oder zu begehren, sie anzusehen, sie mit den Händen zu fühlen, sich ihnen zu nähern und sie zu verstehen versuchen, sich Menschen vorzustellen, die sie in ferner Zeit besaßen und gebrauchten, sie dann selbst zu besitzen und sich einfach ihrem Zauber hinzugeben.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Die fachlichen Kommentare, Datierungen und Literaturhinweise stammen von dem Londoner Händler Nicholas Grindley. Florian Hufnagl, Direktor der Neuen Sammlung, schrieb einen launisch-klugen, einleitenden Essay über die Adaption chinesischer Formensprache im Westen und warum klassische chinesische Möbel so lange unbekannt blieben. (Bestelladresse: Maria Vok, Via Cesare Battisti 16, I-35121 Padova, studiovok@hotmail.com. Das Buch ist in deutscher und in englischer Sprache erschienen)

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