Chinese Armorial Porcelain, Volume II

Autor/en: David Sanctuary Howard
Verlag: Heirloom & Howard Limited
Erschienen: Chippenham/Wiltshire 2003
Seiten: 900
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag im Schuber
Preis: 480.– englische Pfund
ISBN: 0-9544-389-0-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2003

Besprechung:
Die Geschichte dieses erstaunlichen und außergewöhnlichen Buches begann vor 30 Jahren – mit dem Erscheinen von „Chinese Armorial Porcelain“, das nun zu Band I wurde. David Howard, der Autor dieses schon damals mit Abstand umfassendsten Buches zum Thema des mit Familienwappen verzierten chinesischen Porzellans dachte zunächst nicht im Traum an einen zweiten Band. Doch in den dreißig Jahren seither hat David Howard beinahe wöchentlich ein zuvor unbekanntes Stück oder Service entdeckt. 1380 neue Entdeckungen zu einem der inte-ressantesten Kapitel des Handels zwischen Ost und West waren dann Grund genug, sie in einem weiteren Buch vorzustellen. Gewiß, dieser Band II ist Fortsetzung und Ergänzung von Band I, aber er ist doch auch eine eigenständige und vollständige Publikation mit einer Ein-führung, mit fast 2000 farbigen Abbildungen hinreißend schönen Porzellans, mit interessanten Registern und Listen und mit wichtigen und lesenswerten Beiträgen zum China-Handel im 18. und 19. Jahrhundert. Dieser China-Handel lag damals fast ausschließlich und monopolartig in Händen der ehrenwerten Ostindischen Handelsgesellschaft. Handelsgüter waren Luxus- und Genußmittel, Seide, Tee, Gewürze und natürlich Porzellan, jenes „weiße Gold“ aus China, Inbegriff des Luxus und begehrt von den Reichen und Mächtigen jener Zeit. Der Erfolg dieser Ostindischen und anderer damaliger Handelskompanien lag in einem ausgewogenen Verhält-nis kapitalistischer, genossenschaftlicher und privater Interessen und Organisationsformen. Die Kapitäne, Offiziere und Supercargos der Schiffe erhielten von der Gesellschaft eher be-scheidene Zahlungen, hatten aber das Recht – und hierfür auch speziell reservierten Fracht-raum -, privaten Handel zu treiben. Wer nun als erster auf die, wie sich zeigen sollte geniale Idee kam, im Auftrage englischer oder schottischer Familien von Manufakturen und Porzel-lanmalern im fernen China Wappenservice herstellen zu lassen, ist nicht bekannt. Jedenfalls begründete dieser clevere Kapitän oder Supercargo im frühen 18. Jahrhundert eine Mode, die bis weit ins 19. Jahrhundert aktuell bleiben sollte und der insgesamt wohl an die 6000 Service zu verdanken sind. Familienporzellan aus China zu besitzen war seinerzeit in besseren Krei-sen nicht nur Mode sondern hatte den Hauch von Abenteuer und das Flair der Exotik. Etwa zwei Jahre lagen zwischen Bestellung und Lieferung und eine 12000 Seemeilen lange Reise voller tückischer und unberechenbarer Gefahren natürlicher, menschlicher und politischer Art. Die private Organisation dieses schwungvollen Handels war Ursache und Garant seines Er-folgs aber auch Grund dafür, daß es keinerlei Aufzeichnungen gibt, weder bei den Akten der Ostindischen Gesellschaft noch in Schiffsregistern und schon gar nicht in China. Die sicher-lich sehr exakten künstlerischen und heraldischen Anweisungen, nach denen die chinesischen Porzellanmaler gearbeitet haben sind, bis auf ein paar glückliche Ausnahmen, alle unterge-gangen. So ist es ein schwieriges Unterfangen, dieses Porzellan anhand der Wappen bestimm-ten Familien zuzuschreiben. Diese Aufgabe, der sich David Sanctuary Howard seit nunmehr einem halben Jahrhundert widmet, verlangt nicht nur detaillierte Kenntnisse der Geschichte, Forschungsarbeit in Archiven, großes Fachwissen in Heraldik und Genealogie, sondern auch eine gute Portion Phantasie und einen beinahe kriminalistischen Spürsinn. Weitere Hilfsmittel für David Howard sind all die Dinge, die wohlhabende Familien jener Zeit ebenfalls gerne mit ihrem Wappen verzierten. Das waren zunächst Bücher oder ganze Bibliotheken, und die vie-len tausend Wappen-Exlibris jener Zeit, deren manche unmittelbar als Vorbild für die Porzel-lan-Maler gedient haben. Zweitens: Wer von chinesischem Porzellan tafelte, hatte in der Re-gel auch eine eigene Kutsche in der Remise stehen, deren Türen üblicherweise das Familien-wappen trugen. Weniger die Kutschen selbst als vielmehr die Vorzeichnungen haben sich glücklich in großer Zahl erhalten. Ähnlich populär wie Porzellan waren schließlich Spielmar-ken aus Perlmutt, die ebenfalls in China hergestellt und mit Wappen versehen wurden, heute eine weitere wichtige Quelle zur Bestimmung der Familienwappen auf chinesischem Porzel-lan. Mit all diesen Quellen und noch vielen mehr ist es dem Autor gelungen, fast alle der heu-te etwa 4000 bekannten wappengeschmückten Porzellanservice einer bestimmten Familie und zumeist auch einer ganz bestimmten Entstehungszeit zuzuordnen. Die Einteilung in Stile und die Bildung von Untergruppen erleichtert nicht nur die Systematik beim Auffinden bestimm-ter Familienwappen, sondern ermöglicht ein Studium der stilistischen Entwicklung chinesi-schen Exportporzellans vom frühen 18. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Im umfangrei-chen Anhang finden sich weitere Hilfen für Sammler, Händler und Museen, um solche Por-zellanteile selbst zu bestimmen, etwa ein Verzeichnis aller der in den Wappen verwendeten Mottos und Sinnsprüche und natürlich einen umfangreichen Gesamtindex. Von mehr soziolo-gischen und sozialgeschichtlichem Interesse sind schließlich die Verzeichnisse von Kapitänen und Schiffseignern, von Vorständen und Direktoren der Handelskompanien und statistische Aufstellungen über Status und Beruf der Porzellan-Käufer oder über ihre geographische Her-kunft. Alles in allem ein wahrhaft erstaunliches Buch, das mit einer kaum fassbaren Fülle an Wissen und Information Heraldik und Genealogie mit der Ästhetik von chinesischem Export-Porzellan verbindet, eine Hommage an die Geschichte der bedeutendsten Handelsgesellschaft aller Zeiten und ein Denkmal des China-Handels im 18. Jahrhundert. Ein Buch nicht nur für den Liebhaber schönen Porzellans und den Sammler dieser feinen Kunstwerke, sondern auch für den Freund der Genealogie und für jeden, der an Geschichte und sozialhistorischen The-men interessiert ist. (- mb -)

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