Schätze der Himmelssöhne – Die Kaiserliche Sammlung aus dem Nationalen Palastmuseum, Taipeh

Autor/en:
Verlag: Hatje Cantz Verlag
Erschienen: Ostfildern-Ruit 2003
Seiten: 472
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: EUR –.–
ISBN: 3-7757-1318-2
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Unter den großen Kunstsammlungen der Welt ist die Sammlung der Kaiser von China, deren wesentlicher Bestand heute im National Palace Museum in Taipeh verwahrt wird, wahrlich einzigartig. Einzigartig nicht nur weil es die weltweit umfangreichste und kostbarste Sammlung chinesischer Kunst ist, sondern weil sie auf eine durchgehende Tradition von mehr als tausend Jahren zurückblicken kann. Sie könnte sogar noch älter sein. Schon aus den frühen Dynastien der Han, der Sui und der Tang ist bekannt, daß die Kaiser den Künsten zugetan waren und große Sammlungen anlegten. Doch wesentliche Teile ihrer Sammlungen nahmen sie mit in die Gräber, wo sie dann Grabräubern zum Opfer fielen, im besten Fall von Archäologen entdeckt wurden oder noch heute in der Erde liegen. Erst die Kaiser der Sung-Dynastie (960-1127) legten gezielt den Grundstock der heutigen kaiserlichen Sammlung. Es war dies eine Zeit, in der neben der Malerei auch das Porzellan oder die Seidenwirkerei (K´o-ssu) eine frühe Blütezeit erlebten. Kaiser Hui-tsung (1101-1125), leidenschaftlicher Mäzen der Künste und der Archäologie, ließ bereits im 12. Jahrhundert einen ersten Katalog der kaiserlichen Sammlungen anlegen. Erheblichen Zuwachs erfuhren die Sammlungen dann unter den Kaisern der Ming-Dynastie. Aus Aufzeichnungen weiß man, daß in dieser Zeit etwa 2 Millionen Stück Porzellan für den Hof gefertigt wurden. Auch wenn die Masse davon für den täglichen Bedarf hergestellt war, fanden von diesen Millionen doch noch zigtausende in die kaiserlichen Sammlungen. Der berühmteste unter den kaiserlichen Sammlern aber war zweifellos der Mandschure Ch´ien-lung, geboren 1711, Kaiser von 1736 bis 1795, selbst ein begabter Maler und Kalligraph, der die Sammlungen in unvorstellbaren Ausmaß mehrte. In seinem Auftrag arbeitete etwa der italienische Jesuit und Maler Giuseppe Castiglione (1688-1766), der unter dem chinesischen Namen Lang Shi-ning eine meisterhafte Synthese klassischer chinesischer und europäischer Malstile erreichte. Im 19. Jahrhundert begann mit dem Niedergang der Ch´ing-Dynastie auch der Zerfall der Sammlung. Die Plünderung des Sommerpalastes durch Franzosen und Engländer im Jahre 1860 und die Wirren des Boxeraufstandes, der auch vor der Verbotenen Stadt nicht Halt machte, hatten wesentliche Verluste zur Folge. Nicht zuletzt begann auch die kaiserliche Familie aus Geldnot mit massiven Verkäufen aus der Kunstsammlung. So gesehen war der Sturz der Dynastie im Jahre 1911 ein Segen für die Sammlung, die nach langjährigen juristischen Auseinandersetzungen mit dem abgesetzten Kaiser P´u-yi schließlich 1925 als Bestand des Palastmuseums zum Symbol des Staates erhoben wurde. Auf 700.000 Objekte wird die Sammlung heute geschätzt, ein einzigartiges Vermächtnis einer der ältesten und reichsten Kulturen der Weltgeschichte. Ca. 400 ausgesuchte Beispiele sind in einer Ausstellung in Berlin (Altes Museum, bis 12.10.03) und in Bonn (Kunst- u. Ausstellungshalle der BRD, 21.11.03 bis 15.02.04) und in dem dazu erschienenen Katalogbuch zu sehen. Es sind berühmte Gemälde und Kalligraphien alter Meister, seltene Siegel, kostbare Porzellane, archaische Ritualbronzen und Jadeschnitzereien, darunter Werke, die noch nie im Ausland zu sehen waren: frühe Buchdrucke, Tapisserien, Lackarbeiten, Cloisonnée, Holzschnitzereien und kunstvolle Sammelkabinette im Miniaturformat. Die Essays chinesischer und deutscher Wissenschaftler behandeln die verschiedenen Kunstgattungen, darunter Malerei, Jade, Bronze Kalligraphie und Porzellan und die Geschichte der kaiserlichen Sammlung, die nach der Erklärung zum Nationalschatz eine abenteuerliche Fortsetzung fand. Unter dem Bombenrisiko des chinesisch japanischen Krieges wurde die Sammlung sorgfältig in 20.000 hölzerne Kisten verpackt, in Schanghai und später in verschiedenen Städten im Süden Chinas eingelagert. Oft entging sie japanischen Bombenangriffen nur mit knapper Not. Eine neue Gefahr drohte dann ab 1947 von den Angriffen der kommunistischen Partei und so gelangte schließlich ein wesentlicher Teil der Sammlung nach Taiwan, wo sie nach weiteren Irrfahrten 1965 im neu errichteten National Palace Museum in Taipeh eine neue Heimat fand. Dieser allerletzte Teil der Odyssee wird allerdings diplomatisch ausgespart, ist er doch ein äußerst heikles Thema im aktuellen chinesischen Bruderzwist zwischen Beijing und Taipeh, ein Thema, das über des Reizwort „Beutekunst“ weit hinausgeht. Die kaiserliche Sammlung hat als bedeutender Kontinuitätsfaktor von Dynastie zu Dynastie einen starken symbolischen Charakter für Politik und Kultur Chinas. Sammeln und Sammlung sind traditionell Ausweis der legitimen Herrschaft der Dynastie, und die Übernahme der Sammlung vom Vorgänger ein äußeres Zeichen für die Fortführung des Himmelsmandats. Eine Lösung dieses Problems ist nicht in Sicht. Umso dankbarer dürfen wir sein, daß ein kleiner aber wichtiger Teil der Sammlung, quasi als Essenz der Kunstgeschichte Chinas nun in Deutschland zu sehen ist und in einem opulenten Katalogbuch über das Ende der Ausstellungen hinaus festgehalten wurde. Es versteht sich, daß alle Exponate sorgfältig beschrieben und farbig abgebildet sind und daß ein vollständiger Anhang, der neben Glossar und Literaturverzeichnis auch Übersetzungen der Bildaufschriften, Briefe und Gedichte enthält, das Werk zu einem wichtigen Handbuch chinesischer Kunst abrundet. (- mb -)

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