Snuff Bottles – Kostbarkeiten chinesischer Kleinkunst

Autor/en: Jürgen Ludwig Fischer
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2002
Seiten: 312
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
ISBN: 3-7774-9580-8
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
„Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“, dieser wohl meistzitierte Satz des Bundesgesundheitsministers erscheint uns als eine Erkenntnis der letzten Jahrzehnte. Falsch: Nachdem dieses Genussmittel in der Neuen Welt entdeckt worden war – Kundschafter des Columbus berichteten von Männern und Frauen mit tabacos, „mit glühenden Kohlen in den Händen, die von wohlriechenden Kräutern in Brand gehalten wurden“ – folgten Jahrhunderte weit verbreiteter Ächtung des Tabakrauchens. Die anfangs behauptete medizinische Wirkung – Tabak galt zunächst als Mode-Allheilmittel gegen Zahn- und Kopfschmerzen, aber auch gegen Kolik, Gicht und Pest – wurde sehr bald von Kirche und Staat angezweifelt und bis ins 19. Jahrhundert überwog die Befürchtung körperlicher Schäden. Verbote gegen das Tabakrauchen, gegen den Anbau von Tabakpflanzen, drakonische Strafen gegen den Genuss dieses Höllenwerks, etwa der Verlust des Nase (Dekret des russischen Zaren, 1634) oder gar des Lebens (Sultan Amurat IV, 1610), waren an der Tagesordnung. Der raschen Verbreitung des Genussmittels durch Seefahrer, Kaufleute und durch die Soldaten im dreißigjährigen Krieg, konnte das alles nichts anhaben. Die Erfindung der Tabaksteuer aus dem Bestreben, das Laster einzudämmen, brachte schließlich den Durchbruch. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert ergaben sich mehr und mehr alle Regierungen den immens steigenden Einnahmen aus dieser Steuer und niemand musste mehr um seine Nase oder sein Leben fürchten. Eine Sonderstellung hatte von Anfang an die Prise eingenommen, der Schnupftabak, den die Spanier, Franzosen und Portugiesen als selbständiges Genussmittel erfunden hatten. Dieser mahlfein zerriebene, nass vergorene und mit allerlei Spezereien versehene Tabak von eigenartigem Geruch und Geschmack, zunächst Spaniol genannt, wurde wohl schon gegen Ende der Ming-Dynastie von portugiesischen Seefahrern nach China gebracht, wurde dort zu einem modischen Genussmittel am Hofe der ersten Kaiser der mandschurischen Qing-Dynastie, verbreitete sich im 18. Jahrhundert innerhalb der wohlhabenden und gebildeten Kreise in China, um dann im 19. Jahrhundert auch breite Bevölkerungskreise zu erreichen. Dieser Siegeszug des Schnupftabaks in China, die Neigung der Chinesen, sich an schönen Dingen leidenschaftlich zu erfreuen und die grandiosen künstlerischen Fähigkeiten chinesischer Handwerker ließen mit den Schnupftabakfläschen, den Snuff-Bottles, eine einzigartige Kleinkunst in China entstehen. Vor allem der kunstbegeisterte und an neuen Kunsttechniken interessierte Kaiser Kangxi (1662-1722) und seine legendären Kunstwerkstätten im kaiserlichen Palast dürften die Geburt eines Sammelobjektes markieren, das zunächst in China, heute aber vor allem im Westen Sammlerherzen höher schlagen lässt. Ausstellungen, Auktionen und sensationelle Preise für außergewöhnliche Stücke, vor allem, wenn sie den kaiserlichen Werkstätten zugeschrieben werden können, zeigen die zunehmende Wertschätzung von Snuff Bottles. Gefehlt aber hat es bis jetzt an kompetenter Fachliteratur. Auktions-, Händler- und Ausstellungskataloge bringen zwar reiches Anschauungsmaterial, sind aber in ihren sachlichen Informationen oft zu knapp, zu einseitig und oft genug auch falsch. Mit dem grandiosen Buch –über Snuff Bottles von Jürgen Ludwig Fischer, für das Ausgaben in englischer und in chinesischer Sprache geplant sind, liegt nun ein Standardwerk vor, wie es besser und umfassender nicht sein kann. Die Geschichte von Tabak und Schnupftabak, die wechselhafte Entwicklung des Rauchens und Schnupfens, Rezepturen und wirtschaftliche Bedeutung bis heute leiten über zur eingehenden Darstellung der Geschichte des Snuff Bottles von der sogenannten mythologischen (Shenmiqi, 1644-1684) über die Kaiserliche oder Palastperiode (Gongtingqi, 1684-1740), die Elitäre Periode (Shangliuqi, 1740-1780) bis zur Populären Periode (Dazhongqi, 1780-1912), mit deren Ende und dem Untergang der Qing-Dynastie das Tabakschnupfen fast schlagartig aus der Mode kam. Es folgen, eingeteilt nach den Materialien der Snuff Bottles, also nach Glas, Porzellan, Metall, Mineralien und organischen Stoffen, Beschreibungen der Herstellungs- und Dekortechniken, die an Vollständigkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Bemerkenswert sind vor allem die zahlreichen tabellarischen Übersichten über die Häufigkeit der jeweils vorkommenden Materialien, Muster und Motive, Übersichten über die Maltechniken bei Glas und Porzellan, Auflistungen der namentlich bekannten Künstler sowie Marken- und Formenkataloge, die dem Sammler und Liebhaber eine Einordnung und Katalogisierung der eigenen Schätze ermöglichen. Das allein mehr als 50 Seiten umfassende und reich mit Zeichnungen versehene Glossar ist schließlich ein weit über die Snuff Bottles hinaus führendes und unentbehrliches Nachschlagewerk für Begriffe, Symbole und Motive chinesischer Kunst. Die mehr als 400 in Farbe abgebildeten Snuff Bottles, meist aus privaten Sammlungen, und nie zuvor veröffentlicht, sind ein überzeugender und faszinierender Beleg für die Virtuosität und Kreativität chinesischen Kunsthandwerks während der Qing-Dynastie. Snuff Bottles, wie sie hier gezeigt werden, sind eine urchinesische Kunstform, woran auch die irdenen oder gläsernen Schnupftabakfläschchen aus dem Bayerischen Wald, vom Autor etwas abschätzig als regional-folkloristische Ausnahme bezeichnet, nichts ändern. Als Kuriosität sei zum Schluss noch angemerkt, dass der heutige Weltmarktführer für Schnupftabak seinen Sitz im bayerischen Landshut hat.

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