Catalogue of the Late Yuan and Ming Ceramics in the British Museum

Autor/en: Jessica Harrison-Hall
Verlag: The British Museum Press
Erschienen: London 2001
Seiten: 640
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 175.– (später: 200.–) engl.Pfund
ISBN: 0-7141-1488-X
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Die Geschichte des Ming-Porzellans, jenes vielleicht symbolträchtigsten und weltweit bekanntesten Produktes aus dem alten China, beginnt mit den Mongolen und ist zunächst die Geschichte vom Zerfall eines Weltreiches. Im Jahre 1280 – längst erstreckte sich das Mongolenreich über das ganze westliche Asien bis nach Osteuropa – eroberten die Mongolen, die zuvor schon die chinesischen Xia und Jin eingenommen hatten, die südlichen Song und begründeten die Dynastie der Yuan (1280 – 1368). Es war der Anfang vom Ende dieses nomadischen Weltreiches. Die Nomadenkaiser der Yuan verlegten ihre Hauptstadt von Karakorum nach Khanbalik, dem heutigen Peking, sie adaptierten chinesische Bräuche und chinesische Kultur und sie revolutionierten auch ihre Eßgewohnheiten. Die gewaltigen Platten und Weinkrüge der späten Yuan-Zeit, Ausgangspunkte mingzeitlicher Porzellankultur, sind ein Zeugnis der Wandlung vom Reitervolk zu seßhaften Genießern. Machtmißbrauch und Korruption, Rebellion und Regierungsschwäche brachten das Ende. Zhu Yuangzhen stürzte 1368 das Regime der Mongolen und begründete als Kaiser Hongwu die rein chinesische Dynastie der Ming. Es sollte die glorreichste Zeit der chinesischen Geschichte werden, ein knapp dreihundert Jahre währendes goldenes Zeitalter chinesischer Herrschaft über China, eine Zeit, die dem Land Frieden, Stabilität und Wohlstand bescherte. Die Künste erlebten eine ungeahnte Blüte; mit der verbotenen Stadt und dem Himmelstempel entstanden Weltwunder der Architektur; Malerei und Literatur erreichten Höhepunkte und Jingdezhen, lange schon die Stadt mit den meisten Porzellanöfen, entwickelte sich zum ersten industriellen Zentrum der Welt. Weltoffenheit, internationale Diplomatie und ein intensiver Handel mit der ganzen damals bekannten Welt prägten die Ming-Zeit, und das Porzallen spielte dabei eine dominierende Rolle. Es war auch die Zeit als erstamls in größeren Mengen chinesisches Porzellan Europa erreichte, die Begehrlichkeit der Herrschenden weckte und dabei half, die Chinamode zu begründen. Diese wiederum ist Grundlage der Sammlung chinesischen Porzellans im British Museum, mit über 7000 kompletten Stücken, von den vielen Scherben gar nicht zu reden, eine der größten der Welt. Die Bestände an Ming Porzellan im Schrein von Ardebil oder im Topkapi Museum mögen umfangreicher und durch ihre Geschichte und die Konzentration auf großformatige Stücke wohl auch spektakulärer sein, in ihrer Breite aber ist die über 900 Stücke aus der Ming Zeit umfassende Sammlung des British Museum, die in dem vorliegenden Bestandskatalog zum ersten Mal in vollem Umgang veröffentlicht wird, einzigartig. Das Buch ist damit das vollständigste Kompendium mingzeitlicher Keramik auf dem Buchmarkt und für Sammler und Liebhaber ein unentbehrliches Standardwerk. Alle Qualitäten und Provenienzen sind vertreten und jedes einzelne Stück ist sorgfältig abgebildet und beschrieben. Die schiere Zahl von 1025 farbigen Abbildungen mag den enormen Umfang des Inhalts umreißen, doch es ist nicht die große Zahl, die beeindruckt, sondern die Qualität und Breite dieser Sammlung. Stücke von größter Seltenheit wie etwa der in seiner Form tibetischen Zeremonialkannen nachempfundene, weißglasierte Krug, wie ihn Kaiser Yongle (1403-1424) bei öffentlichen Trauerzeremonien für seine verstorbenen Eltern benutzte oder eine runde Deckeldose mit Chenghua-Marke (1465-1487), weltweit das einzige bekannte Exemplar mit türkisfarbigem Drachen auf dunkelblauem Grund, finden sich neben irdenen Transportkrügen oder Kraak-Porzellan aus der 1643 im südchinesischen Meer gesunkenen uns von Captain Michael Hatcher entdeckten und geborgenen Dschunke. Diese wenigen spotlights aus der eindrucksvollen Sammlung müssen hier genügen, denn auch die begleitenden Texte und die Beiträge im umfangreichen Anhang dürfen nicht unerwähnt bleiben. Den zwanzig Kapiteln des eigentlichen Kataloges, chronologisch geordnet nach den siebzehn Ming-Kaisern und ergänzt um Kapitel über ausgefallene Porzallane, große Figuren sowie Grab- und Baukeramik, ist zunächst eine kurze Geschichte der Ming-Dynastie vorangestellt. Es folgt ein Essy über Jingdezhen, jenen Ort mit den großen Kaolin- und Kobaltvorkommen, in dem seit mehr als tausend Jahren Porzellanöfen in Betrieb sind. In dem Beitrag über Ming-Porzellan in Handel und Diplomatie lesen wir wie Kaiser Yongle seinen muslimischen Admiral Zheng He mit gewaltigen Flotten bis an die Ostküste Afrikas schickte und wie chinesische Staatsgeschenke die mamlukischen Sultane in Kairo, den Dogen von Venedig, Lorenzo Medici und Isabella von Spanien erfreuten. Das gesellschaftliche Leben der Ming-Zeit, von den Spielen der Kinder über die Freizeitvergnügen Erwachsener bis zu den Grabritualen konfuzianischer Edler, wie es sich aus den Dekoren der Porzellane erschließt, wird ausführlich dargestellt. Der Anhang schließlich enthält nicht nur Zeittafeln, Karten und Markenübersichten, sondern befasst sich in lesenswerten Beiträgen auch mit Fälschungen, mit Restaurierung und Konservierung, enthält Zusammenstellungen archäologischer Grabfunde der letzten dreißig Jahre sowie der bis herute auf dem Meeresboden gefundenen Schiffswracks mit Porzellanladungen und – last not leat – eine Hommage an die etwa 90 großzügigen Sammler, ohne deren Schenkungen die einzigartige Sammlung von Ming-Porzellan im British Museum nicht hätte entstehen können.

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