Radiant Stones, Archaic Chinese Jades (1) – The Language of Adornment, Chinese Ornaments of Jade, Crystal, Amber and Glass (2)

Autor/en: Filippo Salviati
Verlag: Myrna Myers
Erschienen: Paris 2000 (1) und 2002 (2)
Seiten: je 152
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: je US-$ 60.–
ISBN: 962-7956-23-6 (1), 2-9518836-0-9 (2)
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2004

Besprechung:
Aus der Sicht des Westens sind Seide, Lack, Bronze, Porzellan und schließlich Jade diejenigen Materialien, die der chinesischen materiellen Kultur ihren prägenden Ausdruck verleihen. Kostbarkeiten aus ersten vier Stoffen sind allerdings das Ergebnis komplizierter Verfahren und sie durchliefen vielfältige chemische oder physikalische Prozesse, bis schließlich das Endprodukt vorlag, das mit den eigentlichen Ausgangsstoffen nichts mehr gemein hat. Ganz anders Jade: Jade ist und bleibt immer Jade. Die Bearbeitung dieses Rohstoffs hat nur das Ziel, etwas zum Vorschein zu bringen, was schon immer in ihm vorhanden war. Vielleicht ist es das, was Jade in China von den frühesten Anfängen der chinesischen Kultur zu einer bis heute unangefochtenen Sonderstellung verholfen hat, die Möglichkeit, aus einem dunklen, opaken Steinbrocken ein strahlendes, leuchtendes Objekt zu machen. Was kann es faszinierenderes geben, als aus einem in der Tiefe der Erde verborgenen Mineral ein verborgenes, inneres Strahlen zu wecken, den Kontrast zwischen Dunkelheit und Licht aufzulösen und dem leblosen Material eine neue Bedeutung zu geben. Nicht von ungefähr ist Jade daher in China Symbol des mythischen qi, Symbol der ursprünglichen, kosmischen Energie. An diesem Symbolgehalt von Jade, an der Zuschreibung magischer Fähigkeiten und Kräfte, hat sich in China von den Anfängen chinesischer Kultur im späten Neolithikum bis heute nichts geändert. Allerdings ist der ästhetische Aspekt dieses schönen Materials, seine Eignung als Schmuck, gegenüber seiner zunächst wohl ausschließlich mythischen Bedeutung und rituellen Funktion im Laufe der Geschichte mehr und mehr in den Vordergrund gerückt. Die beiden Bände der Pariser Galeristin Myrna Myers über frühe chinesische Jade und über chinesischen Schmuck aus Kristall, Bernstein und Glas, vor allem aber aus Jade, lassen diese Entwicklung nacherleben und ergänzen sich daher ideal. Der schon vor vier Jahres erschienene Katalog „Radiant Stones“ behandelt vorwiegend archaische rituelle Jadeobjekte vom Neolithikum bis zur Dynastie der westlichen Jin (262-317 AD), während „Language of Adornment“ zwei Jahre später einen deutlichen Akzent bei höfischen Schmuckobjekten aus der Liao-Dynastie (907-1125 AD) setzt und schließlich bis in die Qin-Dynastie reicht. 146 Objekte aus Jade, geheimnisvolle Kongs, Ritualäxte, Bi-Scheiben und zauberhafte Drachendarstellungen, werden ergänzt durch 134 Schmuckobjekte, wobei die Grenzen zwischen reinem Schmuck und Objekten mit ritueller Zweckbestimmung fließend sind. Das ist verständlich, sind doch die meisten der 280 Objekte Grabbeigaben, persönliche Gegenstände, die den Verstorbenen in der jenseitigen Welt schützen und begleiten sollen. Zwei Vorzüge und Besonderheiten des Katalogduos verdienen es, hervorgehoben zu werden: Einmal ist es die anschauliche Darstellung der ikonographischen Entwicklung der Jadeobjekte von einer archaisch monumentalen Formensprache über die elegante Ornamentik der frühen Kaiserreiche zur vielfachen Adaption des nomadischen Tierstils bis zur verfeinerten Ästhetik der beiden letzten Dynastien. Zum Anderen sind es die Überlegungen zur „language of Adornment,“ zur Sprache des Schmucks, aus der Feder des römischen Archäologen und Jadespezialisten Filippo Salviati, der die Texte für beide Kataloge verfaßt hat. Schmuck, so schreibt Salviati – und das gilt für die frühen Objekte genauso wie für Schmuck aus späterer Zeit – war gerade in China immer ein Mittel, bestimmte Botschaften zu übermitteln. Die streng organisierte, politische und soziale Hierarchie Chinas benutzte Material, Motiv und Ornament als eine Sprache, die man sehen, lesen und interpretieren kann. Schmuck vermittelte weit über seine ästhetische Bedeutung hinaus eine präzise Botschaft. Querverweise zu anderen Erscheinungsformen chinesischer Kunst und schließlich zur chinesischen Schrift, die ihre Botschaft ebenfalls durch Bilder vermittelt, die es zu entschlüsseln gilt, runden den Essay über die Sprache des Schmucks zu einem lesenswerten und wichtigen Beitrag zur Kultur Chinas.

Print Friendly, PDF & Email