Mönche, Monster, Schöne Damen – Japanische Malerei, Buch- und Holzschnittkunst des 16. bis 18. Jahrhunderts

Autor/en: Stephan Graf von der Schulenburg
Verlag: Gebr. Mann Verlag
Erschienen: Berlin 2000
Seiten: 460
Ausgabe: fest gebunden mit Schutzumschlag
Preis: DM –.–
ISBN: 3-7861-1605-9
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
In den späten Zwanzigern und Anfang der Dreißiger Jahre erwarb der damalige deutsche Botschafter Dr. E. A. Voretzsch bei Antiquaren in der Umgebung von Kyoto eine kleine Bibliothek von japanischen Handschriften, die, als die Stadt Frankfurt im Jahre 1959 seine umfangreiche ostasiatische Sammlung ankaufte, als großzügige Dreingabe mit ans Mainufer gelangte. Ungefähr die Hälfte der Bücher waren illustrierte Manuskripte, die bis dahin außerhalb Japans kaum jemand je gesehen hatte. Geschützt in ihren maßgearbeiteten braunen und schwarzen Lackkästchen lagen sie seither in den Regalen des Museums und warteten auf Besucher, die etwas mehr Zeit als gewöhnlich mitbrachten und die Treppen zu den oberen Stockwerken nicht scheuten. Es waren nur Wenige. Japanische Kunstkenner ebenso wie westliche Experten betrachteten bis vor wenigen Jahrzehnten narrative Bildrollen und Manuskripte, die nach der „klassischen“ Ära, der Heian- und Kamakura-Zeit (794 – 1333) entstanden waren, als minderwertige und vulgäre Werke. Sie waren nicht rustikal genug, um als naiv oder als Volkskunst zu gelten und nicht fein genug gemalt um als hohe Kunst geschätzt zu werden. Das nun vorliegende Katalogbuch dieser „nara ehon“ (Nara Bilderbücher), ergänzt um weitere Werke japanischer Malerei und Buchkunst aus dem Frankfurter Museum für Angewandte Kunst, stellt diese Sammlung zum ersten Male der Öffentlichkeit vor und gilt in Fachkreisen als Pionierarbeit. Den Schwerpunkt bilden 25 größtenteils mehrbändige Sets dieser „nara ehon“, farbig illustrierte Manuskripte des späten 16. bis frühen 18. Jahrhunderts mit populären Legenden und Geschichten, die das höfische Leben, Episoden aus der Welt der Handwerker und Kaufleute, Tempelgründungsmythen oder auch die Sphäre der Geister und Dämonen zum Thema haben. Es sind teils außerordentlich kostbar, manchmal auch mit volkstümlicher Freiheit und Spontaneität gestaltete Bücher. Ihnen zur Seite gestellt ist eine außerordentlich qualitätvolle Gruppe von Fächerbildern mit literarischen Sujets aus dem späten 16. und 17. Jahrhundert, Dichterportraits des 17. Jahrhunderts, prächtige Einzelblattkompositionen des 17. und 18. Jahrhunderts, ein frühes edo-zeitliches Album mit Gedicht-Exzerpten und Illustrationen aus zwei höfischen Romanen der Heian-Zeit, sowie ein prächtiger Stellschirm (1. Hälfte 18. Jh.), der eine Frühlinglandschaft mit Genreszenen zeigt. All diesen Bildern gemein ist die Malweise des „yamato-e“, ein spezifisch japanischer Malstil, der sich im 9. Jahrhundert aus chinesischen Wurzeln heraus entwickelte und der nahezu ein Jahrtausend die japanische Malerei geprägt hat. Kennzeichen des „yamato-e“ sind kräftige, leuchtende Farben, lebendige figürliche Szenen in überwiegend linearer Darstellung und oft von maskenhafter Stilisierung, wie auch poetische Landschaften mit an den Naturformen Japans orientierten grünen rollenden Hügeln – im Gegensatz zum eher zerklüftet-felsigen Erscheinungsbild von Naturdarstellungen in China. Typisch sind vor allem die geringe, „hochgeklappte“ Tiefenerstreckung und – genialer Kunstgriff einer erzählenden Malweise – das „fortgeblasene“ Dach, das den Blick in jeden Winkel des japanischen Lebens freigibt. So gewinnen wir nicht nur einen Eindruck der japanischen Bildkunst der Momoyama (1573 – 1603) und früheren Edo-Zeit (ab 1603) sondern erfahren tiefe Einblicke in das Japan des 16. bis 18. Jahrhunderts. Es ist dies in Japan eine Epoche der Friedens und der Prosperität, die vom Aufstieg der gesellschaftlich ganz unten angesiedelten Stände der Kaufleute und Handwerker zu einer wirtschaftlich und zunehmend auch kulturell dominierenden Schicht geprägt ist. Dem steht nicht entgegen, daß die illustrativen Inhalte der „“nara ehon““ dem höfischen Leben der „klassischen“ Heian-Zeit (794 – 1185) entlehnt sind, daß die Taten von Helden und Sagenfiguren aus grauer Vorzeit gefeiert, oder daß immer wieder die „Geschichte vom Prinzen Genji“, jenes Meisterwerk der Hofdame Marasaki Shikibu aus dem frühen 11. Jahrhundert, erzählt wird. Ein äußerst wichtiges Buch über die japanische Malerei, das noch abgerundet wird durch eine Gruppe früher Holzschnitte (17./18. Jh.), schnell und spontan für den Alltagsgebrauch geschaffener Blätter, die einen Eindruck von der im 17. Jahrhundert aufblühenden städtischen Kultur vermitteln und in die gänzlich im Diesseits verhaftete, hedonistische Welt der Flaneure zwischen Theater, Straße und Bordell entführen. (- mb -)

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