Korea – Die Alten Königreiche

Autor/en: Roger Goepper, Jeong-hee Lee-Kalisch
Verlag: Hirmer-Verlag
Erschienen: München 1999
Seiten: 396
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: DM 98
ISBN: 3-7774-8220-X
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 1999

Besprechung:
Tigerstaat oder „Land der Morgenstille“? Fernöstliche Autoschmiede oder ostasiatische Hochkultur? Im Bewußtsein der westlichen Öffentlichkeit verbindet sich Korea weit mehr mit den erstgenannten Begriffen. Die industrielle und wirtschaftliche Bedeutung Koreas sind in Europa ungleich bekannter als seine fünftausendjährige Geschichte und die Tatsache, daß sich im Spannungsfeld zwischen China und Japan eine eigenständige Hochkultur entwickelt und bis heute erhalten hat, die in mancher Hinsicht ihre Vorbilder sogar übertrifft. Wegen seiner geographischen Lage als Halbinsel im Osten des asiatischen Festlandes hat Korea zu allen Zeiten seine Nachbarn China und Japan eingeladen, es als Brücke für Immigration, für politische Einflüsse und für kulturelle Vermittlung zu nutzen. Die ethnisch und linguistisch mehr den nordasiatischen Völkern verbundenen Einwohner der koreanischen Halbinsel rezipierten Einflüsse des chinesischen Nachbarn und vermittelten diese nach Japan. Stets aber bewahrten und entwickelten die Koreaner trotz dieser Inspirationen ihre unver­wechselbar eigene Kultur. Diese wird zur Zeit in einer hochrangigen Ausstellung in der Villa Hügel in Essen (05.06. bis 17.10.1999), anschließend in der Hypo-Kunsthalle in München und dann im Züricher Rietberg-Museum und natürlich in dem dazu erschienenen Katalogbuch gezeigt. „Schama­nen – Buddhas – Literaten“ sind die thematischen Schwerpunkte der Präsentation und dahinter stehen die drei Glaubensrichtungen, die sich als Staatsreligionen und Staatsideologien in den korea­nischen Königreichen ablösten. Der in Nord- und Zentralasien wurzelnde Schamanismus ist die koreanische Urreligion und er prägt die Zeit vom Neolithikum über die Bronze-Zeit bis zur Periode der Drei-Reiche (bis 668 n.Chr.). Goldschmuck und Goldgerät höchster technischer und dekorativer Vollendung aus Königs- und Adelsgräbem sind hier der Höhepunkt von Ausstellung und Katalog. Eindrucksvolle Masken und Ritualgeräte aus jüngerer Zeit zeigen schließlich, daß im koreanischen Volk die schamanistischen Vorstellungen bis heute lebendig blieben. Im 6. Jahrhundert gelangte dann der Buddhismus nach Korea und war in der Shilla- (669 bis 918) und in der Koryo-Dynastie (918 bis 1392) Staatsreligion. Neben bedeutenden Plastiken aus Bronze und Stein sind aus dieser Zeit zwei Bereiche hervorzuheben, in denen koreanische Handwerker und Künstler die technischen und formalen Grundlagen wohl aus China übernahmen, jedoch durch handwerkliche Verfeinerung und künstlerische Genialität einsame Höhepunkte ostasiatischer Kunst und Kultur schufen. Das ist einmal die Druckkunst, hier weniger der schon 200 Jahre vor Gutenberg praktizierte Druck mit beweglichen Metallettern, als vielmehr der Blockdruck der in Korea bis auf das achte Jahrhundert zurückgeht. 80.000 hölzerne Druckplatten aus dem 13. Jahrhundert, verwahrt in einem Tempel bei Taegu, sind ein auf der Welt einzigartiges Dokument frühester High-Tech. Das ist aber vor allem die Seladon-Keramik der Koryo-Dynastie, das Steinzeug, das den Übergang von irdener Ware zum Porzellan darstellt und von dessen jadeartiger Glasur eine einzigartige Faszination ausgeht. Korea­nische Handwerker kreierten mit dieser Keramik nicht nur einen neuen, nie zuvor gesehenen Formenreichtum sondern sie erfanden auch eine einzigartige keramische Einlagetechnik, die diese Keramik der Koryo-Periode so unverwechselbar macht. Die vom Buddhismus geprägte Koryo-Zeit wurde abgelöst von der Choson-Dynastie (1392 bis 1910), einer puritanisch konfuzianischen Beamtenherrschaft. Die Gegensätze zwi­schen der eleganten verfeinerten Seladon-Keramik der Ko­ryo-Zeit und der kraftvoll-robusten, oft rustikalen Keramik der frühen Choson-Zeit belegen deutlich den Unterschied. Im weiteren Verlauf der Choson-Zeit jedoch, im 17. und 18. Jahrhundert verhalf die Oberschicht der Literaten den intel­lektuellen Kunstformen der Malerei, der Kalligraphie, der Musik und der Literatur zu einer Blüte, die diese letzte Peri­ode koreanischer Kunst und Kultur kennzeichnet. Mehr als 200 Objekte höchster Qualität von 26 koreanischen Leihge­bern, Museen, Palastsammlungen, Klöstern und von privaten Sammlern, zum großen Teil als nationale Schätze eingestuf­te Kunstwerke, die Korea zuvor noch nie verlassen haben, vermitteln einen Eindruck einer der ältesten und bedeutendsten Kulturen Ostasiens, wie er besser nicht sein kann. Begleitende Essays namhafter koreanischer und europäischer Wissenschaftler werden dem Katalog­buch für viele Jahre seinen Platz als die grundlegende Veröffentlichung zum Thema koreanischer Kunst und Kultur bewahren.

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