Angkor – Before and After: A Cultural History of the Khmers

Autor/en: David Snellgrove
Verlag: Orchid Press
Erschienen: Bangkok 2004
Seiten: 268
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 60.–
ISBN: 974-524-041-9
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2005

Besprechung:
Es gibt sie noch heute, die Khmer. Die Nachkommen des einst so mächtigen Khmer-Reiches, das sich über das nahezu gesamte südostasiatische Festland erstreckte, sind heute überwiegend kleine Reisbauern und Fischer, die in dem weltpolitisch heute eher unbedeutenden Kambodscha ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. An ihre große Vergangenheit erinnern vom Urwald überwucherte Tempelruinen und bestechend schöne Sandsteinskulpturen in westlichen Museen. Seit der Ausstellung „Millenium of Glory“, die die Khmer-Kunst im Jahre 1997/98 in Paris, Washington und Japan in das Bewusstsein der westlichen Öffentlichkeit rückte und seit Kambodscha seine Grenzen in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts einem langsam wachsenden Tourismus öffnete, ist das Interesse für diese geheimnisvolle mittelalterlich-asiatische Kultur der Khmer geweckt. Was waren das für Menschen, die mit Angkor in der Zeit vom 9. bis zum 13. Jahrhundert eine riesige Tempel-Hauptstadt in den Urwald setzten und sie im 15. Jahrhundert wieder dem Verfall überließen? Über zahlreiche Einzelaspekte dieser Kultur sind im zurückliegenden Jahrzehnt Monographien erschienen, etwa zu den in ihrer monumentalen Einfachheit vielleicht schönsten Skulpturen, die uns die Kunst Asiens geschenkt hat oder zu den grandiosen Totentempeln, die sich die Herrscher der Khmer errichteten, über ihre auf dem Prinzip des Mandala beruhende Architektur und deren reichen Dekor. Diese Literatur hat mit der nun vorliegenden Kulturgeschichte der Khmer, die von den Anfängen im 3. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert reicht, eine wertvolle und lange entbehrte Ergänzung gefunden. Denn einen generellen Überblick über die Zivilisation der Khmer, chronologisch geordnet, unter Berücksichtigung geographischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten und unter besonderer Beachtung der religiösen, politischen, gesellschaftlichen und kunsthistorischen Entwicklung dieses Volkes, hat es bisher nicht gegeben. David Snellgrove, bekannt vor allem durch seine Publikationen zur tibetischen Kultur, hat sich länger als ein Jahrzehnt mit den Khmer beschäftigt, hat alle heute bekannten Stätten dieser Zivilisation in Kambodscha, Laos, Thailand und in Vietnam besucht und ist durch seine Kenntnis des hinduistischen Indien und der buddhistischen Welt besonders berufen, diese Kulturgeschichte der Khmer vorzulegen. Denn ohne den indischen Einfluss, ohne die zunächst bei den Khmer dominierende brahmanisch-hinduistische Religion und den später hinzukommenden buddhistischen Kosmos und seine Ikonographie ist die Entwicklung der Khmer-Kultur und vor allem deren Kunstschaffen nicht zu erklären. „Before and After“: Das will besagen, dass neben der Frühzeit der Khmer, dem Königreich von Funan vom 3. bis zum 6. Jahrhundert und neben dem allmählichen Niedergang des Khmerreiches seit dem 13./14. Jahrhundert und der völligen Zerschlagung im späten 16. Jahrhundert, natürlich die Blütezeit der Khmer vom 9. bis zum 13. Jahrhundert den breitesten Raum in dem Buch von Snellgrove einnimmt. Vor allem aus den zahlreich erhaltenen und zu einem großen Teil erstmals von Snellgrove ausgewerteten steinernen Inschriften sind uns die Namen und Regierungszeiten, die Eroberungen und andere Taten und oft auch die einzelnen Bauvorhaben der Khmer-Könige bekannt. So war es vermutlich König Yasovarman, der um die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert Angkor gründete und den großen künstlichen See anlegte, der noch heute das Areal prägt. Den beiden großen Khmer-Königen Suryavarman II (1113-1150) und Jayavarman VII (1181-1219/20) und ihren grandiosen Tempelbauten Angkor Vat und Bayon, ist das zentrale Kapitel des Buches gewidmet. Fast würde man sich wünschen, dass diesen Weltwundern mittelalterlicher Baukunst und ihrem einzigartigen Dekor, etwa den geflügelten weiblichen Luftgeistern, den zauberhaften „Apsaras“, mehr Raum, vor allem mehr Abbildungen gewidmet wären. Doch sind diese bereits sattsam anderweitig veröffentlicht und der Autor hat gut daran getan, vor allem weniger bekannte und schwer zugängliche Baudenkmäler aus den Dschungeln Hinterindiens abzubilden und als Zeugnisse einer großen Kultur festzuhalten. Diese Tempel und Paläste nämlich, ohnehin oft nur Reste einstiger Pracht, sind dem weiteren Verfall preisgegeben da weder regional noch international Mittel zur Restauration oder Konservierung vorhanden sind. So ist das Buch ein wesentlicher und wichtiger Beitrag zur Dokumentation einer faszinierenden, hoch entwickelten, mittelalterlich-asiatischen Kultur.

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