Chan Chair and Qin Bench – The Dr.S.Y.Yip Collection of Classic Chinese Furniture II

Autor/en: Grace Wu Bruce
Verlag: Hong Kong Museum of Art
Erschienen: Hong Kong 1988
Seiten: 208
Ausgabe: goldgeprägter Leinenband im Schuber
ISBN: 962-7101-42-7
Kommentar: Michael Buddeberg, März 1999

Besprechung:
Es gibt drei Gründe, dieses in Design und Ausstattung außergewöhnliche schöne und gediegene Buch auch seines Inhalts wegen zu empfehlen: Die Sammlung des chinesischen Arztes aus Hong Kong, Dr. Shing Yiu Yip, ist mit über 130 Möbeln aus der späten Ming-Dynastie (1368 – 1644) und den ersten Jahren der nachfolgenden Ching-Dynastie eine der größten der Welt. Dem schon 1991 erschienenen ersten Katalog folgt nun der vorliegende Band II mit 66 Neuerwerbungen aus den letzten Jahren, wieder herausragende Exemplare dieser einzigartigen Möbelkunst, Stühle, Tische, Schränke aber auch kleine Möbel und Objekte, Gelehrtenkunst im besten Sinne. Die Auswahl der Stücke macht deutlich, daß die Sammlung Dr. Yip nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ einen Höhepunkt markiert, wie er angesichts der zunehmenden Seltenheit dieser Möbel heute wohl kaum mehr erreicht werden kann. Der Schwerpunkt in diesem Band II liegt weniger bei den Standard-Modellen -immerhin finden wir einen unerhört schlichten „horseshoe armchair“ aus Zitan-Holz oder einen würfelförmigen Hocker aus Huanghuali -, sondern vielmehr bei ungewöhnlichen und seltenen Möbeltypen. So gaben zwei ungewöhnliche Möbel den Titel Chan Chair and Qin Bench: Meditationsstuhl und Lautenbank. Ein Kleiderständer vielleicht kaiserlicher Herkunft mit reicher Schnitzerei, ein kleiner Huanghuali-Schrank mit geometrischer Marketerie in Bambus, eine Anzahl zerlegbarer oder zusammenfaltbarer Tische, Buch- und Notenständer, Schriftrollenbehälter und Behältnisse für alle Zwecke und in allen Formen öffnen den Blick in eine Vielfalt und einen Phantasiereichtum, wie er bisher bei diesem Sammelgebiet kaum bekannt war. So gaben zwei ungewöhnliche Möbel den Titel Chan Chair and Qin Bench: Meditationsstuhl und Lautenbank. Dies war der erste Grund. Das Buch ist darüber hinaus ein Sammlungskatalog im allerbesten Sinne denn es reiht nicht nur Möbel an Möbel sondern vermittelt einen Zugang zu der hinter der Sammlung stehenden Sammlerpersönlichkeit, Dr. Shing Yiu Yip, der zum Buch sowohl das Vorwort wie auch zwei Beiträge über die Ästhetik und die Klassifizierung von Ming-Möbeln geschrieben hat. Dr. Yip repräsentiert – im Gegensatz zu dem zurückgezogenen, kontemplativen Sammler des dynastischen China – eine moderne Generation von Sammlern, die ihre Sammeltätigkeit mit Kennerschaft und wissenschaftlicher Ambition verbinden, die Symposien besuchen und veranstalten, Ausstellungen organisieren – so war die Sammlung nicht nur mehrfach in Hong Kong sondern auch schon wiederholt in den USA zu sehen und eine kleine Auswahl zuletzt anläßlich der „Asian Art in London“ im November 1999 – und ihre Verantwortung im Bewahren historischen Kulturgutes ganz bewußt empfinden. Nach Erfahrungen mit dem Sammeln von chinesischer Keramik, Jade, Malerei und Kalligraphie, den Liebhabereien des klassischen chinesischen Gelehrten, begann Dr. Yip vor 15 Jahren mit dem Aufbau der Sammlung klassischer chinesischer Möbel, und die Sammlung in ihrer heutigen Form ist Ausdruck eines tiefen Verständnisses chinesischer Kunst, der sogenannten Literatenkunst vor allem, die ihren Höhepunkt in jener Zeit hat, die auch diese erstaunlichen Möbel hervorgebracht hat. Drittens ist das Buch eine reiche Quelle aktueller Information, wichtiger Meinungen und neuester Forschungsergebnisse zum Thema. Hierzu tragen der Sammler, die Autoren Jiaqing und Chiao, letzterer mit einem leider nur in chinesisch abgedruckten Beitrag über die Freude des Sammelns von Antiquitäten, und vor allem Grace Wu Bruce bei. Grace Wu Bruce war eine der ersten, die diese Möbel entdeckt, gesammelt, mit ihnen gehandelt und über sie geschrieben hat, und es gibt wohl kaum jemanden, der soviel über sie weiß, von dem Doyen Wang Shixiang einmal abgesehen. So erfahren wir erstmals etwas über die aktuelle Herkunft dieser Möbel, wo also in China sie sich 300 oder 400 Jahre lang erhalten haben. Diese Hartholzmöbel der späten Ming- und frühen Chingzeit sind ja nicht, wie man oft hört oder liest, kaiserliches Mobiliar – das gilt wohl nur für einige der wenigen reich dekorierten Stücke – sondern Haushaltsgegenstände gehobener Schichten, Möbel aus Beamten- und Gelehrtenhaushalten, wie es sie in ganz China gegeben hat. Die Information, daß die weitaus größte Anzahl aus den Provinzen Anhui, Jiangsu und Shanxi gekommen ist, ist neu und wird sicher Ausgangspunkt weiterer Studien und weiterer Feldforschung sein. Wir finden schließlich eine Antwort auf die Frage „Restaurieren oder nicht“ in der Feststellung warum ausgerechnet das bewahrt werden soll, was lieblose Benutzer oder unerfahrene Schreiner einem edlen Möbel im Laufe seines langen Lebens angetan haben. Zentrales Interesse schließlich finden die Überlegungen des Sammlers, warum sich die Ursprungszeit dieser einzigartig schönen, ästhetisch zeitlos gestalteten Möbel auf eine relativ enge Spanne von vielleicht einhundert Jahren, eben der späten Ming- und der frühen Ch’ing-Zeit, beschränkt. Historische, ökonomische und soziale Voraussetzungen und der besondere künstlerische Impuls jener Zeit, schafften eine Kombination von Einflüssen, die nicht nur in der Keramik, der Literatur und der Kalligraphie sondern auch in der Möbelkunst einen einsamen Höhepunkt entstehen ließen. Nach dem längst vergriffenen Wang Shixiang „Klassische chinesische Möbel“ aus dem Jahre 1989, seit langem das beste Buch zum Thema. (- mb -)

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