Autor/en: Emma C. Bunker, Douglas Latchford
Verlag: Art Media Resources
Erschienen: Chicago 2004
Seiten: 496
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 95.– US-$
ISBN: 1-58886-070-1
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2004
Besprechung:
Die Skulpturen der Khmer – soweit sie sich nicht noch an Ort und Stelle, eingefügt in die phantastische Architektur von Angkor Vat oder des Bayon und anderer Tempel und Paläste in Kambodscha befinden – sind in der Kunstgeschichte und im internationalen Kunsthandel ein ganz heißes Eisen. Auf kaum einem anderen Gebiet ist so viel von Fälschungen die Rede, herrscht so viel Ungewißheit, existieren so viel gegensätzliche Meinungen, wie bei diesen Bildwerken aus Sandstein oder Bronze. Es kann als gewiß gelten, daß eine erhebliche Anzahl von perfekten Fälschungen den Kunstmarkt erobert hat und in öffentliche oder private Sammlungen gelangt ist. Man vermutet, daß manche dieser Fälschungen in Technik, Ikonographie und Stilsicherheit von so hoher Qualität sind, daß Händler, Sammler, Kenner, Kuratoren und Wissenschaftler echte Probleme haben, sie von Originalen zu unterscheiden. Neben der großen Nachfrage nach dieser seltenen und wegen ihrer einzigartigen Ästhetik schon immer faszinierenden Kunst hat dies handfeste historische Gründe: Die Geschichte der Khmer-Kunst ist seit ihrer Entdeckung in den Dschungeln von Kambodscha im 19. Jahrhundert eine beispiellose Folge von Raub, Vandalismus, Plünderung, Bürgerkrieg und Zerstörung. Dazu gehören die zu ihrer Zeit gar nicht zimperlichen aber als legal angesehenen Methoden, mit denen die Kuratoren des Pariser Musée Guimet im frühen 20. Jahrhundert die bedeutendste Sammlung von Khmer-Kunst im Westen aufgebaut haben, dazu gehört auch die Affäre des jugendlichen André Malraux, dem vorgeworfen wurde, in offizieller Funktion mit Säge und Meißel bedeutende Skulpturen von ihren Standorten geraubt zu haben und das fand in den politischen Wirren und Kriegen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre Fortsetzung. Folge ist, daß es für die Khmer-Kunst kaum einwandfrei dokumentierte Referenzstücke gibt. Selbst für die über jeden Fälschungsverdacht erhabenen, schon früh in die Sammlungen gelangten Objekte des kambodschanischen Nationalmuseums in Pnom Penh und des Musée Guimet fehlen in den meisten Fällen klare archäologische Referenzen. Authentizitätszweifel bei bislang unbekannten Kunstwerken werfen daher ganz selbstverständlich die Frage auf, ob es sich um eine Fälschung handelt oder um ein bloßes Defizit kunsthistorischer Aufarbeitung. Diese ganze Problematik führte auch dazu, daß die Literatur über Khmer-Kunst knapp ist und daß Autoren zur Illustration immer wieder auf die altbekannten Objekte aus den beiden großen Museen zurückgegriffen haben. Die nun vorliegende Monographie von Bunker/Latchford beschreitet in zweifacher Hinsicht einen ganz neuen Weg: Zum einen beschreibt und zeigt sie überwiegend bislang unbekannte und unveröffentlichte Objekte aus privaten und öffentlichen Sammlungen, bringt also ganz neues Material, und zum anderen werden hier erstmals in breitem Umfang wissenschaftliche Methoden zur Feststellung der Authentizität von Kunstwerken der Khmer eingesetzt und beschrieben. Umwelteinflüsse, Erosion, Korrosion, normale und mutwillige Beschädigungen und ganz normaler Gebrauch haben bei all den vor 800 bis 1400 Jahren fertiggestellten Skulpturen Spuren hinterlassen. Das erfahrene Auge und Gespür des Kenners vermag viele davon zu entdecken und zu bewerten, befindet sich hier aber im Wettstreit mit der stets zunehmenden Geschicklichkeit der Fälscher. Stereomikroskopische Untersuchungen der Sandsteinoberflächen und Thermoluminiszenz- oder C14-Analysen der beim Bronzeguß fast immer vorhandenen Rückstände, die bei vielen der vorgestellten Objekte vorgenommen wurden, vermitteln eine ganz neue Sicherheit bei der Bestimmung dieser Kunstwerke. Das Buch ist aufgebaut wie der Katalog einer imaginären Ausstellung und zeigt nach drei einleitenden Essays 180 ausgewählte Objekte, teilweise gleich in mehreren vorzüglichen Abbildungen. 8 Kapitel widmen sich der Chronologie des Khmer-Reiches von seinen Anfängen im 7. Jahrhundert bis zu der von erobernden Thais erzwungenen Aufgabe der Hauptstadt Angkor Vat im Jahre 1431. Die geschichtlichen Fakten, die Abfolge der Herrscher und Dynastien, die von ihnen errichteten Tempel und Paläste, nach denen die Perioden und Stile der Khmer-Kunst bezeichnet werden, sind in der Einleitung zu jedem Kapitel beschrieben und vermitteln einen guten Überblick über dieses mächtige Reich, das über Jahrhunderte die Herrschaft über den indochinesischen Subkontinent inne hatte. In weiteren Kapiteln werden selten gesehene tantrische Skulpturen hinduistischer und buddhistischer Gottheiten und dann vor allem weitgehend unbekannte Objekte der materiellen Kultur der Khmer gezeigt, wie etwa Beschläge und Ornamente von Sänften und Elefantensitzen, Spiegel, Lampen, Silbergefäße und schließlich eine bemerkenswerte Anzahl von Goldschmuck und Goldgerät. Damit schließt sich der Kreis zu den Skulpturen, denn bei all ihrer Schlichtheit tragen viele der dargestellten Gottheiten Schmuck in Form von Diademen, Ohrschmuck, Halsketten, Armreifen und Gürteln. Dies ist Ausdruck des Glaubens, daß der Körper ein Tempel der Spiritualität und daß er in Respekt vor dem Göttlichen reich zu schmücken ist. Ein kompletter Satz einer solchen massiv goldenen Schmuckausstattung aus dem späten 10. Jahrhundert ist eine kleine Sensation, und daß sich eine wunderschöne Shiva-Statue dann auch noch im Glanze dieser Kostbarkeit darstellen darf, ist ein ganz besonderer optischer Genuß. Davon abgesehen beeindrucken vor allem die Bronze- und mehr noch die Sandsteinfiguren aus der Frühzeit der Khmer. Ihre einzigartige Ästhetik, ihre vollendete Harmonie und Schlichtheit, die Ausstrahlung von unendlicher Ruhe und Gelassenheit, unterscheidet sie ganz wesentlich von den Kunstwerken jeder anderen indischen und südostasiatischen Zivilisation. Obwohl die Vorbilder und die Ikonographie gewiß mit dem Hinduismus und dem Buddhismus aus Indien in das Land der Khmer gelangten, haben die Khmer-Künstler die Üppigkeit und Bewegtheit jener indischen Kunst zu einer Harmonie von Form, Proportion und Ausdruck, zu einer fast monumentalen Einfachheit und zeitlosen Ästhetik reduziert. Adoration and Glory ist mit seinem neuen Ansatz und den ausgesucht schönen und wichtigen Kunstwerken ein ganz wichtiges Buch zur Kunst und Kultur der Khmer.