The Jewelry of Southeast Asia

Autor/en: Anne Richter
Verlag: Thames & Hudson
Erschienen: London 2000
Seiten: 304
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 42.– engl.Pfund
ISBN: 0-500-51008-3
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Historiker haben das von Vietnam, Kambodscha, Thailand und Malaysia, das von den Inseln Sumatra, Java und Borneo und dem Archipel der Philippinen umschlossene Meer schon mit dem Mittelmeer verglichen. Trotz der Gefahr solcher Vergleiche lohnt es, darüber nachzudenken. So wie die mediterranen Kulturen trotz ihrer Vielfalt und Verschiedenheit viel Gemeinsames besitzen, wie sie sich vor allem gegenseitig beeinflußt und befruchtet haben, so bilden auch die Länder, Staaten und Inselreiche um das südchinesische Meer und den Golf von Thailand etwas, was man eine große Zivilisation, ein große kulturelle Einheit nennen könnte. Schon frühe chinesische Reisende in Südostasien hoben die kulturelle Besonderheit dieser Region hervor und ihre Berichte decken sich mit denen von Europäern, die die südostasiatischen Staaten vor tausend und noch mehr Jahren besucht haben. Geprägt wird diese Zivilisation durch uralte animistische Vorstellungen und Religionen, durch den steten Einfluß der chinesischen Hochkultur im Norden, vor allem aber durch das nahe Indien, seine Religionen und seine politischen Ideen. Das Studium der reichen Schmucktradition von Südostasien ermöglicht einen faszinierenden Einblick in die Entwicklung, Geschichte und Gegenwart dieser Zivilisation. Schon immer gerühmt wegen seiner ethnologischen und enthnographischen Qualitäten ist Schuck aus Südostasien inzwischen auch als hohe Kunst anerkannt und von Sammlern und Museen in der ganzen Welt gesucht. Das Buch von Anne Richter ist die erste zusammenfassende Monographie über eine künstlerische Tradition, die bis ins Neolithikum zurückreicht und die ihre Kraft und Vitalität bis heute nicht verloren hat. Mehr als 350 Farbtafeln und viele historische Fotografien formen ein Kaleidoskop von Formen, Farben, Materialien und Techniken, ein Kaleidoskop künstlerischer Ausdruckskraft und Schönheit wie es der nüchterne Titel kaum vermuten läßt. Anne Richter hat aus den Nationalmuseen der südostasiatischen Staaten aber auch aus den bedeutendsten Museen der westlichen Welt und aus privaten Sammlungen das wirklich Beste ausgewählt und zusammengestellt. Beeindruckend ist dabei vor allem, wieviel Altes und Uraltes sich erhalten hat, wieviel Schmuck höchster Qualität und Bedeutung die Archäologie der letzten Jahrzehnte zutage gebracht hat. So läßt sich wirklich von dem Stein- und Muschelschmuck des Neolithikum über die technologisch hochstehenden Bronzeprodukte vor allem der Dong Son Kultur bis zu dem Goldschmuck aus Angkor Wat, Thailand oder Burma eine gemeinsame Tradition erkennen, die ihren Gehalt aus dem Symbolismus und der Kosmologie Südostasiens bezieht. Der zentrale Beitrag der Autorin befaßt sich denn auch, bevor sie in weiteren neun Kapiteln die Schmucktraditionen der einzelnen Regionen oder Staaten beschreibt, mit dem frühen Schmuck, seinem unübersehbaren Symbolgehalt und seinem bis heute fortwirkenden Einfluß. Schmuck in diesem Sinne ist erst in zweiter Linie Ausdruck von Macht, Reichtum oder Status. Schmuck hat vor allem eine magische Schutzfunktion, er verleiht spirituelle Kraft, er ist ein Mittler zwischen dem Diesseits und den mythischen Welten von Sonne und Mond, von Himmel und Unterwelt, von guten Kräften und bösen Mächten. Diese alten Ideen und Vorstellungen prägten Formen, Motive und Dekor des traditionellen Schmucks von Südostasien und sie prägen ihn bis heute. Einen Schwerpunkt in dieser einleitenden Darstellung bilden die bronzezeitlichen Kulturen in Kambodscha und Vietnam, vor allem die der Dong Son, deren große Bronzetrommeln einen bis heute kaum entschlüsselten Dekor tragen, wie er sich auch im Bronzeschmuck aus jener Zeit wiederfindet. Schamanen, federgeschmückte Krieger, Wassergetier und Vogelwesen, Boote als Symbol für den Weg der Seele zu den Vorfahren, reihen sich ein in die Kosmologie Südostasiens. Ein weiterer Schwerpunkt ist das sagenhafte Funan, ein Königreich aus der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends n.Chr. gelegen im Grenzgebiet zwischen Vietnam und Kambodscha. Durch die berühmten Ausgrabungsfunde von Oc Eo lassen sich am Goldschmuck, an den Perlen und Steinen, die vielfältigen Einflüsse Chinas, vor allem aber Indiens nachweisen. Die indische Mythologie überlagert das animistische Gedankengut, Zwitter aus Schlange und Drache, die Nagas, beleben neben den Makaras, Mischwesen aus Elefant, Krokodil und Fisch, eine Welt, in deren Mittelpunkt der geheimnisvolle Berg Meru, die Weltenachse sich befindet. Schmuck aus Funan ist zugleich Beleg für ägyptische, persische und griechische Einflüsse auf die Schmuckkultur Südostasiens und damit Beleg für Austausch und Handel in frühen Zeiten. Mit diesem Rüstzeug über den Symbolgehalt südostasiatischen Schmucks versehen kann man sich dann dem ästhetischen Streifzug durch die Länder der Region hingeben: Goldschmuck aus dem burmesisch buddhistischen Königreich Pagan (1044 – 1287), Ketten und Geschmeide aus Angkor (802 – 1431), wie wir sie bisher nur von dem reichen Schmuck der steinernen apsaras von Angkor Wat kennen, Juwelen mit Rubinen und Smaragden aus dem Thai-Königreich von Ayutthaya (1350 – 1770), unverwechselbarar Silberschmuck tibetisch-burmesischer Minderheiten, königliche, aus feinem Goldraht gewobene Gürtel von den Philippinen aus vorspanischer Zeit und vieles andere mehr. Ein Buch, an dem der Schmuckliebhaber, aber auch jeder, der sich für Kunst, Geschichte und Tradition Südostasiens interessiert, kaum vorbeikommt. (- mb -)

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