The Peck Shanama

Autor/en: Marianna Shreve Simpson
Verlag: Princeton University Art Museum und Yale University Press
Erschienen: Princeton, New Haven und London 2015
Seiten: 208
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: GBP 30,00
ISBN: 978-0-300-21574-8 (Yale)
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2015

Besprechung:
Clara S. Peck (1896-1993) züchtete Pferde und sammelte seltene Bücher über Pferdesport und Jagd. Was mag sie wohl bewogen haben im Jahre 1946 im amerikanischen Kunsthandel das „Buch der Könige“, eine illustrierte persische Handschrift aus dem späten 16. Jahrhundert zu erwerben? Die Vermutung, sie habe das Buch auf westliche Art aufgeschlagen und daher als erstes die abschließende doppelseitige Miniatur einer königlichen Jagd gesehen, ist eine nicht sehr galante Unterstellung. Jedenfalls hat Clara Peck dieses Buch hoch geschätzt, wohl bewahrt und schließlich der Princeton University vermacht, wo es heute zu den ganz großen bibliophilen Kostbarkeiten gehört. Sicher hat Clara Peck ihre Erwerbung auch korrekt, also auf arabische Art und Weise von rechts nach links durchblättert und dabei als erstes das ebenfalls doppelseitige Frontispiz von König Salomon und der Königin von Saba in einem von himmlischen Wesen und reicher Fauna bevölkerten mythischen Ambiente bewundert. Dabei ist interessant, dass sowohl Frontispiz wie Finispiz nichts mit dem eigentlichen Inhalt des Buches zu tun haben, sondern als modische Beigabe zu werten sind, wie sie die Buchmanufakturen in Schiras in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem Shahnama, dem „Buch der Könige“ gerne hinzufügten. Das von Persiens bedeutendsten Dichter Abu l´Qasim Ferdausi (940/41-1020) geschaffene Shahnama ist mit weit über 50.000 Versen das weltgrößte Epos eines einzelnen Dichters und es erzählt die Geschichte Persiens von den mythischen Anfängen in prähistorischer Zeit bis zum Ende des sassanidischen Reiches im Jahre 642. Es sind Geschichten von Liebe und Krieg, von Königen, Helden, Monstern, Dämonen und Höflingen, geschildert in einer Lebendigkeit und Dramatik, die das Shahnama, vergleichbar dem indischen Mahabharata, zum persischen Nationalepos schlechthin machen und das heute noch so präsent und lebendig ist wie vor tausend Jahren. Lebendig vor allem, denn das erste überlieferte Manuskript stammt aus dem Jahre 1250 und es gibt keine Fassung, die der anderen gleicht. Das gilt auch für die illustrierten Ausgaben, die unter der Dynastie der Safawiden und ihrer verfeinerten höfischen Kunst ihre große Zeit hatten und zu Höhepunkten der Buchkunst wurden. So gilt das Shahnama von Shah Tamasp (1514-1576), das für den jungen Herrscher des Pfauenthrons im Verlauf von 15 Jahren durch die begabtesten Maler, Kalligraphen, Illuminatoren, Vergolder und Buchbinder hergestellt wurde mit seinen über 250 Miniaturen- wenn man bei einem Format von ca. 47×32 cm noch von Miniaturen sprechen kann – für viele als das vielleicht schönste Buch aller Zeiten. Das Peck-Shahnama hat bei identischem Format zwar nur 48 Miniaturen, es ist um einiges später, in den Jahren 1589 und 1590 in einer Werkstatt in Schiras entstanden, seine Künstler sind weitgehend anonym – aber es ist komplett, während die Miniaturen des Shahnama von Shah Tamasp nach 1972 (!) durch einen Sammler, Kunstmäzen und Philantropen und durch dessen Erben einzeln oder in größeren Konvoluten verschenkt, verkauft, getauscht und versteigert wurden und sich heute auf private und öffentliche Sammlungen in aller Welt verteilen – aber das ist eine ganz andere Geschichte. Das Peck-Shahnama gehört damit zu den seltenen vollständigen illustrierten Exemplaren des Buchs der Könige aus dem 16. Jahrhundert und man weiß dank der Notiz eines deccanischen Fürsten, der das Buch um 1620 von der Witwe das Shah Abbas erworben hat, dass auch dieses Shahnama eine Auftragsproduktion des safawidischen Hofes war. Welchen weiteren Weg das wertvolle Manuskript nach 1620 genommen hat, ob es Kriegsbeute war, diplomatisches Geschenk oder vom Handel weitergereicht wurde, ist nicht bekannt. Jedenfalls tauchte es um 1780 in London auf, wo es neu gebunden wurde und dann durch die Hände verschiedener Sammler und Händler schließlich über Clara Peck nach Princeton gelangte. Das mittlerweile erreichte Alter von über 500 Jahren und der unbefriedigende Londoner Einband von 1780 ließen es nun geraten erscheinen, dem Peck-Shahnama eine gründliche Konservierung und einen passenden Einband zu geben. So ergab sich eine großartige Gelegenheit alle Miniaturen in einer Ausstellung im Princeton University Art Museum (bis zum 24. Januar 2016) und in einem Katalog zu präsentieren. Zu jeder einzelnen der 48 seitengroß in dem sorgfältig gestalteten Buch wiedergegebenen Miniaturen werden nicht nur die zugehörige Geschichte oder Begebenheit aus dem Shahnama erzählt, sondern auch die Komposition, die bildnerische Darstellung und besondere Details erläutert. Diese Texte sind eine wertvolle Hilfe bei der visuellen Entdeckungsreise durch diese Miniaturen. Gleichgültig, ob es sich um blutrünstige Schlachtendarstellungen handelt, um Palastszenen, um Jagdabenteuer, um die Heldentaten des tapferen Rustam oder um idyllische, mit Flora und Fauna belebte Landschaften, stets sind eine Überfülle von liebevollen Details zu entdecken, Kleidung und Accessoires der Akteure zu studieren, Textil-, Teppich-und Fliesenmuster zu suchen, Waffen, Musikinstrumente und die Einrichtung der Paläste und vieles mehr zu bewundern. Der umfangreiche einführende Text von Marianna Shreve Simpson, einer anerkannten Expertin für islamische Buchkunst, macht mit der Geschichte des Firdausi-Textes und des Manuskripts vertraut und schildert vor allem das historische und kunstgeschichtliche Umfeld der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als Schiras ein Zentrum nicht nur persischer Kultur sondern vor allem der Herstellung von Luxusmanuskripten war, für die das Peck-Shahnama ein wunderbares Beispiel ist.

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