African Textiles – The Karun Thakar Collection

Autor/en: Karun Thakar, Duncan Clarke, Miriam Ali-de-Unzaga
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München London New York 2015
Seiten: 320
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 75,00; GBP 50,00
ISBN: 978-3-7913-8163-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2015

Besprechung:
In rascher Folge hat der indisch-britische Sammler Karun Thakar wichtige Teile seiner in 30 Jahren zusammengetragenen Textilsammlung – Manche sprechen von der bedeutendsten, jedenfalls größten privaten Sammlung ethnischer Textilien – publiziert und damit die textile Literatur wesentlich bereichert. Mit einem Beitrag in dem internationalen Magazin für Teppiche und Textilien HALI über die farbenfrohen Schürzen der tibetischen Frauentracht begann der Reigen der alsbald mit einem repräsentativen Buch über indische Textilien seine Fortsetzung fand. Glaubte man hier den selbstverständlichen Schwerpunkt der Interessen des Sammlers zu sehen, wurde man durch das Buch über die ungemein attraktiven Design-Kimonos aus dem Japan des frühen 20. Jahrhunderts zunächst eines Besseren belehrt, um dann mit „Indian Cotton Textiles“ feststellen zu müssen, dass sich das Thema Indien noch längst nicht erschöpft hatte. Und nun kann man in dem soeben erschienen Band über afrikanische Textilien aus der Sammlung Karun Thakar lesen, dass diese sogar einen ganz wesentlichen Teil der Sammlung Thakar ausmachen, dass sie in den Museen der Welt nichts ihresgleichen haben und dass das Buch mit der Publikation einer Auswahl von mehr als 200 Objekten ein wichtiger Beitrag für die Kenntnis dieser bisher unzureichend erforschten Textilien ist. Mit dieser Rezension soll dieser Aussage auf den Grund gegangen werden. Da ist zunächst anzumerken, dass das Buch nicht so ganz hält, was die vollmundige Ankündigung verspricht. Wer aufgrund des Titels einen Überblick über die textile Vielfalt des gesamten afrikanischen Kontinents erwartet, wird enttäuscht. Die Sammlung Thakar hat einen klaren Schwerpunkt in Westafrika, hier vor allem in Ghana und Nigeria und gibt darüber hinaus einen, allerdings keineswegs vollständigen Überblick über textile Kunst aus Zentral- und aus Nordafrika. Textilien aus dem Osten oder Süden des Kontinents, aus Madagaskar oder aus Ägypten sucht man vergebens. Und unzureichend erforscht oder gar textiles Neuland sind die behandelten Regionen keineswegs. John Gillows 2003 in einer englischen und deutschen (Prestel) Ausgabe erschienenes Buch über afrikanische Textilien setzt, neben weiteren Monographien zu regional abgegrenzten Gebieten, etwa über die Web- und Stickkunst des Maghreb, nach wie vor den Standard in Vielfalt und Technik afrikanischer Textilien. Doch genug der – verhaltenen – Kritik. Ebenso wie in den bisher erschienenen Büchern der Sammlung von Karun Thakar ist der einführende Text des Sammlers besonders hervorzuheben. Der Leser erfährt hier über die Zufälle oder besonderen Konstellationen, die privates Sammeln begleiten, über die ganz persönlichen Faszinationen und nicht zuletzt über die menschlichen Kontakte und Begegnungen, die zum Sammeln gehören und die alle in ihrer Summe dazu führen, dass eine solche, von individueller Leidenschaft getragene Sammlung stets mehr ist als die bloße Summe der Objekte. Das Vorwort von Karun Thakar ist somit ein wichtiger Schlüssel zu seiner Person aber auch zum Verständnis seiner Sammlung und vor allem zu ihrem deutlichen Schwerpunkt, den gewebten Kunstwerken der Meisterweber aus dem westafrikanischen Ghana und Nigeria. Was auch immer die vom Sammler genannten „Museen dieser Welt“ zu zeigen haben, die Qualität, Vielfalt und Schönheit der von Karun Thakar gesammelten und publizierten Streifentextilien der Stämme der Ashanti, Ewe und Yoruba aus Ghana und Nigeria lassen sich schwerlich überbieten. Es sind Stoffe, überwiegend aus der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts, einige auch noch älter, deren Wurzeln in die vorkoloniale Zeit zurückreichen, als reiche und mächtige Königreiche wie das der Ashanti mit der Haupstadt Kumasi die afrikanische Kultur prägten. Diese aus schmalen Streifen zusammengenähten großen rechteckigen Umschlagtücher sind eine afrikanische Spezialität, die sich ohne weiteres mit den webtechnischen Meisterwerken dieser Welt messen lassen. Auf Trittwebstühlen gewebt, entsteht ihr typisches karogemustertes Erscheinungsbild dadurch, dass sich kett- und schusssichtige Abschnitte abwechseln. Mittels flottierender zusätzlicher Schüsse werden Motive wie Tiere, Kämme und geometrische Formen in die kettsichtigen Abschnitte eingewebt. Die so aus Farbe und Form entstehenden, aufregenden Kompositionen, deren keine der anderen gleicht, provozieren Vergleiche mit zeitgenössischer westlicher Kunst von Pop Art bis Minimalismus und sind doch das Ergebnis einer viele Jahrhunderte alten Tradition. Es ist ein Verdienst des Sammlers Karun Thakar, dass er seine Sammlungen stets von ausgesuchten Spezialisten vorstellen lässt. Duncan Clark, ein in London ansässiger Forscher, Händler und Spezialist für westafrikanische Textilien erklärt die Technik, die Materialien und den Gebrauch dieser textilen Meisterwerke und stellt sie in den historischen und kulturellen Kontext des afrikanischen Kontinents. Die so genannten Fante-Fahnen, eine Synthese afrikanischer und kolonialer Traditionen in narrativer Applikationstechnik und die wenig bekannten textilen Traditionen der Elfenbeinküste, von Mali und von Sierra Leone, ebenso wie Kopfbedeckungen aus Kamerun und Raffia-Gewebe des Kuba-Stammes aus dem Kongo, vermitteln ein Bild erstaunlicher textiler Vielfalt in West- und Zentralafrika. Miriam Ali-de-Unzaga schließlich stellt Highlights marokkanischer und tunesischer Textilkunst vor. Henna-gefärbte Tücher aus dem Hohen Atlas, Stickarbeiten aus städtischen Zentren und in Plangitechnik gefärbte tunesische Schals und Kopftücher lassen durch ihre abweichenden Dekortechniken den mediterranen Einfluss erkennen. Dem Sammler Karun Thakar ein Kompliment für seine Sammlung und deren gelungene Präsentation in diesem wichtigen Buch über afrikanische Textilien.

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