Im Fluss der Langsamkeit – Entlang der Lebensadern Burmas/Myanmars

Autor/en: Yussof Knaus
Verlag: Plus Knauss Verlag
Erschienen: Hamburg und München 2014
Seiten: 400
Ausgabe: Seide mit Schutzumschlag und Schuber
Preis: @ 198,00
ISBN: 978-3-00-046957-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2016

Besprechung:
2. März 1962 – das war so etwa die Zeit, als der Durchschnittsbürger des deutschen Wirtschaftswunderlandes seinen Italienurlaub mit dem soeben ausgelieferten 30-PS-Volkswagen an den Gardasee oder nach Jesolo plante. Der an eben diesem Tage erfolgreich durchgeführte Putsch des Militärs in dem in Hinterindien gelegenen Burma dürfte es damals, wenn überhaupt, gerade mal in die Rubrik „Vermischtes“ der Tageszeitungen gebracht haben. Auch die damit beginnende totale Abschottung des Landes vom Rest der Welt durch eine konsequente und, wie man heute weiß, äußerst grausame Militärdiktatur blieb lange so gut wie unbemerkt; die große Politik hatte andere Probleme und der beginnende und zunehmende Ferntourismus fand ausreichend andere Ziele. Erst die von der Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi initiierten Aufstände, ihr langjährig von der Junta verhängter Hausarrest und der ihr 1991 zuerkannte Friedensnobelpreis fanden ein Echo in der Weltpresse und waren letztlich mitursächlich für den im neuen Jahrtausend beginnenden Demokratisierungsprozess und – vor allem – für die Öffnung des Landes. Seither ändert sich Burma – seit 1989 heißt das Land Myanmar – mit rasanter Geschwindigkeit und ist auf dem besten Wege, alle jene Fehler zu wiederholen, die seine Nachbarländer, Thailand etwa oder Vietnam, schon vor Jahrzehnten gemacht haben. Verkehrsstaus, Luftverschmutzung, Immobilienspekulation, die Vernichtung historischer Bausubstanz und eine hemmungslose Öffnung für den internationalen Tourismus – eine Aufbruchs- und Goldgräberstimmung hat das Land erfasst und es droht binnen kurzer Zeit der grassierenden Globalisierung zu erliegen. Daran wird auch der Bildband des Fotografen Yussof Knauss nichts ändern, aber er beschwört mit atemberaubend schönen und poetischen Bildern ein Myanmar, das es vielleicht jetzt und so schon nicht mehr gibt. Zwei, nein drei große Flüsse strömen von Nord nach Süd durch das Land und prägen Landschaft und Menschen. Es sind der Ayeyarwady River, besser bekannt als Irrawady, sein Nebenfluss, der Chindwin und, im Osten des Landes, der Thanlwin, der mit dem Inle-See in Verbindung steht. Alle sind sie, entsprechend der geographischen Struktur des Landes, ruhige Flüsse, fast immer schiffbar, echte Lebensadern also, denn im Dunstkreis dieser Flüsse lebt der größte Teil der Menschen dieses Vielvölkerstaates in Dörfern und Städten, blühen Handel, Handwerk und Landwirtschaft, konzentriert sich das religiöse Leben mit Mönchen, Nonnen, Klöstern und Pagoden und finden sich architektonische und künstlerische Höhepunkte. Der Titel des Buches „Im Fluss der Langsamkeit“ ist gut gewählt, denn er passt zu diesen ruhig strömenden Flüssen und er passt auch zu der fotografischen Handschrift von Yussof Knauss. Über den Landschaftsbildern aus nebligen Tagen, oft auch aus den frühen Morgen- oder späten Abendstunden, liegt zumeist ein Dunst oder Schleier, der die Nähe des Wassers spürbar macht und der auch den Portraits und den vielen Nahaufnahmen von den Märkten, von verehrten Skulpturen Buddhas oder von allerlei kunsthandwerklichen Objekten eine Zartheit und eine verhaltene, an Pastellmalerei erinnernde Farbigkeit verleiht. Mit dieser fotografisch-minimalistischen Technik schafft Knauss nicht nur ein ästhetisch beeindruckendes Werk sondern es gelingt ihm etwas, das der Journalist und Romanautor Jan-Philipp Sendker in seinem Vorwort so zum Ausdruck bringt, dass jedes Bild mehr enthält, als zunächst darauf zu sehen ist. Viel mehr also als die exakten, scharfen und bunten Abbilder der Lebenswirklichkeit in den gewohnten Bildbänden ferner Länder, sind die Fotos von Yussof Knauss eine Anregung für die Phantasie, ein Anstoß, hinter die Bildoberfläche zu schauen und eine exotische Welt zu entdecken, ein Leben, das oft schwierig und hart ist, aber das die Menschen mit Ruhe und Würde meistern. Hilfreich für diesen Blick auf und hinter die Bilder sind natürlich die knappen, einfühlenden Texte des ARTE-Journalisten und Myanmar-Experten Martin Schacht, der nicht nur in die Geschichte des Landes einführt, sondern in kleinen Essays über die Menschen, ihre Arbeit, ihre Religion und natürlich über ihre Flüsse und Boote den Hintergrund für das Bildmaterial von Yussof Knauss aufbereitet.

Das sorgfältig gestaltete Buch im Folio-Format (27 x 36 cm), handwerklich in einer kleinen und nummerierten Auflage perfekt hergestellt, in rote Seide gebunden und geschützt durch einen stabilen Schmuckschuber wurde mit dem Deutschen Fotobuchpreis 2016 ausgezeichnet.

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