Islamic Arms and Armor in the Metropolitan Museum of Art

Autor/en: David G. Alexander
Verlag: Metropolitan Museum of Art und Yale University Press
Erschienen: New York, New Haven und London 2015
Seiten: XII/336
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: GBP 55,00
ISBN: 978-1-58839-570-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2016

Besprechung:
Die Schlacht am Kahlenberg, der Sieg der europäischen Allianz über die Türken vor Wien im Jahre 1683, hat nicht nur den Lauf der europäischen Geschichte entscheidend geprägt; er ist auch in der Kunstgeschichte ein wichtiges Ereignis. Der Sieg über das osmanische Heer war so vollkommen, dass ein wesentlicher Teil der Ausstattung der immerhin auf 160.000 Mann geschätzten türkischen Truppen, vom Heerlager und dem Tross ganz zu schweigen, in die Hände der Sieger fiel. Diese Kriegsbeute gelangte über den Besitz der siegreichen Feldherren und ihrer Truppen und durch den Lauf der Zeit in öffentliche und private Sammlungen. In Museen in Karlsruhe, Dresden, Krakau und auf der Veste Coburg, um nur einige der wichtigsten zu nennen, bildet die „Türkenbeute“ einen wichtigen, attraktiven und bewunderten Teil ihrer Sammlungen. Und es sind beileibe nicht nur Hieb-, Stich- und Feuerwaffen oder Rüstungen und Teile davon, die hier faszinieren, sondern es sind auch reich mit Applikationen und Stickereien dekorierte Zelte, mit Gold und Silber bestickte Pferdedecken, Fahnen und Standarten und allerlei mit edlen Steinen verziertes Gerät bis hin zu kostbaren Teppichen und Flachgeweben, die vor Wien erbeutet wurden. Diese Türkenbeute und die zum größten Teil außerordentliche handwerkliche Qualität dieses Kriegsgerätes ist ein sichtbarer Beleg dafür, dass Waffen und Rüstungen, dass die für einen Feldzug erforderliche Ausstattung, ein ganz zentrales Thema in der islamischen Kultur sind, und zwar nicht nur als Mittel der Eroberung und der Ausbreitung des Glaubens, sondern als Symbol von Macht, Status und Reichtum. Es waren stets die besten Handwerker und Designer, die zusammen mit renommierten Goldschmieden, Webern, Juwelieren, Plattnern und anderen Spezialisten ihres Faches aus militärischer Ausrüstung höfische Kunstwerke hohen Ranges schufen.

Das Metropolitan Museum of Art in New York besitzt eine der weltweit bedeutendsten und umfangreichsten Sammlungen islamischer Waffen und Rüstungen. 126 von den ca. eintausend Objekten, die im Museum in den Abteilungen „Arms & Armour“ und „Islamic Art“ verwahrt werden, können nun in einem sorgfältig bearbeiteten, großzügig ausgestatteten und hergestellten, wissenschaftlichen Katalog des MMA studiert werden. Das verdient besondere Beachtung, denn Publikationen zu diesem durchaus wichtigen Spezialgebiet islamischer Kunst und Kultur sind selten. Der Band „The Art of War“ der Khalili Collection, erschienen 1992, oder das Buch über die muslimische Ritterkunst, das die geheimnisvolle Furusiyy Art Foundation in Vaduz im Jahre 2008 veröffentlicht hat, sind hier Ausnahmen von der Regel denn die bedeutenden Sammlungen des Topkapi Serail Museums ebenso wie des Askeri Museums (Militär-Museum) in Istanbul sind bis heute nicht publiziert. Erstaunlich ist das nicht, denn das Thema islamischer Waffen und Rüstungen ist außerordentlich komplex. Es erfasst nicht nur über einen Zeitspanne von 1400 Jahren, sondern auch den riesigen geographischen Raum von Spanien bis nach Südostasien und von Südindien bis fast nach Sibirien. Und vor allem berührt es viele und ganz unterschiedliche Bereiche islamischen Kunstschaffens, allen voran natürlich die Kunst der Metallbearbeitung und die davon nicht zu trennende Metallurgie, dazu aber auch Malerei und Skulptur, das Handwerk der Gold- und Silberschmiede, die Kunst von Kalligraphen und Schriftgelehrten und – last not least – auch die textilen Künste.

Natürlich ist die Sammlung des Metropolitan Museum keine Türkenbeute. Sie ist vielmehr eine für amerikanische Museen in typischer Art und Weise durch Mäzene und Vermächtnisse privater Sammler entstandene und zu ihrer heutigen Größe und Bedeutung gewachsene Sammlung. Die im einleitenden Essay des für diesen Bereich islamischer Kunst im Metropolitan Museum zuständigen Kurators Stuart W. Pyhrr nachzulesende Geschichte von der Entstehung der Sammlung ist daher zugleich die Geschichte herausragender amerikanischer Sammlerpersönlichkeiten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Zu ihnen gehört auch der Nachfahre eines alten französischen Adelsgeschlechts, Maurice de Talleyrand-Perigord, dessen „Dino-Collection“ früher türkischer und osmanischer Rüstungen zu den besten ihrer Art gehört. Auch die Sammlungen eines Heber R. Bishop oder Giovanni P. Morosini und manch anderer Sammler fanden ihren Weg in das Museum, doch der bedeutendste Mäzen für diesen Bereich der Sammlungen des MMA war George Cameron Stone (1859-1035), der sein Haus in New York wohl mit mehr als 5000 Waffen islamischer Provenienz ausgestattet hatte.

Der Katalog ist nach funktionalen Kriterien geordnet, beginnt mit Rüstungen und Rüstungsteilen, unter denen die mit nicht weniger als 26 Beispielen besonders stark vertretene Gruppe von Helmen, überwiegend aus dem 15. und 16. Jahrhundert, beeindruckt. Es folgt die vielfältige Gruppe der Waffen für den Nahkampf, eine Vielzahl von Schwertern, Säbeln, Messern und Dolchen, ergänzt durch Spieße, Äxte und Streitkolben, bevor Fernwaffen, also Gewehre, Pistolen aber auch Pfeil und Bogen den Reigen beschließen. Etwa die Hälfte der vorgestellten Objekte stammt aus dem türkisch-osmanischen Bereich, gefolgt von Indien mit Beispielen vor allem aus der Zeit des Mogul-Reiches, dem Iran, Nordafrika mit Spanien und einigen Objekten aus Zentralasien. Der Schwerpunkt osmanischer Waffen und Rüstungen lässt immerhin vermuten, dass auch so manche Türkenbeute aus dem Jahr 1683 Eingang in die Sammlung des MMA gefunden hat; ziemlich sicher ist das nur bei einem Banner aus mit Goldfäden bestickter Seide, wie es osmanische Truppen in den Feldschlachten mit sich führten und wie sie nachweislich in der Schlacht am Kahlenberg erbeutet wurden.

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