The Carpet and the Connoisseur – The James F. Ballard Collection of Oriental Rugs

Autor/en: Walter B. Denny, Thomas J. Farnham
Verlag: Saint Louis Art Museum
Erschienen: St. Louis 2016
Seiten: 240
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: USD 55,00
ISBN: 978-0-89178-072-4
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2016

Besprechung:
Man schrieb das Jahr 1905. James F. Ballard, ein erfolgreicher Geschäftsmann aus St. Louis war 54 Jahre alt und nichts deutete darauf hin, dass er dereinst zum illustren Kreis der bedeutenden amerikanischen Teppichsammler des frühen 20. Jahrhunderts gehören sollte. Anders als berühmte Sammler wie Rockefeller, Yerkes oder Myers stand seine Wiege nicht in den Kulturzentren der Ostküste etwa in New York oder in Boston, sondern im amerikanischen Mittelwesten. Und obwohl er mit einen pharmazeutischen Unternehmen und allerlei Wunderdrogen gutes Geld machte verfügte er bei weitem nicht über die Mittel, mit denen jene Sammlermagnaten klassische persische Teppiche bei den angesagten Kunsthändlern ihrer Zeit wie Duveen oder Kelekian kaufen konnten. Ballard fehlte auch jeder Background als Sammler; er hatte sich nie für Gemälde, Porzellan oder sonstige Collectibles interessiert oder diese gar gesammelt. Bis ihm dann 1905 anlässlich einer Geschäftsreise in New York im Schaufenster eines Orientteppichhändlers ein Teppich ins Auge sprang. Die geforderten 500 Dollar waren ihm zu viel, doch am nächsten Morgen kam er zurück, begann zu handeln und erwarb schließlich seinen ersten Teppich für 375 Dollar. Mit diesem Tag nahm sein Leben eine neue Richtung. Man weiß nicht, von welcher Provenienz dieser erste Kauf war, aber noch im selben Jahr erwarb Ballard 15 weitere Teppiche. Bis zu seinem Tod im Jahre 1931 summierte sich die Sammlung auf ca. 300 Teppiche, die heute zu ihrem größten Teil zwischen dem Metropolitan Museum in New York und dem St. Louis Art Museum aufgeteilt sind. Die 50 schönsten und wichtigsten des etwa 120 Teppiche umfassenden Bestandes in St Louis sind dort bis zum 8. Mai dieses Jahres ausgestellt. Der Katalog belegt eindrucksvoll die außerordentliche Qualität und Bedeutung dieser frühen Teppichsammlung. Im Gegensatz zu seinen prominenten Sammlerkollegen von der Ostküste orientierte sich Ballard nicht an der damaligen Mode, die die klassischen und schon damals sündhaft teuren persischen und indischen Teppiche im Fokus hatte. Mit seinem Schwerpunkt bei den anatolischen Teppichen wie Lotto, Holbein und Uschak und hier vor allem von dörflichen oder gar nomadischen Webstühlen, ergänzt um Exemplare aus Syrien, Ägypten, Spanien und Turkmenistan betrat Ballard tapitologisches Neuland und war seiner Zeit um mehr als ein halbes Jahrhundert voraus. Da es damals brauchbare Literatur zu dieser Art von Teppichen so gut wie nicht gab und auch Händler in ihren Katalogen und Broschüren mangels konkreter Informationen allerhand phantastischen Unsinn über den Orient als einen Ort des Abenteuers und der Mythen verbreiteten, sind Ballards Instinkt und Geschmack, mit denen er Teppiche ohne klare Provenienz und ohne kunsthistorischen Stammbaum erwarb, umso mehr zu bewundern. Mit seinem Blick für die außergewöhnliche Ästhetik und künstlerische Qualität erwarb er beispielsweise einen vermutlich aus der Region Konya stammenden Teppich des 17./18 Jahrhunderts mit einer hinreißenden weißgrundigen Cintamani-Bordüre oder einen kleinen Medaillon-Teppich des 17. Jahrhunderts, wie man ihn heute üblicherweise Karapinar zuordnet, beide aus heutiger Sicht einzigartige Juwelen anatolischer Teppichkunst.

Walter Denny schrieb die einführenden Texte zu dem nach geographischen Provenienzen geordneten Kapiteln des Kataloges ebenso wie die ausführlichen Beschreibungen der 50 ausgestellten Teppiche. Unter Einbeziehung wichtiger Exemplare des im Metropolitan Museum verwahrten Teils der Sammlung und der in einem Anhang mit Bild und Kurztext vorgestellten, nicht in der Ausstellung gezeigten weiteren ca. 70 Teppiche der St. Louis-Sammlung stellt er die historische und kunstgeschichtliche Bedeutung dieser Sammlung heraus und würdigt Ballard mit seinem Interesse für ausgefallene und seltene Teppiche, für damals kaum beachtete Fragmente und für seine Konzentration auf Dorfteppiche aus Anatolien als einen begnadeten, seiner Zeit weit vorauseilenden Sammler. Von ganz besonderer Qualität und überaus lesenswert ist aber der einführende Essay von Thomas Farnham über den Sammler Ballard. Ist dessen Sammlung durch Ausstellungen und Kataloge schon zu seinen Lebzeiten gut bekannt geworden, so war die Geschichte seines Lebens, vor allem sein Weg vom Erwerb des ersten Teppichs bis zum anerkannten Sammler und Teppichexperten bisher weitgehend unbekannt. Eine bewundernswert gründliche Recherche und Tom Farnhams wunderbar fabulierende und humorvoll-ironische Sprache machen die Lektüre zum Genuss. Farnham zeichnet das Portrait eines wahren Sammlers, der, auch wenn er erst in vorgerücktem Alter von dieser Leidenschaft erfasst wurde, nicht nur eine monumentale Sammlung aufbaute, sondern auch das Wissen um sein Sammelgebiet wie ein Schwamm aufsaugte und so in wenigen Jahren zum Kenner und Connoisseur wurde. Nicht ohne einen gewissen Hang zur Selbstdarstellung war er auch hier den prominenten Sammlerkollegen seiner Zeit voraus. Während jene, abgesehen davon, dass sich berühmte Teppiche heute mit ihrem Namen schmücken, nur wenig zur Geschichte des Orientteppichs beigetragen haben, ihre Sammlungen aufgelöst haben und diese heute nur noch Geschichte sind, hat James F. Ballard durch die Übereignung seiner Sammlung an zwei wichtige Museen nicht nur sich selbst, sondern auch dem orientalischen Teppich ein bedeutendes Denkmal gesetzt. Der Katalog ist, auch wegen der ausführlichen technischen Analysen aller ausgestellten Teppiche, ein wichtiger Beitrag zur islamischen Kunstgeschichte; für die Bibliothek von Sammlern und Liebhabern von Teppichen ist er unverzichtbar.

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