Cave Temples of Dunhuang, Buddhist Art on China‘s Silk Road

Autor/en: Neville Agnew, Marcia Reed, Tevvy Ball (Hrsg)
Verlag: The Getty Conservation Institute
Erschienen: Los Angeles 2016
Seiten: XVI/292
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 59,95
ISBN: 978-1-6060-64879-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2016

Besprechung:

“Seltsame Tiere, Statuen und Gold – überall sehe ich den Glanz von Gold.” lauteten die viel zitierten Worte von Howard Carter, als er am 26.11.1922 als Erster einen Blick in die Grabkammer von Tutanchamun im ägyptischen Tal der Könige werfen konnte. Ohne jeden Zweifel ist die Entdeckung des nahezu unberaubten Königsgrabes aus dem 13. Jh. v. Chr. mit seinen unglaublichen Schätzen eine der ganz großen Sternstunden der Archäologie des 20. Jahrhunderts. War die Entdeckung des Grabes das Ergebnis und die Krönung einer jahrelangen Suche von Experten nach einem solchen Fund, so war die Entdeckung der Terracotta-Armee des chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi einem Zufall zu verdanken. Im März 1974 stießen Bauern aus dem Dorf Xiyang im Süden Chinas beim Brunnenbau auf Bruchstücke großer Tonfiguren. Es waren die ersten Fragmente der dann durch chinesische Archäologen ausgegrabenen Armee von geschätzt etwa achttausend lebensgroßen Tonkriegern, auch sie nur eine Vorhut des bis heute ungeöffneten Mausoleums des Gründers der Qin-Dynastie und des chinesischen Kaiserreiches aus dem späten dritten Jahrhundert v.Chr. Bei einer Aufzählung oder Rangfolge archäologischer Sensationen des 20.Jahrhunderts darf die so genannte “Library Cave” oder Bibliothekshöhle der buddhistischen Höhlentempelanlage bei Dunhuang an der südlichen Seidenstraße im fernen Westen Chinas nicht fehlen. Auch hier waren es nicht Archäologen, die diese Bibliothek entdeckten sondern der daoistische Mönch Wang Yuanlu, der mit seinem Fund bei der chinesischen Obrigkeit auf Desinteresse stieß. Damit aber war ein Gerücht in die Welt gesetzt, das alsbald westliche Forscher und Abenteurer auf den Plan rief. Der für das British Museum arbeitende ungarische Archäologe Mark Aurel Stein war 1907 der erste, der von Wang Yuanlu für einen geradezu lächerlichen Betrag tausende von Manuskripten und Malereien erwerben konnte, gefolgt von dem französischen Sinologen Paul Pelliot im Jahre 1908.

Die Ausstellung im Getty Center in Los Angeles (bis zum 4. September 2016) zeigt herausragende Schrift- und Bildwerke aus der Höhle Nr. 17, der berühmten Library Cave, die heute im British Museum, der British Library, der Bibliothèque national de France und dem Musée Guimet in Paris verwahrt werden. Das die Ausstellung begleitende Buch beschränkt sich natürlich nicht auf diese biliophilen Schätze, auf Manuskripte sowie Skizzen, Zeichnungen und feine Malerei auf Papier und Seide, sondern bietet mit seinen elf ausführlichen Essays einen reich illustrierten Überblick über die historische Entwicklung von Dunhuang und die Höhlentempel von Mogao, behandelt die Architektur und Kunst dieses einzigartigen Zentrums buddhistischer Kultur, hier natürlich vor allem die eine Fläche von etwa 45.000 Quadratmetern bedeckende Wandmalerei, die Geschichte der Entdeckung und Erforschung dieses seit 1987 zum UNESCO-Welterbe gehörenden Ortes und nicht zuletzt Probleme und Lösungen der Konservierung und Restaurierung von Architektur und Malerei. Drei Jahrzehnte der Kooparation zwischen dem Getty Conservation Institute in Los Angeles und der chinesischen Dunhuang Accademy und ein internationales Team von Autoren stehen für Informationen aus erster Hand.

Die Geschichte Dunhuangs und der Mogao-Höhlen ist eng mit der Geschichte der Seidenstraße verbunden. Im 2. Jh. n.Chr. wurde Dunhuang als militärischer Außenposten Chinas am westlichen Ende der Großen Mauer zum Schutz dieser wichtigen Handelsroute gegründet. Schon bald entwickelte sich der zwischen den Wüsten Taklamakan und Gobi gelegene Ort zu einem blühenden Zentrum. Ein durchreisender Mönch grub im 4. Jahrhundert in die nahe gelegenen Klippen des Duquan-Flusses eine erste der Meditation dienende Höhle, der bis zum 14. Jahrhundert wohl eintausend weitere folgten. Etwa die Hälfte von Ihnen wurde je nach der politischen und ökonomischen Situation im Auftrage von Klöstern, Kaufleuten, lokalen Machthabern und sogar dem chinesischen Kaiser reich mit Statuen und Malerei ausgestattet. Sie erzählen in vielen Stilarten und wechselnder künstlerischer Qualität vom religiösen und säkularen Leben jener Zeit. Vor allem als die tibetische Yarlung-Dynastie zeitgleich mit der chinesischen Tang-Dynastie weite Teile Zentralasiens beherrschte, wurde Mogao zum spirituellen und künstlerischen Mekka des Buddhismus. Als im 14. Jahrhundert durch den aufkommenden Seehandel und die islamische Eroberung Zentralasiens die Seidenstraße an Bedeutung verlor und schließlich ganz aufgegeben wurde, gerieten Dunhuang und Mogao in Vergessenheit um erst an der Wende zum 20. Jahrhundert wieder in das Bewußtsein der Menschheit zu treten.

Nicht von ungefähr beginnt die Entdeckung von Dunhuang mit der Library Cave, deren Schätze in ihrer Bedeutung für dieErforschung der Geschichte Zentralasiens und weit darüber hinaus nicht hoch genug gewürdigt werden können. Das älteste der dort verwahrten Dokumente konnte auf das Jahr 406 datiert werden, und alle weiteren, ca. 50.000 Schrift- und Bildwerke stammen aus den nachfolgenden sechs Jahrhunderten, bis im Jahr 1002 die Höhle aus heute nicht mehr bekannten Gründen zugemauert und versiegelt wurde. Die Dokumente aus der Library Cave No. 17 gehören zu den bedeutendsten Funden antiker Literatur und Malerei die je entdeckt wurden und können daher mit gutem Grund neben Tutanchamun und der Terracotte-Armee als eine der großen archäologischen Sensationen des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden.

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