Made for Trade – Made in China – Chinese Export Paintings in Dutch Collections: Art and Commodity

Autor/en: Rosalien van der Poel
Verlag: Selbstverlag Rosalien van der Poel
Erschienen: (Leiden) 2016
Seiten: 288
Ausgabe: Hardcover
Preis: ca. € 40,00
ISBN: 978-0-819129-2-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2017

Besprechung:
Schon im Altertum haben chinesische Waren über die Seidenstrasse, deren Spuren sich im Dunkel der Geschichte verlieren, Europa erreicht. Legendär sind die von den Damen der römischen High Society geliebten, hauchdünnen Seidengewänder aus dem fernen Seres, ein Material so selten und kostbar, dass es nur mit Gold aufgewogen werden konnte. Das blieb so über Jahrhunderte, und auch die Berichte eines Marco Polo, der erstmals genauere Informationen über das chinesische Reich in den Westen brachte, änderten nicht daran, dass chinesische Waren als kostbare Luxusgüter gehandelt oder als Kuriosa in die Wunderkammern und Kuriositätenkabinette mittelalterlicher Fürsten gelangten. Das gilt insbesondere für frühes chinesisches Porzellan, das wohl kaum vor dem 14. oder 15. Jahrhundert Europa erreichte, als Wunder bestaunt und oft in Gold und Silber gefasst wurde. Erst die Entdeckung des Seewegs von Europa nach Asien brachte eine fast dramatische Wende: Gewürze und Tee waren plötzlich verfügbar und chinesisches Porzellan wurde vom kostbaren Luxus zum erschwinglichen Gebrauchsgut einer bürgerlichen Mittelschicht. Wesentlichen Anteil an diesem Wandel hatte die 1602 gegründete Verenigde Oostindische Compagnie (VOC), deren Vormachtstellung im Ostasienhandel das so genannte Goldene Zeitalter der Niederlande einläutete. Doch nicht nur die Niederlande, sondern ganz Europa verfiel dem Asien-Fieber; insbesondere die China-Mode sollte bis ins neunzehnte Jahrhundert aktuell bleiben. Die europäische Nachfrage, der Geschäftssinn der Manager, Kapitäne und Offiziere der VOC und nachfolgender Handelskompanien in England und den USA und die Geschäftstüchtigkeit der Chinesen schufen mit der so genannten chinesischen Export Ware ein völlig neues Genre. Es wurde dominiert vom Porzellan, das seit dem 17. Jahrhundert nach europäischem Geschmack und europäischen Vorbildern in China hergestellt und in Millionen-Stückzahlen verschifft wurde. Darüber hinaus waren Seide, Lackwaren, Möbel und Metallarbeiten, hier vor allem Cloisonné, chinesische Exportschlager und nicht zuletzt sogar auch Bilder in Form von Hinterglasmalereien, Aquarellen, Gouachen und Ölbildern. Dieser chinesischen Export-Malerei (Chinese Export Painting) ist eine sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung gewidmet, die der Universität Leiden als Dissertation vorgelegen hat. Ihr Thema ist der Bestand chinesischer Export-Malerei in sechzehn öffentlichen Sammlungen der Niederlande, ein Korpus von immerhin etwa 4000 Bildern. Acht Jahre hat sich die Autorin, Rosalien van der Poel mit den Thema befasst, Sammlungen, Archive und Urkunden nicht nur in den Niederlanden, sondern in der ganzen Welt gesichtet und ausgewertet und Feldforschung vor allem dort betrieben, wo diese Bilder mit dem Schwerpunkt im 18. und 19. Jahrhundert hergestellt wurden, in Guangzhou, dem ehemaligen Kanton und in Macao. Im Gegensatz zum Export-Porzellan und zu anderer chinesischer Export-Kunst war die Export-Malerei bis jetzt ein Stiefkind der kunstgeschichtlichen Forschung, kaum beachtet und vom Markt lange Zeit fast vergessen – sehr zu Unrecht, wie Rosalien van der Poel meint und überzeugend begründet. Chinesische Export-Malerei des 18. und 19.Jahrhunderts sei eine Kunstgattung ganz eigener Art. Die in der Tat bestehende Schwierigkeit, diese Bildwerke in den gängigen künstlerischen Traditionen zu verorten, sei es des Westens oder des Ostens, schließe es natürlich nicht aus, sie als Kunst zu werten und nicht als bloße Souvenirs, Erbstücke, Antiquitäten oder eben „collectibles“, als die sie vielfach bisher angesehen wurden. Die herausragende Bedeutung dieses malerischen Phänomens sei ihr transkultureller Charakter. Chinesische Export-Malerei ist danach eine eurasische Kunstrichtung eigener Art, ein Produkt des Überseehandels zwischen Europa und China von großem historischen, künstlerischen und letztlich auch materiellen Wert. Die auf den Bildern dargestellten Sujets, maritime Objekte, Bilder aus dem täglichen Leben, Flora und Fauna, Landschaften, Hafenszenen und schließlich exotische Themen wie die kaiserlich chinesische Hofhaltung oder Szenen der Folter und Exekution erscheinen vordergründig als bedeutungsvolle Informationsträger, die den Blick in eine ferne Vergangenheit gewähren. Doch der Schein trügt, denn die Bilder zeigen ein China jenseits der Realität, ein China, von dem der Westen glaubte, es sei China. Dass die Bilder in China von chinesischen Malern, überwiegend wohl in organisierten Werkstätten in Kanton und Macao, die ausschließlich für den Export arbeiteten, hergestellt wurden, ist ein Faktor, der den illusionistischen Reiz dieser Malerei noch steigert. Ein wundervolles Beispiel für diese eurasische Kunst ist eine Gruppe von Winterlandschaften, die mit phantastischen, mit Eis und Schnee bedeckten Bergformationen, froststarrenden Bäumen und einer bunt gekleideten Personenstaffage, bei der offen bleibt, ob es sich um Europäer oder um Chinesen handelt, als eine Art Synthese aus chinesischer Landschaftsdarstellung und niederländischer Malerei etwa eines Joos de Momper oder anderer großer Meister erscheint. Das Buch von Rosalien van der Poel öffnet den Blick auf eine wenig beachtete transkulturelle Kunst, die es verdient, aus den Depots der Museen an die Öffentlichkeit gebracht zu werden.

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