The Mosques of Egypt

Autor/en: Bernard O´Kane
Verlag: The American University in Cairo Press
Erschienen: Kairo 2016
Seiten: XLIV/360
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: GBP 50,00
ISBN: 978-977-416-732-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2017

Besprechung:
Das schlichte, für rituelle Waschungen bestimmte Brunnenhaus im dem von Arkaden gesäumten Innenhof der ehrwürdigen Moschee des Ibn Tulun in Kairo hat es zu Beginn des 21.Jahrhunderts unverhofft zu architektonischem Weltruhm gebracht. Kein Geringerer als der chinesisch-amerikanische Stararchitekt Ieoh Ming Pei hat in der kubistisch geometrischen Struktur dieses kleinen Bauwerks das Wesen der islamischen Architektur gesehen und sich von ihm zu seinem genialen Alterswerk, dem Museum für Islamische Kunst in Doha/Katar inspirieren lassen. Es sei einer seiner schwierigsten Aufträge gewesen, erzählt Pei: Es gehe ihm bei seiner Architektur stets darum, dass sie die Wurzeln ihrer Kultur erkennen lasse und Rücksicht nehme auf den Ort, wo sie steht. Die prominente islamische Architektur, die er studiert habe, in Damaskus etwa oder in Fatehpur Sikri oder in Cordoba, sei stets durch fremde Einflüsse gestört; erst mit der Strenge und Schlichtheit der meisterlichen Auflösung vom Kubus über das Oktogon zum Kreis und mit dem dadurch möglichen Spiel von Licht und Schatten unter der Sonne der Wüste, wie es der Brunnen in der Moschee des Ibn Tulun offenbart, habe er das Herz der islamischen Architektur erfassen und umsetzen können.

Die Moschee des Ibn Tulun in Kairo, errichtet von 876 bis 879 ist neben der schon im Jahre 641 gegründeten aber vielfach renovierten und immer wieder umgebauten Moschee vom ´Amr, die älteste in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Moschee in Kairo. Zusammen mit dem im Jahre 1296 von dem mamlukischen Sultan Ladschin errichteten Brunnengebäude ist sie eine der insgesamt 80 in dem Buch vorgestellten ägyptischen Moscheen. Sie ist mit der auf abbasidischer Architektur basierenden Struktur und Gestaltung ein Monument der Ästhetik jener Zeit, ein Meisterwerk der Weltarchitektur und in dem Buch über die Moscheen Ägyptens der Ausgangspunkt einer faszinierenden Reise durch mehr als ein Jahrtausend islamischer Architektur in Ägypten. Autor und Reiseführer ist hier der seit mehr als 35 Jahren in Kairo als Professor für islamische Kunst und Architektur an der Amerikanischen Universität Kairo lehrende Bernard O´Kane, der gewiss beste Kenner der Materie und zudem ein exzellenter Fotograf, der nicht nur seine Technik beherrscht, sondern auch das fotografische Auge für das Detail und das Besondere besitzt. Und so gerät jede der 80 notwendig knappen Beschreibungen von Moscheen, Medresen und Mausoleen, von welchen etwa zwei Drittel in Kairo und die weiteren über ganz Ägypten verstreut sind, zu einem individuellen und lebendigen Besuch und erweckt den Wunsch, das alles auch selbst zu sehen und zu erleben. O´Kane beginnt stets mit Hinweisen auf den Erbauer, Namensgeber oder Stifter des Bauwerks, dessen Funktion und Bedeutung in der Geschichte Ägyptens, beschreibt dann Umfeld, Lage und Architektur mit allen durch fortdauernde Nutzung und Zeitlauf vorgenommenen Änderungen, um schließlich auf individuelle Besonderheiten, Highlights der Ausstattung und kunsthandwerkliche und künstlerische Details hinzuweisen.

Diese Reise zu den ägyptischen Moscheen – der Begriff steht hier für alle muslimischen Bauwerke, die oft über den Ort der Verrichtung des Gebets hinaus eine Vielzahl weiterer Funktionen in sich vereinen – ist streng chronologisch geordnet und ist damit zugleich ein Gang durch die islamische Geschichte Ägyptens. Aus fatimidischer Zeit (969-1171) ist vor allem die im Jahre 970 gegründete al-Azhar Moschee zu nennen, noch heute eine der wichtigsten Moscheen Kairos und Keimzelle der berühmten gleichnamigen Universität. Eine Handvoll religiöser Bauwerke geht auf die kurze Herrschaft der Ayyubiden (1171-1250) zurück, während mehr als die Hälfte aller vorgestellten Moscheen, Medresen und Mausoleen von mamlukischen Sultanen, Kalifen, Statthaltern und Gouverneuren errichtet wurden. Unter den Mamluken (1250-1517) wurde Kairo zum bedeutendsten Wirtschafts- und Kulturzentrum der islamischen Welt und die zahllosen, oft monumentalen Bauten mit ihren Kuppeln und Türmen trugen Kairo den Beinamen „Stadt der tausend Minarette“ ein. Mit der Eroberung durch die Osmanen wandelte sich der sakrale Baustil, wofür hier die 1528 errichtete Suleyman-Pascha-Moschee mit ihrem schlanken türkischen Minarett steht. Auch die in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Muhammad-Ali-Moschee folgt ganz dem klassischen osmanischen Vorbild. Architektonisch von besonderem Interesse sind schließlich die vor allem in der ägyptischen Provinz nach dem zweiten Weltkrieg bis heute errichteten, kleineren Moscheen, mit denen die islamische Architektur mit mehr oder auch weniger Geschick der Moderne begegnet.

Die Liebe zum Detail und der Blick und Hinweis auf künstlerische und kunsthandwerkliche Besonderheiten ist der rote Faden dieser Architekturreise durch mehr als ein Jahrtausend. Beispiele sind die Verwendung älterer pharaonischer und byzantinischer Säulen und Kapitelle oder Kuppeln, deren Außenhaut mit einem dekorativen Wechselspiel aus Arabesken und geometrischen Strukturen überzogen ist. Kunstvoll aus vielfarbigem Marmor eingelegte Fußböden faszinieren ebenso wie die qualitätvolle Bemalung mamlukischer Holzdecken. Ein gekonnt ziselierter bronzener Türklopfer ist dem Fotografen ebensowenig entgangen, wie Iznik-Fliesen aus ihrer besten Zeit mit leuchtendem Grün und lebhaftem Rot, mit welchen in osmanischer Zeit eine mamlukische Moschee renoviert wurde. Selbstverständlich sind Mihrab und Minbar immer wieder Objekt aufwändiger und gekonnter Dekoration. Der Minbar aus der al-´Amri-Moschee in Qus, im frühen Mittelalter neben Kairo die bedeutendste Stadt Ägyptens, ein Meisterwerk fatimidischer Holzarbeit und das älteste und schönste derartige Kunstwerk in Ägypten, soll hier für viele andere stehen. Dass sich schließlich in einer kleinen, prachtvoll und hoch über dem Roten Meer gelegenen und 1999 von ägyptischen Architekten gebauten Dorfmoschee genau die kubisch geometrische Struktur des Brunnenhausss von Ibn Tulun wiederfindet, die meisterhafte Auflösung des Kubus über ein getrepptes Oktogon zur runden Kuppel, mag Zufall sein. Aber vielleicht hat auch Pei recht, dass wir in dieser Struktur das Wesen und Herz aller islamischen Architektur vor uns haben.

(Das Buch wird von TAURIS – www.ibtauris.com – vertrieben)

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