Aus dem Land des Schneelöwen – Kostbarkeiten aus Tibet 15. – 20. Jahrhundert

Aus dem Land des Schneelöwen – Kostbarkeiten aus Tibet 15. – 20. Jahrhundert

Autor/en: Michael Buddeberg, Bruno Richtsfeld (Hrsg)
Verlag: Museum Fünf Kontinente und Hirmer Verlag
Erschienen: München 2016
Seiten: 340
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 49,90
ISBN: 978-3-7774-2624-2 (de), 978-3-7774-2626-5 (en)
Kommentar: Joachim Baader, März 2017

Besprechung:

Das Standardwerk für Liebhaber exotischer Knüpfarbeiten vom Dach der Welt:
Anlässlich der sehenswerten Ausstellung der Sammlung Justyna und Michael Buddeberg im Museum Fünf Kontinente in München – „Aus dem Land der Schneelöwen“ – mit außergewöhnlichen Exponaten tibetischer Teppichknüpfkunst, Textilien, Kunsthandwerk und alten tibetischen Möbeln, ist eine umfangreiche und höchst informative Begleitpublikation erschienen, die in gewohnt hoher Qualität von Druck und Ausstattung vom Hirmer-Verlag München produziert wurde. Dieser Ausstellungskatalog ist insofern bemerkenswert, weil er sich in seltener Ausführlichkeit der tibetischen Knüpfkunst widmet, die in der großen Welt der Teppiche eine ganz besondere Stellung einnimmt. Es gibt wenige Teppichtraditionen die eine solch große Bandbreite an Farbigkeit und Motivvielfalt hervorgebracht haben wie die Erzeugnisse tibetischer Teppichknüpfer und -knüpferinnen. Zweifellos ist die bunte Farbigkeit und die mitunter fast unbekümmerte Gestaltungskraft und Großzügigkeit des Dekors aus den landschaftlichen Gegebenheiten, deren Kargheit, den gewaltigen Dimensionen der Gebirge und dem extremen Klima entstanden. Nur kurze Zeit im Jahresablauf kann sich eine bunte Flora entfalten da der für Monate anhaltende Dauerfrost die Herrschaft über die Vegetation bestimmt. Was ist naheliegender für die Bewohner, als diesen Mangel an Farbigkeit in der Natur durch eigene Kreativität zu kompensieren, indem sie ihre Bekleidung und die Gebrauchsgegenstände des Alltags mit erheiternder Farbenvielfalt ausstatten.

Mit der Farbenpracht, insbesondere nach der Erfindung der synthetischen Farben, und einer reichhaltigen Auswahl an Mustern und Dekor, spielt auch das verwendete Material – die Wolle – die als Rohmaterial in Hülle und Fülle und unterschiedlicher Qualität und Beschaffenheit vorhanden ist, eine bestimmende Rolle. Mit ihrem unterschiedlichen Verwendungszweck, geknüpft, gewebt oder gewalkt, und den verschiedensten Formaten, dienen diese Erzeugnisse als Meditationsunterlage, als Sitz- und Schlafteppich in den Behausungen und Zelten, als Schmuck und Schutz für die Nutztiere und nicht zuletzt auch als Statussymbole höher gestellter Persönlichkeiten.

Die Verwendungs- und Gestaltungsvielfalt tibetischer Knüpfkunst findet in den beschreibenden Kapiteln dieses Katalogs, verfasst von kompetenten Autoren, ihren Niederschlag. Im vorderen Teil der Publikation, nach dem Vorwort der Direktorin des Museums Frau Dr. Kron und einer Würdigung der Tibetica-Sammlung des Museums Fünf Kontinente von Bruno J. Richtsfeld, kommen zunächst die Spender der Sammlung mit Berichten zu ihrer Sammeltätigkeit und Motivation und mit eindrucksvollen Berichten über zahlreiche Reisen, die sie nach Tibet und in andere Länder des Himalaya führten, zu Wort.

Den größten Raum der Abhandlungen nimmt das Kapitel „Tibetische Teppiche im Kontext der eurasischen Knüpftradition“ ein. Darin beschreibt die Autorin Elena Tsareva in akribischer Weise Grundstrukturen und Besonderheiten tibetischer Knüpfkunst, ergänzt mit zahlreichen Detailaufnahmen des Flors und farbigen Zeichnungen der florbildender Elemente Knoten, Schuss und Kette. Thomas Wild schreibt über die Entwicklungsgeschichte zentraltibetischer Teppiche, während Koos de Jong die Bedeutung und Anwendung der Bestandteile der liebevoll geknüpften Pferdeausstattungen würdigt. Zu der Besonderheit der Tsuktruk-Teppiche, Erzeugnisse in Schlingentechnik, gibt Karma Trinley Darchen eine Einführung. Über die Reichhaltigkeit und Vielfalt tibetischer und chinesischer Zeichen und Symbole sowie deren Deutung schreibt Ulrike Montigel; über unterschiedliche Webtechniken und Anwendungen tibetischer Flachgewebe verschafft schließlich Christine Kalantari einen ausführlichen Überblick. Einen sehr speziellen Teil dieser Sammlung bilden die Knäufe oder Endkappen der unteren Holzstäbe der Rollbilder, denen bisher noch nie solch dezidierte Aufmerksamkeit in Ausstellungen oder Sammlungen zuteil wurde. Über sie verschafft Friedrich Spuhler erstmalig einen Überblick. Hans Weihreter widmet sich dem Schmuck aus Edelmetallen, Reliquienbehältern und Accessoires als Gürtelanhänger für den persönlichen Gebrauch. Zuletzt erfahren einige ausgesuchte und wertvolle Möbel aus dem Tempel- oder Wohnbereich wohlhabender Tibeter Beschreibung und Würdigung durch Heidi und Helmut Neumann. Am Ende des Katalogs befindet sich noch eine textiltechnische Beschreibung der Teppichsammlung in englischer Sprache von Elena Tsareva. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein Impressum, das die am Buch mitwirkenden Personen würdigt, bilden den Abschluss dieses vielfältigen und informativen Katalogs, der auch unabhängig von der Ausstellung ein nachhaltiges Zeugnis der materiellen Kultur Tibets abzulegen vermag.

(Der Katalog ist in einer deutschen und in einer englischen Ausgabe erschienen und ist über das Museum Fünf Kontinente oder über den Buchhandel zu beziehen)

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