Oriental Silks in Medieval Europe

Oriental Silks in Medieval Europe

Autor/en: Juliane von Fircks, Regula Schorta (Hrsg)

Verlag: Abegg-Stiftung

Erschienen: Riggisberg 2016

Seiten: 378

Ausgabe: Klappenbroschur

Preis: CHF 85,00

ISBN: 978-3-905014-62-4

Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2017

Besprechung:

Als China nach den dunklen Zeiten der Kulturrevolution und der Herrschaft der Viererbande Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Grenzen Tibets öffnete, wurde nicht nur ein Traumziel für Reisende erreichbar, sondern auch Forschung und Wissenschaft wurden wesentlich bereichert. Waren es in früheren Jahrhunderten die nur unter Gefahren und Strapazen zu bewältigenden Wüsten und Gebirgszüge an den Grenzen Tibets, die nur von wenigen Forschern und Abenteurern überwunden wurden, so waren es im späten 19. und im 20. Jahrhundert zunächst die Tibeter selbst, die ihr Land für westliche Besucher verschlossen, dann aber die Chinesen, die nach der Okkupation Tibets im Jahre 1950 Tibet für mehr als drei Jahrzehnte vom Rest der Welt isolierten. Von den seit der Öffnung Tibets seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts neu gewonnenen Kenntnissen sei hier die chinesische Seidenweberei genannt, deren Geschichte durch das in Tibet gefundene Material vollkommen neu geschrieben werden musste. Gewebte und gewirkte Seide in prachtvoller, farbenfroher Erhaltung, Gewänder, Wandbehänge, Tempelschmuck und Tapisserien aus China und Zentralasien haben sich in der dünnen und trockenen Atmosphäre auf dem Dach der Welt in großer Zahl erhalten und haben in der 80er und 90er Jahren Sammler, Museen und Experten in Aufregung versetzt. Eine ganze Anzahl wichtiger Publikationen sind Zeugnis dieses Meilensteins in der Textilwissenschaft. Der Katalog der Ausstellung im Metropolitan Museum „When Silk was Gold“ von James Watt und Ann Wardwell (1998), das Buch von Dieter Kuhn über „Chinese Silks“ (2012) oder Louise Mackies Werk „Symbols of Power“ über Luxustextilien aus islamischen Ländern (2015) seien hier für viele weitere erwähnt. Auch die Abegg-Stiftung hat sich in Ausstellungen und Publikationen wiederholt dieser Thematik gewidmet. Dass Seide aus China und dem Orient Europa bereits im Mittelalter in großer Zahl erreicht und in Handel, Gesellschaft, Kirche und Repräsentation eine bedeutende Rolle gespielt hat und dass sich Wissenschaftler wie Alois Riegl (1889 und 1893), Julius Lessing (1913) und Otto von Falke (1913) schon früh mit diesem Gegenstand befasst haben, geriet über den neuen Funden etwas in den Hintergrund. Es war daher eine begrüßenswerte Initiative, dass die Abegg-Stiftung im Herbst 2011 Textilwissenschaftler aus Europa, Asien und den USA zu einem Symposium über orientalische Seiden im mittelalterlichen Europa einlud. Die 21 Beiträge dieses Symposiums liegen nun als Band 21 der Riggisberger Berichte vor.

Die Themen der einzelnen Beiträge sind weit gespannt und reichen zeitlich von den Merowingern und Karolingern bis ins 14. und 15. Jahrhundert als sich in Lucca, Florenz und Venedig eine europäische Seidenweberei auf hohem Niveau etabliert hatte. Herkunft und Handelswege der überwiegend in Kirchenschätzen, etwa in Reliquienschreinen, aber auch in den Gräbern von Kaisern, Königen und Prinzen, von Päpsten und Bischöfen erhaltenen Textilien, werden diskutiert und anhand der in der jüngsten Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse zu bestimmen versucht. Der Handel mit diesen bunt gemusterten und von den europäischen säkularen und klerikalen Eliten hoch begehrten Seidenstoffen über das Geflecht von Karawanenwegen, vereinfacht später als „Seidenstrasse“ bezeichnet, hatte bedeutenden und bislang eher unterschätzten Umfang. Vor allem sassanidische und sogdische Händler waren in den Seidenhandel involviert. Und diese Seidenstraße war keine Einbahnstraße wie ein mit christlichen Heiligen bestickter Stoff beweist, der in einer nomadischen Grabstätte des 13./14. Jahrhunderts in der Kalmückensteppe gefunden wurde und wie es die am osmanischen Hof beliebten italienischen Luxustextilien, vor allem Samte,  für das späte Mittealter treffend belegen. Das Phänomen des Gebrauchs von Seidengeweben mit arabischen Inschriften und muslimischer Symbolik im christlich geprägten europäischen Mittelalter, vor allem auch im klerikalen Kontext, wird an Beispielen, wie etwa den Textilien des Normannenkönigs Wilhelm II oder an Paramenten des Diözesanmuseums Regensburg dargestellt. Die Stoffe waren ihrer Qualität, Schönheit und Exotik  wegen zwar hoch begehrt, aber Produktion, Muster und Ästhetik lagen außerhalb des Einflussbereichs der europäischen Nutzer. So erklären sich Adaption und Verwandlung dieser Stoffe in Europa, deren Verwendung in neuer Funktion, der Verlust ihrer eigentlichen Bestimmung und ihre Integration in ein westliches Zeichen- und Symbolsystem. Die so genannten „panni tartarici“, Goldstoffe aus der Zeit der Mongolenherrschaft, die an vielen europäischen Höfen zum Statussymbol wurden, sind hier ein Beispiel.

Mit diesen knappen und selbstverständlich nur oberflächlichen Hinweisen kann hier nur Interesse und Neugier geweckt werden auf ein Buch, das das Thema orientalischer Seiden im mittelalterlichen Europa unter vielen Aspekten und Sichtweisen eingehend behandelt. Seide, so mag als Resümee am Ende dieser Besprechung stehen, ist ein exzellentes Medium, um die Kontakte zwischen Europa und Asien darzustellen. Besonders im Handel mit Textilien waren Europa und Asien durch eine unendliche Vielzahl von Kontakten schon im Mittelalter eng miteinander verknüpft.

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