Age of Empires – Art of the Qin and Han Dynasties

Age of Empires – Art of the Qin and Han Dynasties

Autor/en:       Zhixin Jason Sun

Verlag:           The Metropolitan Museum of Art und Yale University Press

Erschienen:   New York, New Haven und London 2017

Seiten:            XVI/252

Buchart:         Leinen mit Schutzumschlag

Preis:              USD 65,00

ISBN:             978-158839-617-4

Kommentar: Michael Buddeberg, August 2017

Besprechung:

Glaubt man der chinesischen Geschichtsschreibung, so sind die Chinesen das einzige Volk der Erde, das auf eine kontinuierliche Tradition seit den Anfängen der Steinzeit zurückblicken kann. Beschäftigt man sich näher mit den Quellen, so reduziert sich das Bild auf Sagen, Legenden und mythische Figuren. Eine systematische wissenschaftliche Archäologie und Forschung hat in China erst mit dem Ende der Kulturrevolution begonnen. Sie hat der Weltöffentlichkeit phantastische Entdeckungen beschert aber das Bild von der über Jahrtausende ungebrochenen Tradition deutlich verschoben. Die eigentliche Geschichte des chinesischen Kaiserreiches beginnt bei strenger Bewertung der Tatsachen im Jahre 221. v. Chr., als König Zheng aus der Dynastie der Qin (221-206 v.Chr.) nach militärischer Eroberung der „Streitenden Reiche“ (475-221 v.Chr.) sich selbst zum Kaiser über das eroberte Territorium erhob und sich den Titel Shihuangdi, das ist „Erster Erhabener Göttlicher“ oder einfach „Erster Kaiser“ gab. Bis zu seinem Tod waren ihm nur noch elf Regierungsjahre vergönnt, in denen er jedoch durch eine schier unglaubliche Fülle von Vorhaben und Reformen die politischen und intellektuellen Voraussetzungen für alle nachfolgenden Dynastien, ja sogar bis in die heutige Zeit, und die Grundlagen für die chinesische Kunst und Kultur schuf. Er errichtete ein einheitliches, zentralistisch ausgerichtetes und legalistisch orientiertes Regierungs- und Verwaltungssystem, er vereinheitlichte Maße, Gewichte, Währung und Schrift, baute Straßen und Wasserwege und begann mit dem Bau der Chinesischen Mauer. Die ihm nachfolgende Dynastie der Han (206 v. bis 220 n.Chr.)  übernahm und festigte das von Shihuangdi etablierte System und sicherte die Macht über das Reich, dem sie den Namen Zhongguo, „Reich der Mitte“ gab, ein Name aus dem erst sich der Begriff „China“ entwickelte. Die bedeutendste Errungenschaft dieser beiden ersten kaiserlichen Dynastien ist aber neben all den weitreichenden Reformen wohl die Entstehung einer nationalen Identität indem sich die Bewohner im ganzen chinesischen Reich als eine Nation zu fühlen begannen und dieses „China“ als ihre Heimat empfanden.

Dieser einzigartigen Epoche von etwa viereinhalb Jahrhunderten (221 v. bis 220 n.Ch.), der Entstehung Chinas in den Dynastien der Qin und Han, war von April bis Juli 2017 eine Ausstellung im Metropolitan Museum in New York gewidmet. Über 160 Exponate, allesamt Leihgaben aus 32 chinesischen Museen und archäologischen Instituten, sind von herausragender Qualität und Anschauungskraft. Sie belegen die bereits durch mehrere China-Ausstellungen dokumentierte enge Beziehung und Zusammenarbeit des MMA mit kulturellen Einrichtungen Chinas. Allein 13 Objekte, darunter einige der lebensgroßen Figuren, zwei komplette vierspännige Streitwagen und eine raffiniert aus kleinen jadeartigen Kalksteinplättchen zusammengesetzte Rüstung stammen aus den Ausgrabungen der „Terrakotta-Armee“ des Kaisers Shihuangdi, aus der wohl weltweit spektakulärsten archäologischen Grabungsstätte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vor allem die archäologischen Funde aus Gräbern von Prinzen und Adeligen der Han-Dynastie gewähren einen großartigen Überblick über hohe künstlerische und handwerkliche Qualität der Objekte aus jener Zeit. Obwohl als Grabbeigaben für das jenseitige Leben gedacht und gemacht vermitteln sie einen Eindruck auch vom täglichen Leben der damaligen chinesischen „upper class“ und ihrem Hang zu Luxus und Schönheit. Bronzene Glocken etwa und Weingefäße mit reicher Vergoldung, Lackarbeiten, gewebte und bestickte Textilien aus Seide, Spiegel, Schmuck, Tonmodelle von Häusern, Werkstätten und Ställen und immer wieder meisterhaft ausgeführte und mit Humor gestaltete Tierfiguren, faszinieren auch durch ihre prachtvolle Erhaltung. Auffallend und beispielhaft für das exquisite und originelle Design der Han-Zeit sind die vielen mit Phantasie und technischer Virtuosität gestalteten Lampen. Der Dekor vieler Objekte, oft rein geometrisch oder mit stark stilisierten mythischen Wesen und Tieren, ist typisch für diese Zeit und nimmt, erstaunlich genug, Gestaltungsprinzipien vorweg, wie sie in der arts-and-crafts-Bewegung im späten 19. oder im Jugendstil des frühen 20. Jahrhunderts wiederkehren.

Der noble Katalog entspricht dem gewohnten Standard und hohen Niveau der Publikationen des MMA. Die Abbildungen sind vorzüglich, die wissenschaftlichen Beschreibungen lassen keine Wünsche offen und das umfängliche Literaturverzeichnis gibt Hinweise auf eine Fülle weiterführender Literatur. Sieben Essays erschließen die Entstehung, Bedeutung und Leistungen beider Dynastien und der sie beherrschenden Kaiser. Sie machen deutlich, dass es vor der Qin-Dynastie in Ostasien nichts gab, was man als Reich bezeichnen könnte, und natürlich auch keinen Kaiser. Was dann geschah war ein Paradigmenwechsel, wie er im Buche steht. Die einzelnen Beiträge untersuchen neben dem bereits angesprochenen Bündel an Reformen und Vereinheitlichungen dessen Folgen etwa für Handel, Kommerz und den internationalen Austausch, für Militär und Waffentechnik, für das Denken und die Überzeugungen der Menschen und wie aus einer Vielzahl von Ethnien und Stämmen ein Volk und eine Kultur wurde. Kurzum: Ein wertvoller Bericht über eine einzigartige Epoche in der chinesischen Geschichte, deren historischer und künstlerischer Einfluss bis heute fortwirkt.

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