Phulkari – The Embroidered Textiles of Punjab from the Jill and Sheldon Bonovitz Collection

Autor/en:       Darielle Mason (Hrsg)

Verlag:           Philadelphia Museum of Art und Yale University Press

Erschienen:    Philadelphia, New Haven und London 2016

Seiten:            96

Buchart:         Hardcover

Preis:              USD 29,95

ISBN:            978-0-300-22590-7 (Yale)

Kommentar:  Michael Buddeberg, September 2007

 

Besprechung:

Eine großzügige Schenkung war Anlass für das 2010 publizierte Buch von Darielle Mason: „Kantha – The Embroiderd Quilts of Bengal from the Jill and Sheldon Bonovitz Collection and the Stella Kramrish Collection at the Philadelphia Museum of Art“. Mit der erneuten Schenkung von Phulkaris – gestickten Textilien aus dem indischen Punjab – an das Philadelphia Museum durch das Sammlerehepaar Bonovitz findet diese mäzenatische Aktion mit Ausstellung und begleitender Publikation eine Fortsetzung. Für Darielle Mason, Kuratorin für Indien und Himalaya am Philadelphia Museum of Art, die auch hier als Herausgeberin zeichnet, ist dies Anlass für einen lesenswerten Beitrag über den politisch-historischen Background, vor dem diese traditionellen indischen Stickereiarbeiten – Phulkari und Kantha –  zu sehen sind.

Nach dem Plan des damaligen Generlgouverneurs und Vizekönigs von Indien, Lord Mountbatten, wurde Britisch Indien 1947 in zwei nach religiösen Bevölkerungsmehrheiten gebildete, unabhängige Nachfolgestaaten, die Indische Union und Pakistan, aufgeteilt. Die Provinzen Punjab im Nordwesten und Bengalen im Nordosten Indiens wurden geteilt und es entstanden im Westen und Osten des indischen Subkontinents die muslimischen Teilstaaten West- und Ostpakistan. War schon dieses Konstrukt, zwei pakistanische Teilstaaten, getrennt durch mehr als 1500 Kilometer Indien, nicht lebensfähig – 1971 wurde nach einer kriegerischen Auseinandersetzung aus Ostpakistan das unabhängige Bangladesch – so erwies sich vor allem die Grenzziehung im Punjab als fatal. Geschätzte sieben Millionen Hindus und Sikhs verließen das neue westpakistanische Staatsgebiet und begegneten auf der Flucht ca. vier Millionen Muslimen, die sich von Indien nach Pakistan auf den Weg gemacht hatten. Die Situation geriet total außer Kontrolle und bürgerkriegsähnliche Zustände kosteten wohl eine Million Menschenleben.

Für die traditionelle textile Volkskunst Bengalens und vor allem des Punjab war dieser politische Gewaltakt die entscheidende Zäsur. Während der bengalische Kantha als eine Art Recyclingprodukt in dem indischen Westbengalen weiterhin eine kommerzielle Nische besetzt, ist die Tradition des Phulkari in den Nachfolgeregionen des Punjab endgültig untergegangen. Im chronisch unstabilen Pakistan mit seinen nicht enden wollenden ethnisch-religiösen Konflikten, mit Korruption und Terrorismus und der Not der Menschen hatten und haben derart aufwendige Stickereien wie die Phulkari keine Chance. Und auch auf indischer Seite hatten staatliche Förderprogramme mit dem Ziel, diese Volkskunst wiederzubeleben keinen Erfolg.

Mit dem nun vorliegenden Buch über Phulkari wird ein in der Literatur nur selten und verstreut anzutreffendes Thema aus der reichen indischen Textiltradition zusammenfassend behandelt. Phulkari steht hier als Sammelbegriff für die im Punjab von Frauen bis zur politischen Trennung bestickten großen Textilien, wobei hier sowohl die nur teilweise, vor allem mit figürlichen und erzählenden Themen bestickten Textilien, die „sainchi“, wie auch die meist ornamental und vollflächig bestickten „bagh“ erfasst werden. Die nach dem Grundgewebe und den verschiedenen Motivgruppen unterschiedlichen Bezeichnungen werden ebenso erörtert wie die Materialien und vor allem die Sticktechniken, unter denen der Platt- oder Stopfstich dominiert, welcher die ästhetische Charakteristik der Phulkaris bestimmt. Auch die Datierung ist Thema, wobei, trotz einer wohl sehr viel weiter zurück reichenden Tradition nur sehr wenige der heute bekannten Exemplare noch im 19. Jahrhundert entstanden sein dürften. Spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, ein Schlüsseldatum ist hier die große  Punjabausstellung in London 1881, wurden Phulkari auch für das erwachende Interesse britischer Kolonialbeamter und für den Export nach USA und Europa produziert, wo Phulkaris als Einrichtungstextilien zunehmend Beachtung fanden. Ihre wichtigste Funktion blieb aber immer die familiäre Nutzung als Schmuck der Wohnung, Geschenk an Verwandte und an verehrte heilige Stätten, vor allem aber als wesentlicher Aussteuergegenstand und eng verbunden mit familiären Ereignissen, allen voran Hochzeiten. Das Sticken von Phulkaris war eine Kunst, die ohne Vorlagen von Generation zu Generation, von Mutter zu Tochter weiter gegeben wurde. Herstellung und Gebrauch von Phulkaris war klassen- und religionsübergreifend, gestickt wurde in den Dörfern und in den Städten, in Peshawar, in Hazara, in Amritsar und in vielen anderen, in Haushalten von Hindus, Muslimen und Sikhs. Phulkaris waren, vor allem in ihrer Blütezeit im 19. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Ausdrucksformen aller Frauen des Punjab, unabhängig von Stand, Religion und Herkunft geworden. Heute sind sie eine Erinnerung an eine der wichtigsten Textiltraditionen Indiens und ein Mahnmal wie solche Traditionen von unbedachter Politik ausgelöscht werden können.

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